„Schon jetzt Risse im Hilfenetz“ – Sabine Zürn zur Abstimmung über karlsruher Doppelhaushalt 2017/18

23. November 2016  Allgemein, Position, Rede

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren;
Die Linke im Karlsruher Gemeinderat kann der Einnahmen- und Ausgabenpolitik, wie sie die Stadt in den nächsten Jahren verfolgt, nicht zustimmen.

„SPARHAUSHALT“ – MIT IMMENSEN AUSGABEN

Der von vielen hier benutzte Begriff „Sparhaushalt“ lässt nicht erkennen, dass in den letzten Wochen auch immense Ausgaben verabschiedet worden sind. Diese Ausgaben waren aus unserer Sicht keineswegs pure Notwendigkeit. Sie sind ebenso wie die Kürzungsmaßnahmen Ausdruck des politischen Willens der Gemeinderatsmehrheit. Das Ja der GR-Mehrheit zu einem aus Steuermitteln finanzierten Profi-Fußballstadion mit Logen und Parkplätzen für so genannte „VIPS“ und eine Hochsicherheits-Infrastruktur für gewaltbereite Fans ist eine immense Ausgabe! Hier kommen Millionen – keiner weiß wie viele – erstens einem privaten Unternehmen und zweitens Einzelpersonen zu, die sich gut und gern an den Kosten beteiligen könnten!

SCHON JETZT RISSE IM HILFENETZ

So manche kleine Zurücknahme der Mittelkürzungen vor allem im sozialen Bereich hat es im Lauf der Haushaltsberatungen gegeben. Darüber waren wir froh. Wir sahen darin auch eine Bestätigung unserer Strategie, sämtliche Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Da hat es an der einen oder anderen Stelle doch ein Nachdenken gegeben. Insgesamt können wir ihre Zufriedenheit mit der Situation jedoch nicht teilen. Die hier geäußerte Zuversicht, dass durch die Kürzungspolitik keine Strukturen im sozialen Bereich zerschlagen worden seien, wird leider nicht von Dauer sein, da sich schon jetzt Risse im Hilfenetz zeigen. Auch die ständig steigende Belastung der Beschäftigten in den städtischen Betrieben und anderen Einrichtungen macht uns Sorge.

FAHRTENKÜRZUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN – MEHR KOSTENLOSES PARKEN FÜR DIE GEMEINDERÄTE

Zwei Beschlüsse des Doppelhaushalts sind in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen zu Recht oft gemeinsam genannt und kritisiert worden: Einerseits die Fahrtenkürzung für Menschen mit Behinderungen und andererseits der Beschluss, Gemeinderäten mehr kostenloses Parken in der Stadt zu genehmigen. Diese Beschlüsse sind nicht etwa von den Linken oder von „Spart’s euch“ skandalisiert worden, sondern unter anderem vom Beirat für Menschen mit Behinderungen. Dessen Kritik wird hoffentlich nicht unterstellt, unverhältnismäßig oder „populistisch“ zu sein.

UNGUTE KLUFT ZWISCHEN POLITISCHEN ENTSCHEIDERN UND DER BEVÖLKERUNG

Die beiden genannten kommunalpolitischen Entscheidungen vertiefen die ungute Kluft zwischen politischen Entscheidern und der Bevölkerung. Sie zerstören Vertrauen, denn sie sind ungerecht. Gemeinsam bildet sie den Nährboden für eine Politik des Gegeneinander und der Menschenfeindlichkeit, wie wir sie in immer mehr Ländern vorfinden und die nicht zuletzt auch hier droht.
So eine Politik wollen wir Linken nicht und Sie doch sicher auch nicht. Umso unangenehmer hat uns überrascht, dass sich Gemeinderatsmehrheiten für die beiden Anträge fanden und in einer wichtigen Gemeinderatssitzung zugleich die Fahrtgeld-Zuschüsse für Menschen mit Behinderungen gestrichen wurden und Gemeinderatsmitglieder mehr Parkhaus-Gutscheine erhalten. Über die Entscheidung sind wir bestürzt und wir hätten sie nicht für möglich gehalten.

POLITIK DER SOZIALEN SPALTUNG WIE AUF BUNDES- UND LANDES-EBENE

Der vorliegende Doppelhaushalt ist die kommunale „Übersetzung“ einer Politik der sozialen Spaltung, wie sie auf Bundes- und Landesebene entworfen und maßgeblich umgesetzt wird. Leider bleibt nennenswerter Protest gegen die Zumutungen der „großen Politik“ auf kommunaler Ebene aus, was mit den Regierungsbeteiligungen zu tun haben dürfte. Nicht überall aber sind Gemeindeparlamente und Stadtverwaltungen bereit, ihre Finanzen zu Lasten der Kommune und vor allem der Menschen ohne Lobby zu „konsolidieren“. Wir hätten es gut gefunden, wenn eine starke Stadt wie Karlsruhe andere Ansätze im Umgang mit dem Haushaltsdefizit zumindest in Erfahrung gebracht und diskutiert hätte. Dass soziale Not sich in den letzten Jahren auch in Karlsruhe verstärkt hat, und dass sich dies durch den Doppelhaushalt eher verschlechtert, wird schwerlich jemand leugnen können.

GERN LAUTSTARK UND UNKONVENTIONELL

Starke Kritik am Kürzungs-Doppelhaushalt kam in den letzten Monaten nicht nur von den Linken. Die „Initiative für eine solidarische Stadt“ begleitete die Kommunalpolitik mit Aktivitäten unter dem Motto „Sparts euch!“ Die „Besuche“ bei Gemeinderatssitzungen, Infostände und Aktionen der Initiative waren leider in diesem Haus ganz und gar nicht willkommen. Schade – und bedenklich – , dass sie nicht als Bestandteil demokratischer Willensäußerung gesehen wurden. Wir Linke im Karlsruher Gemeinderat hoffen, dass sich die kritischen Stimmen in der nächsten Runde der Haushaltskürzungen weiter zu Wort melden, gern auch lautstark und unkonventionell!

Ich komme zum Schluss: Als Konsequenz unserer umfassenden Kritik an den beschlossenen Kürzungsmaßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich lehnt die Linke im Karlsruher Gemeinderat den vorliegenden Haushaltsplan ab.


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