Ludwig Pfau und das Literaturhaus

30. April 2020  Allgemein
Frisch erschienen: ein Buch mit Gedichten Pfaus herausgegeben von Dr. Erhard Jöst.

Der Stadtrat Erhard Jöst beantragte am 30.4. im Gemeinderat, dass das neue Literaturhaus in Heilbronn den Namen des Freiheitskämpfers Ludwig Pfau tragen soll. Leider wurde sein Antrag abgelehnt. Im Ossietzky wird ein Artikel von Jöst erscheinen, der die Problematik erklärt.

Erhard Jöst   Ludwig Pfau und das Literaturhaus in Heilbronn

Die Stadt Heilbronn darf sich seit 2020 „Universitätsstadt“ nennen und hat daher sämtliche Ortsschilder mit diesem Zusatz versehen. Ein Literaturstandort war die Stadt freilich nie und wird es auch nicht werden. Weil Heinrich von Kleist einst das Theaterstück „Käthchen von Heilbronn“ geschrieben hat, begnügt sie sich mit der Identifizierung als „Käthchenstadt“ und ist damit zufrieden, alle paar Jahre ein Mädchen zur touristischen Vermarktung zum Käthchen zu küren.

Dass die Einrichtung eines Literaturhauses in Heilbronn auf den Weg gebracht wurde, ist den Workshops zu verdanken, die im Jahr 2018 durchgeführt worden sind. Denn es war die Forderung der Teilnehmer, die darauf hinwiesen, dass die Stadt in der Vergangenheit „ihr literarisches Potential“ nicht ausgeschöpft hat. Dies gilt auch für die Pflege des eigenen literarischen Erbes und ganz besonders in Hinsicht auf Ludwig Pfau. Mit dem Literaturhaus im Trappenseeschlösschen besteht nun die Chance, dieses Defizit abzubauen und Heilbronn als Literaturstadt zu positionieren und – benennt man das Haus nach Ludwig Pfau – auch den bedeutenden Schriftsteller bekannt zu machen.

Schaut man sich in der Region um, sieht man, wie sehr die Stadt Heilbronn die Pflege ihrer Literaten vernachlässigt hat: Weinsberg kümmert sich nachhaltig um Justinus Kerner, Lauffen um Friedrich Hölderlin (man denke an das Hölderlin-Museum und an das großartige Denkmal „Hölderlin im Kreisverkehr“), selbst kleine Orte wie Löwenstein haben ein Museum eingerichtet – in diesem Fall für Manfred Kyber –, Cleversulzbach für Eduard Mörike, Langenbrettach hat eine Albrecht-Goes-Stube, und besucht man eine kleine Gemeinde in der Nähe von Eppingen, nämlich Flehingen-Oberderdingen, dann staunt man, wie liebevoll und nachdrücklich man dort das literarische Erbe von Samuel Friedrich Sauter pflegt. Und wenn die Gemeinden es nicht geschafft haben, ihren Literaten ein eigenes Museum zu errichten, dann haben sie ihnen wenigstens eine Gedenkstätte eingerichtet wie Neuenstadt im Schafstall-Museum und Bönnigheim in seinem Museum für Sophie La Roche.

In vielen Städten gehören Literaturhäuser inzwischen zum Alltag des Literaturbetriebs. Sie sind auf die literarischen Verhältnisse der jeweiligen Stadt zugeschnitten. Wenn man das Heilbronner Literaturhaus nach Ludwig Pfau benennt, ist damit doch keinerlei Einschränkung verbunden. Selbstverständlich könnte auch das Literaturhaus Ludwig Pfau in Heilbronn mit „einer Vielzahl von Veranstaltungsformaten auf ein möglichst breit interessiertes Publikum“ zielen. Wohl aber würde die Stadt sich in Verbindung mit ihrem großen Poeten Pfau bekannt machen. Denn wenn man sich über „Literarische Orte“ erkundigt, die mit Pfau in Verbindung stehen, wird man derzeit allein verwiesen auf Pfaus Wohnung in Stuttgart (Wilhelmsplatz 7), auf die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt und auf das Kerner-Haus in Weinsberg. Pfaus Geburtsstadt Heilbronn wird nicht erwähnt.

Wenn man einen Dichter kennenlernen und verstehen möchte, dann ist es hilfreich, sich auf seine Spuren zu begeben. Deshalb gab und gibt es immer noch literarische Reiseführer. Sie laden Touristen und auch Lehrer mit ihren Schulklassen dazu ein, die Orte zu besuchen, in denen der Literat gelebt und geschrieben hat. Heilbronn und Pfau sind in solchen literarischen Reiseführern nicht präsent, was jetzt mit dem Literaturhaus endlich geändert werden muss.

Als im Jahr 1994 anlässlich von Pfaus einhundertstem Todestag das Deutsche Literaturarchiv Marbach ein Magazin über Ludwig Pfau herausbrachte, konnte man in der Wochenzeitung Die Zeit lesen: „Man hätte sich, ganz allgemein gesprochen, ein paar blutige Umwege ersparen können, den grausigen Tod von Millionen vielleicht und Trümmergebirge, wenn die Geschichte, die deutsche, Menschen wie ihm gefolgt wäre anstatt den Bismarcks und Moltkes. Aber auch heute noch, immer noch, gelten sie mehr, die Bismarcks und Moltkes, als solche Bürger wie er. Menschen wie er: Ludwig Pfau, geboren 1821 in Heilbronn, Dichter, Journalist, Republikaner.“

Oft wird Pfau auch als Revolutionär bezeichnet. Falls es Menschen gibt, die bei dem Wort erschrecken, dann kann man sie mit der Information beruhigen, dass Pfau lediglich insofern ein Revolutionär war, dass er eine Demokratie forderte. Mit einer solchen Forderung stand man zu Pfaus Lebzeiten, als in allen deutschen Bundesstaaten noch die Duodezfürsten regierten, mit mehr als einem Bein im Zuchthaus. Pfau war ein Liberaler, er war Mitbegründer der Deutschen Volkspartei DVP, die Vorgängerin der FDP. Mit Pfau ehrt man nicht nur einen bedeutenden Schriftsteller, sondern auch einen engagierten Vorkämpfer für die Demokratie.

Bisher hat das Literaturhaus anlässlich von Pfaus 200. Geburtstag im August 2021 lediglich die Organisation einer Tagung unter dem Titel „Revolutionsliteratur im deutschen Südwesten“ angekündigt: Das ist zu wenig und wird dem bedeutenden Sohn der Stadt in keiner Weise gerecht.

In den meisten Städten, die heute ein Literaturhaus haben, gibt es auch literarische Gedenkstätten oder Museen für die Autoren aus der Region. Deshalb hat man dann zumeist auf die Namensgebung bei dem Literaturhaus verzichtet. Aber es gibt selbstverständlich auch Häuser mit Namen, zum Beispiel das Literaturhaus Uwe Johnson in Klütz und das Brigitte-Reimann-Literaturhaus in Neubrandenburg oder das Raabe-Haus in Braunschweig. Jedenfalls kommen diese Städte alle ihrer Pflicht nach, ihre SchriftstellerInnen bekannt zu halten. Und dazu gehört auch, sie wenigstens mit einer kleinen ständigen Ausstellung und der Einrichtung einer Forschungsstelle zu ehren. Eine solche ist gerade in Heilbronn notwendig, weil der Universität die geisteswissenschaftlichen Fakultäten fehlen.

Dass der Leiter des Literaturhauses wenige Monate vor dessen Eröffnung einen Wettbewerb für Heilbronner Künstlerinnen, Kulturschaffende und Kreative ausgeschrieben hat, wonach diese „sich mit einem Beitrag zu den Bezugspunkten Heilbronns zur Literaturgeschichte“ auseinandersetzen sollen, erscheint als hilfloser Versuch, noch ganz schnell irgendwie einen Bezug zu den Heilbronner Literaten herzustellen.

Dass Teile des Heilbronner Kleist-Archivs Sembdner (KLAS) im Literaturhaus untergebracht werden sollen, ist ebenfalls eine Fehlkonstruktion, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, weil das zu weit gehen würde. Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass Heinrich von Kleist zu Frankfurt an der Oder gehört, nicht zu Heilbronn. Ein Blick in das Kleist-Museum in Heibronns Partnerstadt zeigt übrigens auch, wie man literarisches Erbe vorbildlich pflegen kann. Insofern ist auch die Möglichkeit gegeben, im Rahmen der Städtepartnerschaft kulturellen Austausch zu betreiben.

Bei Pfaus Beisetzung im Jahr 1894 sagte ein Vertreter der Stadt Heilbronn: Das Andenken an Ludwig Pfau werde von Heilbronn wie ein heiliges Feuer bewahrt und bewacht werden. Der Mann hat sich gewaltig geirrt. Da zu befürchten ist, dass Heilbronn Ludwig Pfau kein Denkmal, kein Museum und auch keine Gedenkstätte errichtet, sollte die Stadt wenigstens die einmalige Chance nutzen, die mit der Eröffnung des Literaturhauses in diesem Jahr verbunden ist, und es nach Ludwig Pfau benennen.


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