200 Jahre Ludwig Pfau – Beitrag von Erhard Jöst zum Umgang in der Stadt Heilbronn mit dem Ehrenbürger

30. März 2021  Kultur, Reden

Veranstaltungsübersicht Pfau,

Sitzung des Kultur-Ausschusses am 30.3., 16 Uhr

 

Ludwig Pfau war einer der bedeutendsten Intellektuellen des 19. Jahrhunderts, der die völkerverbindende Kraft von Kunst und Wissenschaft unter Beweis stellte und der sich lebenslang engagiert für die Demokratie und für den Frieden eingesetzt hat. Seine Geburtsstadt Heilbronn steht m.E. in der Pflicht, die Erinnerung an ihn und an sein Werk zu pflegen. Ich freue mich daher über jede Aktion und jede Veranstaltung, die anlässlich von Pfaus 200. Geburtstag durchgeführt wird, selbst dann, wenn die eine oder andere in ihrer künstlerischen oder wissenschaftlichen Qualität nicht vollständig überzeugen kann. Ich hätte mich auch gefreut, wenn Sie mich in die Beratungen und Planungen mit einbezogen hätten, aber daran hatten Sie ja kein Interesse. Leider wurden auch alle Vorschläge abgelehnt, die ich an verschiedenen Stellen eingebracht habe. Deshalb habe ich halt das eine oder andere Projekt alleine auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel die Aktion Lesefahrt im Stadtbus mit Pfau-Plakaten.

Mir ist es auch gelungen, die Musiker Niklas Albrecht, Hermann Forscher und Andreas Benz dazu zu bringen, verschiedene Pfau-Gedichte neu zu vertonen. Diese Lieder werden von meinem Kabarett GAUwahnen in einem literarisch-kabarettistischen Pfau-Programm vorgestellt. Gerne hätte ich auch verschiedene Heilbronner Musikgruppen dazu gebracht, diese Neuvertonungen einzustudieren und aufzuführen, aber auch hier habe ich nur Absagen erhalten. Ich hätte mir zudem gut vorstellen können, dass das Theater einen Beitrag zum Pfau-Jubiläum leistet.

 

Jedenfalls ist zu wünschen, dass die Stadt HN die Worte widerlegt, die Carl Betz im Zusammenhang von Pfaus Beisetzung am 29. April 1994 gesprochen und mit denen er den Geist der Krämer angeprangert hat:

„Heilbronn verdienet zwar Millionen, / Doch keinen Ludwig Pfau.“

 

Das vorgestellte Veranstaltungsangebot ist zu begrüßen, auch wenn es so aussieht, als habe man halt seiner Pflicht genüge getan. Den Projekten – sieht man einmal von dem Ludwig-Pfau-Preis ab, der auf Anregung der FDP eventuell eingeführt wird – fehlt die Nachhaltigkeit.

 

Diese hätte man erzielen können, wenn man meine Anregung aufgegriffen hätte, in HN ein Pfau-Archiv bzw. eine Pfau-Forschungsstelle einzurichten. Mit einer solchen Forschungsstelle hätte man Pfau nachhaltig aus der Vergessenheit holen können, denn man hätte germanistische Lehrstuhlinhaber dafür gewinnen können, dass sie Doktorarbeiten zu Pfau vergeben und auch selber über ihn publizieren. Weshalb hat man gar nicht versucht, mit verschiedenen Lehrstuhlinhabern – zum Beispiel von der nahegelegenen Universität Heidelberg – zu kontaktieren und dafür zu gewinnen? Anlässlich von Pfaus einhundertstem Todestag am 12. April 1894 hat das Deutsche Literaturarchiv das Marbacher Magazin Nr. 67 herausgegeben, das sich mit Pfau beschäftigt. Ans Ende des Büchleins wurde die süffisante Anregung gestellt: „um 2000: Bd. 1 einer auf ca. 6 Bände projektierten Pfau-Werkausgabe erscheint hoffentlich!?“ Wir wissen, dass nichts dergleichen geschehen ist.

 

Die Einrichtung eines Pfau-Archivs ist dringend notwendig. Reinald Ullmann hat in seiner 1987 erschienenen Dissertation über Pfau auf über 74 kleingedruckten Seiten die ungedruckten und unveröffentlichten Quellen, Materialien, Dokumente, Briefe und Manuskripte zusammengestellt, die über Pfau verstreut vorliegen, zum Beispiel in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, in der Deutschen Staatsbibliothek, im Histor. Institut der Uni und im Stadtarchiv Bern, im Staatsarchiv des Kantons Bern, in der Stadt- und Uni-Bibliothek Frankfurt, im Stadtarchiv Hannover, im Histor. Archiv der Stadt Köln, im Dichtermuseum Liestal, im Staatsarchiv Ludwigsburg, im Staatsarchiv des Kantons Luzern, im DLA, in der Bay. Staatsbibliothek München, im Staatsarchiv Potsdam, im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, im Stadtarchiv Stuttgart, in der Württ. Landesbibliothek Stuttgart, im Uniarchiv und in der Unibibliothek Tübingen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Publikationen von und über Pfau, Gedichtveröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften sowie zahlreiche Vertonungen und Partituren zu seinen Gedichten. Diese Dokumente müssten zusammengeführt werden.

Übrigens vermisse ich Reinald Ullmann unter den Referenten, die zu einem Vortrag über Pfau nach Heilbronn eingeladen werden.

 

Der bedeutende FDP-Politiker und belesene Historiker Karl Moersch hat Pfau 1994 zutreffend einen Verlierer genannt, der gewonnen hat, und schrieb: „Volksmänner wie L. Pfau haben uns heute mehr zu sagen als mancher von denen, die in unseren Geschichtsbüchern als ‚Große Deutsche‘ verzeichnet sind. Deshalb hat auch nicht nur die Stadt HN guten Grund, sich dankbar an Ludwig Pfau zu erinnern.“

 

Wir brauchen daher eine Forschungsstelle, die Pfaus Erbe pflegt. Die Stadtverwaltung verweist doch gelegentlich darauf, dass es ihr gelingt, Mäzene für gute Projekte zu gewinnen, schließlich gibt es ja zwischen Spitzenvertretern aus der Kommunalpolitik und der Wirtschaft „ziemlich beste Freundschaften“. Hat man denn wenigstens versucht, einen Stifter für ein solches nachhaltiges Pfau Projekt zu gewinnen?

 

Abschließend möchte ich darauf verweisen, dass Pfau auch in den Unterricht der Heilbronner Schulen aufgenommen werden muss.

 

Erhard Jöst, Die Linke


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