„Viele Mieten werden wahrscheinlich steigen“ – Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung

08. August 2022  Anträge, Soziales, Wohnen

Vor der Gemeinderatssitzung hatte sich eine Gruppe zusammengefunden, die eine kleine und stille Demonstration gegen die steigenden Mietpreise veranstaltete. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Gemeinderat genehmigt neuen Mietspiegel, der eine Erhöhung von Vergleichsmieten um fast zehn Prozent möglich macht.

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Eigentlich ist der Mietspiegel, der 1974 eingeführt wurde, ein vom Gesetzgeber geschaffenes „Instrument“, um Mieter vor willkürlichen Mieterhöhungen zu schützen, manchmal aber auch ein Lackmustest dafür, wie „sozial“ eine Stadt handelt. Eine gesetzliche Verpflichtung für den Einsatz eines Mietspiegels aber gibt es nicht. Die im Mietspiegel erfasste „ortsübliche Vergleichsmiete“ im frei finanzierten Wohnbau richtet sich an Kriterien aus wie Lage, Ausstattung, Baujahr der Wohnung – und auch nach der Marktsituation.

Die zunächst beabsichtigte und jetzt abgesegnete Erhöhung des Mietspiegels in Heilbronn um fast zehn Prozent hat schon im Vorfeld für Empörung gesorgt und bei der Abstimmung des Gemeinderats dafür, dass Mieter im Heilbronner Rathaus nur eine sehr kleine Lobby haben. Aktivisten aus der Szene und vom Mieterbund hatten schon vor der Sitzung – sie fand im Maybachsaal der Harmonie statt – protestiert und machten ihrem Unmut auch in der Sitzung Luft.

Ihr Unmut richtete sich nicht nur gegen die Höhe der Erhöhung sondern auch gegen die Art, in der diese festgeschrieben werden sollte und auch wurde. Sie prangerten an, dass man verschiedene Kriterien hinzuziehen kann, aber nicht muss und dass die Verantwortlichen in Heilbronn dabei nur eingleisig vorgingen. Diese Vorhaltungen des Mieterbundes an die Stadt und den Gemeinderat waren nicht unberechtigt. Der Gemeinderat schloss sich mit großer Mehrheit dem Verfahren der Verwaltung an, nur nach der sogenannten Indexfortschreibung zu gehen. In diese fließen unter anderem auch Zahlen aus dem Preisindex für die Lebenshaltung der bundesdeutschen Haushalte ein. Es ist aber nicht unüblich und schon gar nicht verboten, dazu auch in Stichproben die Höhe der Mieten vor Ort zu ermitteln und zu berücksichtigen, da damit auch eine Form von politischer Steuerung möglich ist. In Freiburg zum Beispiel hat man das bei der dort gerade fälligen Überarbeitung des Mietspiegels erkannt und als Kriterium auch die örtliche Situation mit Stichproben berücksichtigt.

Was man alles kann, wenn man will, zeigte auch die der Diskussion vorgeschaltete, detaillierte Video-Dokumentation der Stadtsiedlung Heilbronn zur Situation und Entwicklung des Heilbronner Wohnungsmarktes – allerdings bezogen auf deren Tätigkeit, vor allem im geförderten Wohnbau und mit allgemeingültigen Aussagen. Die Präsentation lag den Gemeinderatsdrucksachen, die für jeden Bürger nachlesbar sind, nicht bei.

Dabei hatte sich der Mieterbund schon Wochen zuvor an Oberbürgermeister Harry Mergel gewandt und unter anderem um ein Gespräch gebeten, das dann kurz vor der Sitzung stattfand. Dabei schlug Alfred Huber, Vorstand des Mietervereins und SPD-Genosse von Mergel, vor, auf die Eigenschaft des Heilbronner Mietspiegels als „qualifiziertem“ Mietspiegel zu verzichten, weil dafür dann „die Vorschrift der derzeit so nachteiligen Indexfortschreibung“ nicht gelte. Dies wurde aber abgelehnt. Ebenso wie die beim OB erbetene Initiative für ein „Mietenmoratorium“, eine konzertierte Aktion der Mitglieder des Arbeitskreises Mietspiegel, in dem sich der größte Wohnungsanbieter Stadtsiedlung zusammen mit den Genossenschaften Gewo, Heimstätte und katholisches Siedlungswerk darauf einigen sollte, zwei Jahre „solidarisch auf Mieterhöhungen zu verzichten“. Der Trost vom OB dazu: Es seien keine Mieterhöhungen im größeren Umfang vorgesehen und seine mehrfach betonte Aussage, er halte die Heilbronner Vermieter für so verantwortungsbewusst, dass sie die Spielräume nicht nutzen würden. Huber hatte außerdem ausgerechnet, dass es beim Mietspiegel von 2020 noch zehn Felder mit den „oberen Spannenwerten“ unter neun Euro pro Quadratmeter gab, diese aber künftig alle darüber liegen werden. Der höchste Wert in der Tabelle werde künftig 15,75 Euro pro Quadratmeter sein, bisher lag er beim 14,38 Euro.

Gegenwind für den Vorschlag der Verwaltung kam nur von der Partei „Die Linke“, die einen Antrag zur Aussetzung gestellt hatte, und für die SPD rügte Tanja Sagasser-Beil den Umgang der Verwaltung mit der Erhöhung. Es blieb dann aber doch dabei, dass es für den Verwaltungsvorschlag der „Anpassung um 9,5 Prozent an die Marktentwicklung“ keine Untersuchung in Form von Stichproben zur Mietentwicklung in Heilbronn gibt, was Huber dann so bemängelt: „Ohne Sachzusammenhang beruht die fast zehnprozentige Steigerung der Mietentabelle auf dem bundesweiten Verbraucherindex“ – und das bei in den vergangenen Monaten „enorm gestiegenen Gas- und Heizölpreisen“, in denen der Index nur nach oben gegangen sei. Seine Befürchtung: „Auch wenn es für Heilbronn als ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt bestimmte Schranken und viele ausgleichende Mietverhältnisse gibt, werden andere Vermieter den neuen Mietspiegel als Aufforderung verstehen, Mieterhöhungen zu versenden.“ Und: „Werden sich Wohnungssuchende mit Wohnberechtigungsschein neue geförderte Wohnungen trotz sozialem Mietabschlag noch leisten können?“


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