„Große Anstrengung, Enttäuschung und Mut der Verzweiflung“

28. April 2016  Allgemein, Position, Rede

Beitrag von Sabine Zürn, DIE LINKE, am 26.04.2016 im Karlsruher Gemeinderat,

Jahresbericht 2015 des Beirats für Menschen mit Behinderungen

„Ich habe den Bericht des Beirates für Menschen mit Behinderungen dieses Jahr etwas anders empfunden und gelesen als die Jahre davor. Gleich an zwei Stellen ist von „Hartnäckigkeit und großer Geduld (Ungeduld)“ die Rede, die dem Beirat bei der Umsetzung der Anliegen von Menschen mit Behinderungen abverlangt werde. Die Liste der „Baustellen“ ist lang und zahlreiche vor vielen Jahren zur Beseitigung vereinbarte Barrieren machen den Menschen nach wie vor das Leben schwer.

Ein Resumé der Arbeit oder einen Ausblick für das kommende Arbeitsjahr suchte ich 2015 im Bericht des BMB vergeblich. Eher lese ich zwischen den Zeilen eine Gesamtstimmung, die von großer Anstrengung, Enttäuschung und auch von Mut der Verzweiflung geprägt ist. Dort, wo nichts verändert wird, bleibt in der Regel der Ausschluss von Menschen mit Behinderungen von der selbständigen gesellschaftlichen Teilhabe bestehen. Und das ist in Karlsruhe viel zu häufig der Fall.

Ich möchte einige Beispiele aus dem Bericht vorlesen, die aus meiner Sicht die Situation widergeben:

 

Thema Blindenleitsystem: „Am 27. November 2015 erfuhr der Beirat aus der Presse, dass die Planungen zum barrierefreien Ausbau des Bahnhofvorplatzes vorläufig eingestellt wurden.“

 

Thema Zoo: „Der Einbau neuer Türen zu den Tierhäusern wurde aus Kostengründen abgelehnt, obwohl noch nicht einmal ein Kostenvoranschlag eingeholt wurde.“

 

Thema ÖPNV: Die neuen Straßenbahnen waren da, barrierefrei sollten sie sein, so war es verabredet …. Eine Stahlkante aber macht den selbständigen Einstieg unmöglich.

 

Zuletzt ein vom Gemeinderat mit zu verantwortender Skandal:

Im letzten Jahr hat die Stadt die bezuschussten Fahrten von Menschen mit Behinderungen per GPS überwachen lassen, um Missbrauchsfälle zu vermeiden. Der Beirat empfand dies als Verletzung der Persönlichkeitskeitsrechte und schaltete die Landesdatenschutzbeauftragte ein. Diese beurteilte die Überwachung tatsächlich als unverhältnismäßig und als einen zu starken Eingriff in Persönlichkeitsrechte! Dem würdelosen Vorgehen wurde ein Ende bereitet und (erst) jetzt erfolgt ein gemeinsames Nachdenken darüber, wie Missbrauchsfälle eingedämmt werden können.

 

Ich befürchte, die heutige Gemeinderatssitzung wird als weiteres Beispiel für den gedankenlosen Umgang der Stadtratsmehrheit mit den Anliegen der Menschen mit Behinderungen im Jahresbericht 2016 Erwähnung finden. Heute steht hier nämlich die Senkung des Fahrtkostenzuschusses für Menschen mit Behinderungen zur Abstimmung. Unabhängig davon, wie der Gemeinderat entscheiden wird, war der Umgang mit dem Thema bereits eine starke Geduldsprobe für den Beirat: Erst in letzter Minute – und nachdem Betroffene Alarm geschlagen hatten – setzte bei einigen Fraktionen ein Nachdenken darüber ein, welche zentrale Bedeutung Fahrdienste und ein Zuschuss zu deren Nutzung für Menschen mit Behinderungen haben. Der Sparvorschlag war offenbar nicht in Zusammenarbeit mit den Betroffenen erarbeitet und erst in letzter Minute mit ihnen kommuniziert wurden. (Dieser Sparvorschlag wurde 3 Stunden später vom Gemeinderat mehrheitlich durchgewinkt, leicht „abgemildert“, im Ergebnis aber eine massive Einschränkung für die Betroffenen/d. Red.) Leider wird – noch – viel zu wenig nachgedacht über soziale Diskriminierung bei den alltäglichen Entscheidungen der Stadtverwaltung inclusive dem Gemeinderat.

 

Ich wünsche dieses Mal vor allem den städtischen KooperationspartnerInnen des Beirats Energie und Durchsetzungsvermögen, damit sie die Rechte von Menschen mit Behinderungen endlich voranbringen, sie diese zu ihrer eigenen Sache machen und Prioritäten setzen! Dem Beirat kann ich nicht noch mehr Geduld wünschen. Nur von Herzen Danke sagen.

 


Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*