LINKE lehnt erstes Sparpaket ab: „Zu wenig weitsichtig, zu wenig sozial und zu wenig demokratisch“

28. April 2016  Allgemein, Berichte, Position, Rede

Beitrag von Sabine Zürn, DIE LINKE, zu TOP 13 der Gemeinderatssitzung am 26. April 2016:

 Haushaltsstabilisierungsprozess

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

auch wir haben uns in den letzten Wochen mit dem Werden und Wirken des Haushalts-Stabilisierungsprozesses sowie der öffentlichen Diskussion darum auseinandergesetzt.

Die eine oder andere Einsparmöglichkeit im kommunalen Haushalt sehen auch wir Linke. Zur „Brötchentaste“ komme ich noch.  Was jedoch an Einsparvorschläge aus allen Bereichen des Haushalts so abgeliefert wurde, ergab aus unserer Sicht eine vor allem erschreckende „bunte Mischung“: Das Weglassen eines Musikevents hier, die Streichung von Geldern für Frauenhäuser oder Ferienbetreuung da und der Wegfall von Mietkostenunterstützung für kleine Vereine dort. Mancher Vorschlag wurde sogleich wieder von der Liste genommen, weil eine Streichung des städtischen Zuschusses das Aus für das ganze Projekt bedeutet hätte . Bei – bisher wenigen – Projekten gab es Korrekturen in letzter Minute, weil massive Kritik von Betroffenen einsetzte.

Unsere Einschätzung der Haushaltskonsolidierung soll hier aber über die Bewertung einzelner Sparvorschläge hinaus gehen. Sie macht unsere Haltung zu dem vorgelegten Maßnahmenpaket deutlich.

Zu Anfang möchte auch ich auf die Vorlage zu dieser Debatte eingehen. In ihr werden richtigerweise eine hohe Beschäftigungsquote und die gute Konjunktur in Deutschland als „eigentlich“ positive Ausgangslage auch für kommunale Finanzen benannt. Aber: Selbst in „guten Zeiten“ reiche das Geld nicht aus, um die ständig steigenden Kosten in den Bereichen Soziales, Jugend und Kinder zu tragen. Dass die Stadt sich in den letzten Jahren dennoch so manches leisten konnte, wird in der Vorlage als „Sondereffekte“ bezeichnet.

Darunter seien „Einmalerträgen aus Sonderzahlungen“ der Gewerbesteuer zu verstehen. Die Wortwahl macht schon klar, dass eine für soziale Aufgaben gut ausgestattete Kommune von der Stadtverwaltung offenbar als Ausnahmezustand angesehen wird. Weiter hätten gute Verhandlungen mit dem Land um Zuschüsse zur Kinderbetreuung die Finanzlage der letzten Jahre verschönert. Auch gute Verhandlungen mit Land und Bund zur Übernahme von Leistungen scheinen eher die Ausnahme als die Regel zu sein.

Die in Zeiten positiver Haushaltsergebnisse ausgebauten freiwilligen Leistungen, so die Vorlage weiter, müssten jetzt, in schlechten Zeiten, logischerweise wieder zurückgebaut werden.

In den Sparmodus geschaltet, glauben viele Gemeinderats-Fraktionen wahrscheinlich selbst, was sie ständig sagen: Das Sparen werde allen weh tun, für Jeden sei etwas „Schmerzliches“ dabei.

Doch das ist falsch! Weh tun die Kürzungen vor allem Menschen mit geringem Einkommen. Dass die Sozialausgaben steigen, lag und liegt doch auch in Karlsruhe weniger an der Großzügigkeit der Stadt in „fetten Jahren“, sondern daran, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht und es immer mehr Menschen gibt, die auf Unterstützung angewiesen sind: Obwohl die Stadt glauben machen will, sie habe den sozialen Bereich in den letzten Jahren üppig ausgestattet, sind hier doch vor allem Riesendefizite festzustellen:

Wohnungsnot, Armut und Obdachlosigkeit haben zugenommen! Kinderreiche, Allein Erziehende, Migrantinnen und Migranten, Kinder und Jugendliche, Alte, kleine Initiativen und Vereine, Kunstschaffende und Kreative mit weniger Geld – ihnen tun die Streichungen weh, sie bedrohen teilweise ihre Existenz! Welche Folgekosten aus der weiteren Verarmung und Benachteiligung vieler Menschen entstehen werden, ist in die Berechnungen noch überhaupt nicht einbezogen.

 

Ein weiterer kritischer Punkt bei der aktuellen Haushaltskonsolidierung ist das Verfahren, in dem sie stattfindet. Die behauptete Transparenz, mit der Sparvorschläge erhoben und abgestimmt werden sollten, führte kaum zu echter Beteiligung und noch weniger zu Mitbestimmung. Die Dezernate machten Sparvorschläge, eine Steuerungsgruppe strich manchen Vorschlag wieder weg. Es ist wahrscheinlich, dass die um ihre Meinung – und vor allem ihre Sparideen – befragten Einrichtungen und städtischen Beschäftigten eher still hielten in der Hoffnung, dass es mit den Kürzungen am Ende vielleicht nur „halb so schlimm“ werden wird.

 

Eine ähnlich seltsame „Einigung“ gab es mit den großen Wohlfahrtsverbänden: Umfangreiche Kürzungen waren in Aussicht gestellt, ein von den Verbänden selbst vorgeschlagenes pauschales Einsparvolumen von 9 Prozent stellte einen „Kompromiss“ dar. Mit ihm konnte die Schraube für weitere Einsparungen angezogen werden: „Im Sinne der Verlässlichkeit und der Gleichbehandlung“ hält die Stadtverwaltung es nämlich nach eigenen Angaben es für „zielführend“, wenn auch „die weiteren Empfänger freiwilliger Leistungen im Sozialbereich diesen Sparbeitrag leisten“ würden.

Kleinere Einrichtungen im sozialen Bereich aber haben bedeutend geringere Finanzspielräume als die Großen. Nach dieser „verlässlichen“ Rechnung haben sie wahrscheinlich die Wahl zwischen noch mehr Selbstausbeutung oder einem Ende ihrer Arbeit. Den kleineren Einrichtungen die Mittelkürzungen als Akt der Gerechtigkeit verkaufen zu wollen, passt zu der Fühllosigkeit, mit der das ganze Vorhaben der Haushaltskonsolidierung durchgeführt wird.

In den Prozess der Erarbeitung von Sparbeiträgen waren auch Beschäftigte der Stadt und städtischer Betriebe sowie Personalvertretungen eingebunden, „in vertrauensvoller Zusammenarbeit“, wie es die Stadt nennt – um sogleich zu betonen, dass in den meisten Fällen „keine Mitwirkungs- oder Zustimmungspflicht des Personalrats“ bestand oder diese langwierig sei. Bisher hatte der Personalrat die Gelegenheit, EINE Maßnahme zu bearbeiten. Er hat sie abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, was jetzt, „in vertrauensvoller Zusammenarbeit“, daraus wird.

 

Personalvertretungen und Gewerkschaften haben im Übrigen das Sparvorhaben der Stadt schon vielfach und in deutlichen Worten kritisiert. Hier werde eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der ohnehin überschrittenen Belastung für die Beschäftigten in Kauf genommen. Einsparungen zum Beispiel im Bereich Gesundheit und Soziales – aber beileibe nicht nur dort! – seien nicht denkbar, da jede/r Beschäftige bereits über das Vertretbare hinaus belastet sei. Der Prozess weiterer Arbeitsverdichtung werde mit der Formulierung „Optimierung“ schön geredet. Und wo, ist zu fragen, sollen die gerechten Lohnerhöhungen für öffentlich Beschäftigte herkommen? Wer auf diese Weise Haushaltsgelder einsparen will, kann nicht wirklich bessere Gehälter zahlen wollen.

 

Die Stadtratsmehrheit legt die Stirn in Falten und stimmt dem Sparpaket zu. Sinnvoller wäre es, jetzt die Finanzierung kommunaler Großprojekte zu überdenken, zum Beispiel die eines Stadions für den Profi-Fussball. Auch bei anderen Leuchtturm-Projekten wäre das Nachdenken sinnvoll gewesen, doch viele Millionen, die jetzt gespart werden müssen, sind unwiederbringlich verbaut und verbuddelt.

 

Es ist unter den heutigen Voraussetzungen nicht mehr vertretbar, das KSC-Stadion aus kommunalen Mitteln zu finanzieren.

Es gibt weitere gute Ideen zur Haushaltskonsolidierung als das vorgelegte Maßnahmenpaket. Am Anfang einer Diskussion könnte die Frage stehen, ob Kommunen heute wirklich, wie immer behauptet, ein Ausgabenproblem haben, oder ob es nicht ebenso ein Einnahmenproblem ist. In den kommunalen Kassen fehlen nämlich Beträge: Erstens solche aus der Besteuerung großer Vermögen und zweitens solche aus einer gerechteren Verteilung von Steuergeldern insgesamt. Die finanzielle Schieflage der Kommunen haben die Regierungsparteien zu verantworten, was von den gleichen Parteien auf kommunaler Ebene gern ausgeblendet wird.

 

Leider sehen wir bei den im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen zur Zeit keinerlei Ansätze, die finanziellen Probleme der Stadt anders als zu Lasten der sozial Benachteiligten zu lösen. Das wird nicht besser dadurch, dass es in „Salamitaktik“ passiert.

 

Das Vorhaben der Haushaltskonsolidierung, um es zusammen zu fassen, halten wir für zu wenig weitsichtig, zu wenig sozial und zu wenig demokratisch. Eine solche Politik können wir nicht mittragen und stimmen daher dem gesamten Maßnahmenpaket nicht zu.

Konkret werden wir bei den folgenden Abstimmungen die Maßnahmen entweder ablehnen oder uns enthalten. Mit EINEM Ja von uns aber dürfen Sie trotz alledem rechnen: Dem zur Abschaffung der Brötchentaste.

 

Vielen Dank

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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