Stadt zur Sozialarbeit am Werderplatz – „Überdenken der Angebotsformen aller relevanten Akteure“

Die Antwort der Stadtverwaltung auf unsere Anfrage:

  1. Welches waren Ausstattung, Aufgaben und Zielsetzungen der Sozialarbeit der letzten 10 bis 15 Jahre am Werderplatz und wie wird die Zielerreichung von der Stadt beurteilt?

Der Werderplatz ist seit jeher Anlaufstelle und Treffpunkt für Nutzerinnen und Nutzer mit den unterschiedlichsten Interessenlagen. Dieses Miteinander in einer guten Balance zu halten, bedarf seit vielen Jahren der Arbeit und der guten Kooperation aller beteiligten Akteure, wie des Sozialen Dienstes, der Straßensozialarbeit, der Polizei, der Anwohner und Geschäftsleute sowie immer wieder eine Anpassung der Maßnahmen an sich verändernde Bedingungen vor Ort.


Dazu wurde im Jahre 2003 die Straßensozialarbeit des Diakonischen Werkes ins Leben gerufen. Es wurden verschiedene Gremien zur Vernetzung und Koordinierung notwendiger Maßnahmen gegründet.

Die seit einiger Zeit zu beobachtende Veränderung in der Zusammensetzung der Szene; Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sowie Migranten aus osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten (Bulgarien, Rumänien) lassen Interessen kollidieren und nähren das Konfliktpotential zwischen Besucherinnen und Besuchern sowie zwischen den Anwohnerinnen, Anwohnern, Besucherinnen und Besuchern.
 

Der Bezirksgruppe Mitte-Süd des Sozialen Dienstes sind diese Situation und die daraus gewachsenen und sich verändernden Anforderungen an das Hilfesystem bekannt. Im regelmäßigen Austausch mit Akteuren anderer, für die Südstadt zuständiger Bereiche, im Rahmen der Teilnahme am Streetworker Beirat der Diakonie, der AG Werderplatz und der AG Miteinander für die Südstadt, werden gemeinsame Maßnahmen erarbeitet und angeregt, welche zu einer Beruhigung der Lage beitragen sollen. Lösungen der Vergangenheit, wie die Sensibilisierung der Klientel für die Übernahme von Verantwortung am Platz oder zum Beispiel eine Meldung zu tätigen, sollten sich Kinder dort aufhalten, haben sich punktuell bewährt.
 

Durch die stetige Veränderung in der Zusammensetzung verlieren bestehende Verhaltenskodexe innerhalb des Systems jedoch zunehmend ihren Wert. Dies erfordert eine regelmäßige Anpassung und eine Überprüfung der Möglichkeiten seitens der Helfenden.
 

2. Wie viele Fachkräfte sind derzeit für Sozialarbeit am Werderplatz eingesetzt?
 

Am Werderplatz sind der Soziale Dienst, die Straßensozialarbeit des Diakonischen Werkes und die Mitarbeitenden des get IN`s, der Anlaufstelle für DrogengebraucherInnen der AWO tätig.
Die Straßensozialarbeit des Diakonischen Werkes ist mit 1,5 Stellen ausgestattet. Die Mitarbeitenden sind dreimal in der Woche zu festen Zeiten auf dem Werderplatz. Die Anlaufstelle get IN wird mit 2 Vollzeitfachkräften betrieben. In der Regel werden die relevanten öffentlichen Plätze 1 – 2 mal wöchentlich von den Mitarbeitenden des get IN`s aufgesucht.
 

3. Welche Aufgabe und welche Zielsetzung hat die städtische Sozialarbeit derzeit am Werderplatz?
 

Viele Klientinnen und Klienten des Sozialen Dienstes sind regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer des Werderplatzes. Über eine der Hauptaufgaben der Bezirkssozialarbeit, der Gewährung von Hilfen zur Erziehung für Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene, sind einige der Betroffenen schon über Jahre hinweg bekannt. Zu diesem Personenkreis besteht ein Kontakt, der sich nicht über die aufsuchende Arbeit vor Ort definiert, sondern über das Angebot, eine direkte und barrierefreie Anlaufstelle für diese Menschen mit ihren Problemlagen zu sein. Ein repressives Auftreten im Rahmen der Aufgabenerfüllung und Funktion würde mögliche konstruktive und notwendige Formen der Zusammenarbeit nachhaltig erschweren.
 

Einen unmittelbaren und direkten Zugang haben die Kolleginnen und Kollegen der Straßensozialarbeit. Mit diesen niedrigschwelligen Kontakt- und Unterstützungsangeboten soll einer zunehmenden sozialen, psychischen und physischen Verelendung entgegen gewirkt und den Menschen individuelle Hilfsangebote ermöglicht werden.
 

Neben der aufsuchenden Arbeit der Streetworker auf dem Werderplatz können die Betroffenen die Streetworker des Diakonischen Werkes in ihrem Büro aufsuchen und an verschiedenen Projekten und Aktionen, wie z. B. dem Gartenprojekt oder niedrigschwelligen Beschäftigungsgelegenheiten teilnehmen. Für Menschen mit einer Drogenproblematik steht der Kontaktladen get IN mit verschiedenen Angeboten zur Verfügung. Durch individuelle Hilfen, die Stärkung der Kommunikation sowie durch die Schaffung von Alternativangeboten und Treffpunkten soll die Sozialarbeit auch dazu beitragen, die Situation am Werderplatz zu entspannen.
 

4. Viele Bürger/Innen in der Südstadt halten die Sozialarbeit am Werderplatz angesichts der dortigen Problemlage nicht für ausreichend – wie beurteilt die Stadt diese Kritik?
 

Die Situation am Werderplatz wurde im September 2016 bei der Bürgerversammlung der Südstadt erörtert. In der Folge hat die Stadtverwaltung die Arbeitsgruppe Brennpunkt Werderplatz bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern tangierter Ämter und Institutionen ins Leben gerufen. In der Arbeitsgruppe wurden, nach der Analyse der Problemstellung, verschiedene Maßnahmen diskutiert, die zur Verbesserung der Situation geeignet schienen.
 

Einige Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Befragung der sich am Platz aufhaltenden Personen durch die Straßensozialarbeit und eine stärkere Präsenz des Kommunalen Ordnungsdienstes vor Ort wurden zeitnah umgesetzt. Andere Vorschläge müssen noch geprüft werden.
 

Hierzu gehört zum Beispiel auch das Angebot eines nassen oder trockenen Aufenthaltsraumes oder eines Drogenkonsumraumes.
 

Die Aktivitäten und die Präsenz der Straßensozialarbeit tragen aus Sicht der Stadtverwaltung zur Befriedung der Lage bei. Streetworker können die Menschen vor Ort erreichen, gezielt ansprechen und für unterstützende Angebote werben. Tagestrukturierende Angebote und Aktivitäten sind wichtige Maßnahmen, deren Ausbau sicher hilfreich wäre.
 

Die Eskalation der Situation auf dem Werderplatz hatte viele verschiedene Ursachen.
 

Zunehmend zu beobachten ist, dass sprachliche Barrieren die Möglichkeiten der Zusammenarbeit verhindern und dass biographische/kulturelle Erfahrungen die Annahme von Hilfen bei bestimmten Personengruppen blockieren.
 

Aus Sicht der Stadtverwaltung bedarf es hier des Überdenkens der bestehenden Angebotsformen aller relevanten Akteure, nicht nur im Bereich der Sozialarbeit, um sich wieder einer gemeinsamen Lösung annähern zu können.
 

5. Aufgrund des Wegfalls von Substitutionspraxen in der Region erhöhte sich die Zahl von Drogenpatienten/innen am Werderplatz – welche neue Lage ergibt sich daraus und wie reagiert die Stadt darauf?

Die durch die Schließung der Malteserambulanz in Bruchsal entstandene Versorgungslücke im Landkreis hat deutliche Auswirkungen auf die Stadt Karlsruhe. Der Landkreis ist hier in der Pflicht, eine Lösung herbeizuführen. Gleichwohl ist die Problematik der zunehmenden Unterversorgung in der Substitutionsbehandlung ein bundesweites Problem, das auch in der Stadt Karlsruhe zukünftig entstehen könnte.
 

Die Stadt ist im Gespräch mit dem Landkreis, dem Sozialministerium, der Kassenärztlichen Vereinigung und den in Karlsruhe substituierenden Ärzten.
 

Die aktuell erfolgte Novellierung der Betäubungsmittelverordnung, die einige Erleichterungen für die behandelnden Ärzte beinhaltet, lässt hoffen, dass sich in Zukunft wieder mehr Ärzte für diese Form der Behandlung suchtkranker Menschen finden werden.
 

6. Ist die Stadt bereit, mehr Sozialarbeit am Werderplatz zu investieren? Wenn nein, warum nicht?
 

Wie in den Antworten zuvor ausgeführt wurde, ist zunächst zu prüfen, ob ein Ausbau der Sozialarbeit die richtige Maßnahme zur Lösung der angespannten Situation auf dem Werderplatz ist. Sollte dies der Fall sein, dann muss die Politik entscheiden, ob in Zeiten der Haushaltskonsolidierung Gelder hierfür zur Verfügung gestellt werden.
 

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister, 23. Mai 2017

 

PRESSE-ECHO:

 

Aus: Stadtzeitung – 26.05.17

Sozialarbeit Werderplatz
Auf dem Werderplatz in der Südstadt sind Fachkräfte für Sozialarbeit tätig – sie gehören dem Sozialen Dienst an, der Straßensozialarbeit des Diakonischen Werks und der Anlaufstelle für DrogengebraucherInnen der AWO. Die Stadt Karlsruhe hat vergangenes Jahr die Arbeitsgruppe „Brennpunkt Werderplatz“ ins Leben gerufen. Einige dort erarbeitete Maßnahmen sind bereits umgesetzt, etwa eine Befragung der sich am Platz aufhaltenden Personen sowie eine stärkere Präsenz des Kommunalen Ordnungsdiensts. Laut Stadtverwaltung hat die Schließung der Malteserambulanz in Bruchsal deutliche Auswirkungen auf Karlsruhe. Die Stadt sieht den Landkreis „hier in der Pflicht, eine Lösung herbeizuführen.“ Nachgehakt hatten zur jüngsten Gemeinderatssitzung Stadträtin Sabine Zürn und Kollege Niko Fostiropoulos (Die Linke).


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