Beitragsfreie Kitas und Ausweitung des Karlsruher Passes

11. Januar 2019  Allgemein, Berichte, Presseecho

Hintergrundbericht zur Umsetzung der sozialpolitischen Haushaltsbeschlüsse des Karlsruher Gemeinderats. Der Antrag zu beitragsfreien Kitas wurde von mehreren Fraktionen/Gruppierungen gestellt, inklusive der Linken. Wir hatten dies schon seit Jahren immer wieder in eigenen vielen Anträgen gefordert. Die Ausweitung des Karlsruher Passes beruht auf einem Haushaltsantrag der Linken. (d.e.)

Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 11.01.2019

Seite 19

Beitragsfreie Kitas in vier Jahren?

Gemeinderat beweist Gestaltungswillen im Sozialen / Tüfteln an Konzepten

Doppelt so viele Anträge wie beim Etat 2017/18

 

Von unserem Redaktionsmitglied Tina Kampf

Beitragsfreie Kitas strebt die Kommunalpolitik in Karlsruhe an. Die Verwaltung arbeitet nun mit Hochdruck an einem entsprechenden Konzept. Es ist der größte Brocken von vielen Aufträgen, die das Stadtparlament dem Team von Sozialbürgermeister Martin Lenz bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts erteilte: Die Stadträte bewiesen nämlich gerade im sozialen Bereich enormen Gestaltungswillen.

Allein 184 der insgesamt 450 Anträge fielen in die Zuständigkeit der Sozial- und Jugendbehörde. Weil in einigen Fällen mehrere Fraktionen und Gruppierungen gleiche oder ähnliche Vorstöße unternahmen, wurde das Paket am Ende zu 105 Anträgen zusammengefasst – von denen 56 eine Mehrheit fanden. „Wir hatten mehr als doppelt so viele Anträge wie beim Doppelhaushalt zuvor“, bilanziert Bettina Leßle vom Dezernat. Grund hierfür dürfte unter anderem die verbesserte Haushaltslage sein. Der Etat 2017/18 war vom Sparkurs geprägt. Und weil der Ende November verabschiedete Doppelhaushalt 2019/20 eben schon zum Jahresbeginn greift und die Kommunalpolitik – wohl nicht zuletzt mit Blick auf die Kommunalwahlen im Mai – Resultate erwartet, wird nun zügig gearbeitet an einem ganzen Strauß von Aufträgen. Von 3 210 Euro mehr Zuschuss pro Jahr für den Arbeitskreis Leben über die Ausweitung des Karlsruher Passes bis eben hin zu den beitragsfreien Kitas reicht die Spanne.

Für letztere soll der Gemeinderat bis Mai ein abstimmungsfähiges Konzept auf dem Tisch liegen haben, erläutert Karina Langeneckert, Direktorin der Sozial- und Jugendbehörde. Klar ist, dass das Ziel in Etappen erreicht werden soll. Zunächst sollen Kita-Gebühren nicht weiter steigen. Und weil bei 40 Trägern – nur zwölf Prozent der Kitaplätze sind in städtischer Hand – die Preise variieren, ist zudem eine Angleichung geplant. Fünf Millionen Euro sind für den Anfang pro Jahr eingestellt.

Beitragsfreie Kitaplätze sind für einen solchen Betrag nicht zu haben. Wäre 2017 für die Eltern alles frei gewesen, hätte das die Stadt 35 Millionen Euro gekostet, rechnete der in der Sozial- und Jugendbehörde für die Finanzen zuständige Mathias Büchler aus. Doch weil Karlsruhe wächst, kommen jedes Jahr neue Kitaplätze hinzu, allein in den nächsten zwei Jahren sind zusätzlich 900 geplant. Auch das muss also berechnet und prognostiziert werden. „Außerdem muss der Gemeinderat entscheiden, was er will: Beitragsfreie Plätze von null bis sechs oder von drei bis sechs Jahren, Ganztagesbetreuung, mit oder ohne Gebühren für das Essen…“, erläutert Langeneckert. Heilbronn beispielsweise macht ein entsprechendes Angebot für Drei- bis Sechsjährige. In Berlin kostet Eltern selbst die Betreuung von Kindern unter einem Jahr nichts. Insgesamt gilt es, die landes- und bundesweite Entwicklung zu beobachten – und die Karlsruher Besonderheit der sehr vielen verschiedenen Träger zu berücksichtigen. „In vier, fünf Jahren könnten wir die Beitragsfreiheit erreichen – wie auch immer die Politik diese dann ausgestaltet haben möchte“, sagt Langeneckert. Schon jetzt gilt: Geschwisterkinder werden gebührenfrei betreut.

Auch beim Karlsruher Pass muss der Gemeinderat eine Grundsatzentscheidung treffen. Da erging im Zuge des Doppelhaushalts ebenfalls der Auftrag, das bestehende Angebot auszuweiten. Schon jetzt erhalten den Pass sogenannte Working Poor, die mit ihrem Einkommen zehn Prozent über dem Sozialhilfesatz liegen. „Das könnte man auf 20 Prozent drüber ausweiten“, sagt Faris Abbas vom Büro Lenz. Oder man gibt den Pass, der mit zahlreichen Ermäßigungen die soziale Teilhabe fördern soll, schon an Familien mit vier statt bisher mit fünf Kindern unter 18 Jahren. „Was das kostet, können wir nur schätzen – da man nicht weiß, wie viele den Pass beantragen“, sagt Abbas. Im Sommer soll die Vorlage im Ausschuss behandelt werden können. Dann muss die Kommunalpolitik sagen, welchen Weg sie gehen möchte.

Im Herbst legt das Team Lenz dann zudem den Armutsbericht vor, an dem gerade 50 Kräfte – darunter die Hälfte von freien Trägern – im Tandem arbeiten. Schon im März wird sich der Sozialausschuss mit der ebenfalls im Doppelhaushalt beschlossenen zusätzlichen Stelle für die Wohnraumakquise befassen. Das Modell wird inzwischen bundesweit kopiert. Nun will der Gemeinderat diesen Erfolg weiter befeuern. Aufgestockt wird dem Beschluss zufolge ebenfalls die Schulsozialarbeit um auf sechs Standorte verteilte 4,75 Stellen. „Das Ziel war immer, dass wir das flächendeckend anbieten, was wir nun erreichen“, so Langeneckert. Lenz sieht gerade hier ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik: Die Verwaltung informiert die gemeinderätlichen Ausschüsse über den jeweiligen Sachstand. Und die Politik entscheidet dann beim Etat, was sie verändern, anpassen, verbessern will.

Ob Kitas, die zu Familienzentren werden, Netzwerk leichte Sprache oder Sozialarbeit auf dem Werderplatz: Die To-do-Liste ist lang. Es wird gearbeitet, gerechnet, konzipiert. Beispiel „Neue Wege in der Pflege“: Da sind die 100 000 Euro mit einem Sperrvermerk versehen. Damit der aufgehoben wird und tatsächlich etwas passiert, muss das Konzept schnell auf den Tisch. Und auch vermeintlich einfach zu vollziehende Zuschusserhöhungen sind nicht einfach per Änderung der Überweisung zu ändern: Das Dezernat muss schließlich Verwendungsnachweise prüfen, es greifen umfassende Controllingprozesse.

 

 


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