Geplante Flüchtlingsunterkunft in Weinheim: Keine gemeinsame Stellungnahme der Parteien

09. Juli 2015  Presse

Die Gemeinderats-Fraktionen äußerten sich einzeln zur geplanten Flüchtlingsunterbringung in früherem Hotel – Ein Kreisbeamter warb um Verständnis

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 09. Juli 2015]

Weinheim. Stefan Becker, Ordnungsamtsleiter im Rhein-Neckar-Kreis, hat die Informationspolitik seiner Behörde zur Unterbringung von 80 Flüchtlingen in einem früheren Hotel verteidigt. „Wir geben Unterkünfte erst bekannt, wenn sie zweifelsfrei feststehen, damit die Gebäudeeigentümer nicht unter Druck geraten“, sagte der Beamte gestern im Gemeinderat. Der Kreis habe die Erfahrung machen müssen, dass dies angebracht sei.

Von Philipp Weber

Das Landratsamt hatte letzte Woche bekannt gegeben, dass ein leer stehendes Hotel im Bezirk „Waid“ bereits von Anfang August an zur „vierten“ Weinheimer Flüchtlingsunterkunft wird. Schon beschlossen – aber noch nicht gebaut – sind drei Gruppenunterkünfte für je 80 Personen im Westen der Stadt und in Sulzbach. Dort kommen die Asylbewerber 2016.

Da der Ernstfall nun früher eintritt als erwartet, hatten ehrenamtliche Flüchtlingshelfer verlangt, das Hotel in Augenschein nehmen zu dürfen. Laut Becker haben Behördenmitarbeiter und Vertreter des Helfernetzwerks „Nawi“ am Dienstag das Gebäude gemeinsam besichtigt.

Sowohl Becker selbst als auch OB Heiner Bernhard verteidigten die Flüchtlingsunterbringung im Ex-Hotel. „Es ist eine menschenwürdige Unterkunft.“ Dramatisch nannte Becker indessen die Flüchtlingszahlen, vor denen seine Behörde steht: Der Kreis habe 2015 an die 4000 Asylbewerber unterzubringen, bis jetzt seien erst 2200 untergekommen. Für den Juli rechne man mit 487 statt der ursprünglich avisierten 200 Personen.

„Die großen Kreisstädte sind aufgrund ihrer Infrastruktur besonders gefordert“, sagte er. Dann hatten die Fraktionen das Wort. Laut SPD-Sprecher Wolfgang Metzeltin hatte es im Vorfeld Versuche gegeben, die Parteien und Gruppierungen zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu bewegen. Es hat nicht geklappt. Alle sieben Fraktionen äußerten sich einzeln.

„Die derzeitige Situation verlangt von der Stadtgesellschaft Veränderungen, zum Teil auch Einschränkungen, die jedoch hinnehmbar sind“, so Holger Haring (CDU). Er forderte eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen durch die Bundesbehörden, um „Missbrauch“ entgegenzuwirken. Die Politik müsse angesichts steigender Flüchtlingszahlen erörtern, zu Sach- statt Geldleistungen für Flüchtlinge zurückzukehren und den für 2016 geplanten Sieben-Quadratmeter-Wohnanspruch pro Person auszusetzen. Es gehe darum, so Haring, die Akzeptanz der Bevölkerung zu wahren. Gleichzeitig verlangte er von Kreis und Land eine intensivere Betreuung der Flüchtlinge: „Ein Sozialarbeiter für 120 Menschen ist zu wenig“, so der Christdemokrat.

„Es gilt jetzt, auf die Wortwahl zu achten“, warnte SPD-Mann Metzeltin davor, von „Krise“, „Notlage“ oder gar „Nacht- und Nebelaktion“ zu sprechen. Diese Ausdrücke träfen auf die Lage vieler Flüchtlinge zu, nicht aber auf die Menschen in den Aufnahmekommunen. „Es hat niemandem gefallen, erst durch die Presse von der Flüchtlingsunterbringung zu erfahren“, so Gerhard Mackert (Freie Wähler). Er müsse die Argumente Beckers jedoch anerkennen, außerdem sei das frühere Hotel gar nicht so weit vom nächsten Kindergarten beziehungsweise Supermarkt entfernt.

„Das Land hat die Kostenerstattung für die Kommunen erhöht“, so der Stadt- und Landesparlamentarier Uli Sckerl (GAL/Grüne). Zudem plane man im laufenden Monat einen Flüchtlingsgipfel. Er ermahnte seinen Vorredner Haring besonders im Hinblick auf dessen Aussagen zur „hohen“ Flüchtlingspolitik zur Vorsicht – und relativierte auch Beckers Zahlen: „Allein in Europa sind derzeit vier Millionen Flüchtlinge unterwegs, im chaotischen Libyen warten eine Million Menschen auf eine Nussschale in Richtung Italien.“

Auch die Weinheimer Liste äußerte Verständnis für das Verhalten des Kreises: „Die 80 Menschen pro Unterkunft entsprechen der in Weinheim gewünschten Zahl“, so Dr. Elke König. Ganz anders Günter Breiling (FDP): Mit 80 Personen sei das Hotel überbelegt, der Kreis müsse die Zahl verkleinern und die Unterbringung in dem Gewerbegebiet auf der „Waid“ schnell beenden: „Der Gedanke an einen sozialen Brennpunkt liegt nahe.“

Die Zustände auf der „Waid“ seien nicht optimal, aber zur Kenntnis zu nehmen, so Dr. Carsten Labudda (Die Linke): „Es gäbe mehr Frieden auf der Welt, wenn jeder Waffen produzierende Staat die Flüchtlinge aus den daraus resultierenden Kriegen aufnehmen müsste“, sagte er.


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