Viel zu lange bei Sanierungen „gespart“

16. Oktober 2015  Presse

Gemeinderat: Aussprache zum städtischen Wohnungsbestand

[Weinheimer Nachrichten vom 16. Oktober 2015]

Weinheim. Um den städtischen Wohnungsbestand ist es schlecht bestellt. Einige Stadträte räumten am Mittwoch selbstkritisch ein, dass der Gemeinderat daran nicht ganz unschuldig ist. Allzu oft wurde bei den Haushaltsberatungen vergangener Jahre beim Ausgabeposten „Gebäudeinstandhaltung“ gekürzt, wenn man das Geld für andere (Neubau-)Projekte brauchte. Oder es wurden Immobilien sogar ganz verkauft, um die Sanierungskosten auf Dauer zu sparen.
Die Folge: Weinheim verfügt nur noch über 338 städtische Wohnungen, bei denen Zentralheizungen die Ausnahme sind und 100 Wohnungen sogar gar keine Heizung haben. Die Mietpreise liegen bei durchschnittlich 4,90 Euro pro Quadratmeter, sofern die Wohnungen über eine Heizung verfügen. Denn 338 Wohnungen stehen aktuell 576 Anträge von Bürgern gegenüber. Meist sind es Menschen, die Leistungen vom Job-Center oder dem Sozialamt bekommen, sowie Geringverdiener und Rentner. Denn diese Personengruppen haben auf dem freien Wohnungsmarkt praktisch keine Chance. Da aber nur 15 bis 16 städtische Wohnungen pro Jahr frei werden, wird die Warteliste immer länger.

Die Diskussion im Gemeinderat entzündete sich vor allem an den 22 städtischen Wohnungen, die derzeit leerstehen. Diese müssten vor einer Neuvermietung erst komplett saniert werden; durchschnittlich 40000 Euro wären dafür pro Wohnung erforderlich.

Die Schlagworte zur Beschreibung der aktuellen Situation waren schnell gefunden: Von einem „Investitionssstau“ (Holger Haring, CDU) war da ebenso die Rede wie von „großem Nachholbedarf“ (Stella Kirgiane-Efremidis, SPD) und einem „Trauerspiel“ (Gerhard Mackert, Freie Wähler). Haring räumte zudem ein, dass die jetzige Situation Ergebnis „gemeinsamer Versäumnisse“ der Vergangenheit sei. Deshalb müsse man das Thema jetzt „entschlossen angehen“. Ohne höhere Landeszuschüsse werde es allerdings nicht gelingen.

Auch wenn Erster Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner darauf hinwies, dass die Schaffung von Sozialwohnungen nicht primär Aufgabe einer Kommune sei, betonte Kirgiane-Efremidis, dass die SPD nicht erst seit der Flüchtlingskrise über dieses Thema spreche. „Es sollte uns allen zu denken geben, dass in den vergangenen Jahren für Prestigeobjekte Geld da war“, meinte sie. Sie forderte ein klares Wohnraumkonzept von der Stadtverwaltung. Elisabeth Kramer (Grüne/Alternative Liste) regte an, Weinheim sollte – auch wenn Oberbürgermeister Heiner Bernhard dies nicht gern höre – über die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft nachdenken, um sich mehr Gestaltungsspielraum zu verschaffen.

Simon Pflästerer (Weinheimer Liste) und Günter Breiling (FDP) sahen in der Bestandsaufnahme einen Auftrag für die Zukunft. Die Sanierungsquote der Vergangenheit – nur vier bis fünf Wohnungen wurden pro Jahr saniert – sei eindeutig zu niedrig gewesen, meinte Breiling. Dies unterstrich auch Matthias Hördt (Linke). Er verwies dazu auf die Sitzungsvorlage, wonach die Stadt pro Jahr durchschnittlich 1,3 Millionen Euro Mieteinnahmen hat, aber nur 560000 Euro in die Gebäudeunterhaltung investiert.

Am Ende der Debatte zeichnete sich ab, dass spätestens bei den Beratungen zum Haushalt 2016 das Thema wieder eine wichtige Rolle spielen wird und die Mehrheit des Gemeinderates anscheinend dazu bereit ist, mehr Geld in den Gebäudebestand zu investieren. Das bedeutet aber auch – wie die Beratungen zum Schul- und Kulturzentrum zeigten – dass die zusätzlichen Investitionen für die Flüchtlingsunterbringung und den sozialen Wohnungsbau nicht spurlos an den geplanten Neubauprojekten vorübergehen werden. pro


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