Ehrenamtliche fühlen sich im Stich gelassen

18. November 2015  Presse

[Weinheim Extra vom 18. November 2015]

Weinheim. Ein Taxi hält vor dem Ebert-Park-Hotel in der Weststadt, ein junges Paar steigt aus, ein Mädchen im pinkfarbenen Anorak steht stumm neben einem halben Dutzend blauer Plastiktüten, die der Fahrer aus dem Kofferraum lädt. Chistine Münch schaut aus dem Fenster: „So, jetzt ist wieder niemand da, der sie in Empfang nimmt und sie registriert“, sagt die ehrenamtliche Helferin resigniert.

Ihre Kollegin Gabi Walther greift zum Telefonhörer, sie ruft die Polizei. „Die Beamten kümmern sich darum, einen Sozialarbeiter aufzutreiben, der herkommt und sich um die Registrierung kümmert“, erklärt Münch das Prozedere.

Die ehrenamtlichen Helfer im Ebert-Park-Hotel, in dem rund 150 Flüchtlinge untergebracht sind, haben die Nase voll, sie fühlen sich vom Kreis im Stich gelassen und haben sich jetzt Hilfe aus der Politik geholt. Kreisrat Carsten Labudda (Die Linke) hat an Landrat Stefan Dallinger geschrieben.

Sicherheitsdienst gefordert

Der dreiseitige Brief liegt der Redaktion vor, darin listet Labudda acht Hauptkritikpunkte und Forderungen auf. Unter anderem bitten die Helfer um einen Sicherheitsdienst, der permanent vor Ort ist. Dies solle dem Schutz der Flüchtlinge und der Deeskalation bei internen Konflikten dienen. Die ehrenamtlichen Helfer vermissen einen direkten Ansprechpartner – sowohl vor Ort als auch telefonisch. „Es gebe nach einhelliger Auffassung der anwesenden Aktiven deutlich zu wenige Sozialarbeiter des Kreises, um die Betreuung der Flüchtlinge sachgerecht durchführen zu können.“ Christine Münch kann da nur zustimmen. „Das ist aber keine Kritik an den Sozialarbeitern, im Gegenteil, die arbeiten über ih Limit“, sagt die Helferin.

Auch die Ehrenamtlichen sind im Dauereinsatz. Zwei bis drei Helfer sind mindestens in der Zeit von zehn bis 18 Uhr vor Ort, meistens sogar bis in die Nacht, „um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen.“ Inzwischen werde – bedingt durch den Personalmangel – sogar die medizinische Versorgung der Bewohner „fast komplett über die Ehrenamtlichen abgewickelt, selbst bei hoch Schwangeren, Traumatisierten und chronisch Kranken“. „Ehrenamtliche waren inzwischen sogar als Geburtshelfer tätig und haben einem schwer Erkrankten das Leben gerettet“, heißt es in dem Brief.

Darüber hinaus verlasse sich der Kreis offenbar darauf, dass die Ehrenamtlichen bei der Ausstattung der Flüchtlinge mit dem Nötigsten selbst Sachspenden organisieren. Zwar sei die Spendenbereitschaft der Menschen sehr hoch, doch einen Raum zum Lagern und Sortieren der Gegenstände gibt es nicht.

Auch das schwierige Verhältnis zur Nachbarschaft lastet in der Weststadt auf den Schultern der Ehrenamtlichen. „Die Gespräche mit der Nachbarschaft sind zeitintensiv und aufreibend“, schreibt Labudda. „Die Helferinnen und Helfer bekommen vonhandenen Unmut und auch Kritik ab, haben aber gleichzeitig keine Entscheidungskompetenz, um Abhilfe zu schaffen.“ Der Landkreis wird sich erst in der nächsten Woche zu den Vorwürfen äußern.


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