Weinheims zweite Chance

17. März 2016  Presse

Gemeinderat beschloss Sanierungsgebiet „Westlich Hauptbahnhof “ erneut – Fehler waren zu „heilen“

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 17. März 2016]

Weinheim. Die Stadt will es, und der Gemeinderat will es auch: Das zum Teil heruntergekommene Gelände zwischen der Bundesbahnlinie und dem Betriebshof sanieren – und zu einem innenstadtnahen Wohn-, Gewerbe- und Dienstleistungsviertel machen. „Sanierungsgebiet Westlich Hauptbahnhof“ nennt sich das Vorhaben. Es fließen Städtebaufördermittel in Höhe von zehn Millionen Euro, 60 Prozent davon kommen aus den Fördertöpfen von Bund und Land. Trotzdem hat das im März 2014 beschlossene und auf zehn Jahre ausgerichtete Mammutprojekt nicht nur Freunde.

Von Philipp Weber.

Dies ist auch der Grund dafür, dass der Gemeinderat gestern quasi „nachsitzen“ musste: 25 der heutigen Bewohner des Sanierungsgebiets hatten 2015 eine Anwaltskanzlei eingeschaltet. Die Klageschrift soll 30 Seiten lang sein. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim steht demnächst bevor. Offenbar ist aber auch dem Anwalt der Stadt – dem Stuttgarter Professor Hans Büchner – ein möglicher Fehler aufgefallen: Die Reihenfolge der Verfahrensschritte rund um den Satzungsbeschluss vom März 2014 könnte nicht ganz richtig gewesen sein, heiß es. So wurden die so genannten „Träger öffentlicher Belange“ – also zum Beispiel andere Behörden oder Energieversorger – erst nach dem Ratsbeschluss beteiligt. Und auch die Bürger-Informationsveranstaltung in der Freudenberg-Schule fand erst im September 2014 statt. Rechtskräftig wurde die Satzung zwar danach, im Oktober 2014. Aber: Die Ergebnisse der Beteiligungsschritte konnten nicht in den Satzungsbeschluss einfließen.

Allerdings gibt das Baurecht Behörden in solchen Fällen eine zweite Chance: Sofern sich die Ausgangslage nicht dramatisch geändert hat, kann der Gemeinderat im Rahmen eines „ergänzenden Verfahrens“ erneut über die Satzung abstimmen – womit bis dato offene Fragen in den Beschluss einfließen. Geändert hat sich in Weinheims Westen nichts Grundlegendes. Und so fiel der Ratsbeschluss auch nicht allzu überraschend aus: Bei zwei Enthaltungen stimmte das Gremium erneut für das Sanierungsgebiet „Westlich Hauptbahnhof“.

Doch warum wehren sich so viele Anwohner dagegen? Das hat mit der Steigerung von Bodenwerten zu tun. Diese entstehen, wenn ein Gebiet saniert und damit insgesamt hochwertiger wird. Für diese Wertsteigerungen müssen Grundstückseigentümer Ausgleichsbeiträge zahlen – was die Betroffenen aber zum Teil heftig ablehnen.

„Die rechtliche Lage und der Umfang der Sanierung lassen nur das Regelverfahren zu, das diese Beiträge vorsieht“, bedauerte OB Heiner Bernhard. Würde die Stadt hier ein anderes Verfahren wählen, stünden die Fördergelder von Bund und Ländern auf der Kippe. Und: Die Stadt könne einzelne Grundstücke nicht ohne Weiteres aus einem Sanierungsgebiet herausnehmen, so der OB weiter: „Der Gesetzgeber will gebietsbezogene Gesamtmaßnahmen, die per Satzung festzulegen sind.“ Ob und wenn ja welche Grundstücke Ausnahmen von der Regel darstellen, klärt derzeit ein Gutachter. Die Ergebnisse sollen bis Mai vorliegen. Carsten Labudda (Die Linke) plädierte deshalb für eine Vertagung des erneuten Satzungsbeschlusses – und handelte sich damit einen Rüffel von OB Bernhard ein. Das bringe nichts, „das ist eher ein Antrag für die Galerie“, so der OB. Die Ratsmehrheit folgte seiner Auffassung.

Aber nicht nur Labudda verlangte, den Anwohnern zumindest finanziell etwas entgegenzukommen: etwa mit Härtefallregelungen oder Stundungsmöglichkeiten. Das Stichwort „Einzelfallgerechtigkeit“ machte die Runde. Bernhard verwies unter anderem auf die Wahl des Gutachters – des in Fachkreisen offenbar hoch renommierten Professor Peter Hagedorn. „Dieser Gutachter sieht die Individualität der Fälle und kümmert sich vor Ort“, sagte OB Bernhard.


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