Stolperstein für erstes Weinheimer NS-Opfer

18. Oktober 2016  Presse

Bundesweit bekannter Künstler Gunter Demnig verlegt den Stein am Samstag vor dem früheren Volkshaus – Gedenken an Michael Jeck

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 18. Oktober 2016]

Weinheim. (web) Die genauen Umstände seines Todes sind nie aufgeklärt worden. Sicher ist, dass Michael Jeck am Abend des 6. Mai 1933 auf dem Speicher des „Volkshauses“ ums Leben kam. Als Geschäftsführer des sozialdemokratisch orientierten Lederarbeiterverbands in Weinheim war er zu diesem Zeitpunkt bereits ein politisch Verfolgter: Am 2. Mai 1933 hatten Mitglieder der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation und der Schutzstaffel (SS) das Büro des Lederarbeiterverbands besetzt und die Hakenkreuzfahne gehisst. Gewerkschafter wurden verhaftet, das Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt.

Während der Besetzung verlor Jeck sein Leben; er soll sich erhängt haben. Es gilt jedoch als sehr wahrscheinlich, dass die Nazischergen den Gewerkschafter in den „Freitod“ trieben. Damit wurde Jeck zum ersten Todesopfer des Nationalsozialismus in Weinheim. Zum Gedenken an Jeck wird am Samstag, 22. Oktober, 13 Uhr, ein sogenannter Stolperstein platziert. Der bundesweit bekannte Künstler und Stolperstein-Initiator Gunter Demnig legt dabei persönlich Hand an. Laut seiner öffentlich einsehbaren Chronik reist er am Wochenende durch die Region und verlegt auch in Worms und Mannheim Stolpersteine.

Allein in Weinheim sind bisher 44 Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern vor allem an Mitbürger jüdischen Glaubens, die von den Nazis verschleppt und ermordet wurden. Dass jetzt auch des Gewerkschafters gedacht wird, ist nicht zuletzt dem Engagement von Stadtrat Matthias Hördt zu verdanken. Seine Partei, „Die Linke“, hatte 500 Euro gespendet, um den Stein verlegen zu lassen und eine angemessene Gedenkveranstaltung auf die Beine stellen zu können. „Es war mir ein Anliegen, dass an das erste Weinheimer Opfer des Faschismus erinnert wird“, sagte Hördt gestern im RNZ-Gespräch. Er sieht aber auch aktuelle Bezüge: „Ich will davor warnen, wie gefährlich es ist, die Gewerkschaften alleine zu lassen und zu schwächen.“ Nach Hördts Geschichtsverständnis wären die NS-Diktatur und ihre Folgen 1933 noch zu verhindern gewesen, mit einem Generalstreik. Außerdem sei Gewerkschaftsarbeit bis heute in vielen Ländern nur unter Lebensgefahr möglich: „Und es gibt auch heute Tendenzen, die behaupten, dass Gewerkschafter zu viel Macht hätten.“ Dabei setzten sich diese am Ende für das Wohl all derer ein, die von einer Erwerbsarbeit leben.

Auch Helmut Schmitt, Ortsvorsitzender der IG BCE-Ortsgruppe Weinheim, hält die Verlegung des Stolpersteins für angemessen:„Natürlich ist es im Interesse der Gewerkschaften, wenn an so jemanden erinnert wird“, sagte er: „Im öffentlichen Raum wird ja aller möglichen Persönlichkeiten gedacht. Da ist es doch nur richtig, wenn ein Mann erwähnt wird, der für seine mitmenschlichen Überzeugungen gestorben ist.“

Die „Stolpersteine“ als Kunstform sind das Projekt von Gunter Demnig. Sie erinnern an das Schicksal von Menschen, die in der NS-Zeit verfolgt, verjagt und ermordet wurden. Die Steine sind würfelförmig, bestehen aus Beton und haben je zehn Zentimeter Kantenlänge. Auf der Oberseite ist eine Messingplatte, in die die Inschrift eingeschlagen wird. Sie werden in den Belag des Gehwegs vor Häusern eingelassen, in denen die Verfolgten lebten, arbeiteten oder ermordet wurden. Bisher verlegte Demnig in 20 Ländern Stolpersteine, über 50 000 Steine sind es bisher.

Künstler Demnig will den Stolperstein am Samstag vor dem ehemaligen „Volkshaus“ in der Lindenstraße 21/Ecke Grundelbachstraße verlegen. Heute befindet sich hier die Gastronomie „La Bodega Espanola“, wohin nach der Verlegung und Ansprachen von Matthias Hördt und Stadtarchivaren Andrea Rößler zu einem kurzen Umtrunk und Gesprächen eingeladen wird.


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