Deutsche Löhne sind zu niedrig

28. Juli 2015  Presse

Diskussionsabend der Linken: Sascha Bahl sieht Deutschland als Verantwortlicher der Eurokrise

[Pressebericht vom 28. Juli 2015]

Weinheim. (o) Was haben das Niveau der in Deutschland gezahlten Löhne und die Eurokrise miteinander zu tun? Dieser Frage ging die Weinheimer Linke dieser Tage mit einer Diskussionsrunde im „Grünen Baum“ mit dem Wirtschaftsexperten Sascha Bahl aus Mörlenbach nach. In seiner Begrüßung erwähnte der stellvertretende Ortsvorsitzende und Landtagskandidat Matthias Hördt zunächst, Deutschland stehe im internationalen Vergleich zwar gut da, obgleich bei uns viele Menschen in Armut ihr Dasein fristen müssten. Anderen Ländern werde immer empfohlen, es wie wir zu machen, doch könne nicht jedes Land Exportweltmeister sein.

Genau dies sei eine der Ursachen, weshalb manche Länder stark verschuldet seien, und aus ihrer Krise nicht herauskommen, meint Sascha Bahl. Durch den immer höher werdenden deutschen Exportüberschuss verschulden sich andere Länder zwangsläufig und werden daran gehindert, selbst einen Exportüberschuss zu erwirtschaften. Aber erst durch einen Exportüberschuss sei es anderen Volkswirtschaften überhaupt erst möglich ihre Schulden zu begleichen.

Deutschland sei durch die Schröder´schen Hartz-Reformen zum Billiglohnland und damit wettbewerbsfähiger als andere Euro-Länder geworden. Möglich wurde dies erst mit der Währungsunion, an deren Zielen sich Deutschland nicht gehalten habe und bar einer eigenen Währung eine interne Abwertung vorgenommen hat. Laut dem Grundgesetz für Deutschland und europäischen Gesetzen soll ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht angestrebt werden, welches Deutschland mit Unterlaufung des 2%-Inflationsziels nicht einhielt. Um dieses Ziel zu erreichen müsste die Lohnpolitik die „goldene Lohnregel“ anwenden. Jährliche Steigerung der Löhne um 3,5%, entstanden durch eine Produktivitätssteigerung von 1,5% plus dem Inflationsziel der EZB von 2%. An diese Regel muss sich jedes Euro-Land halten um gemeinsam einen ausgeglichenen Handel zu ermöglichen ohne, dass sich ein Land mittels Lohnstagnation wettbewerbsfähiger macht.

Laut Sascha Bahl sind die Gewerkschaften durch die Politik soweit geschwächt worden, dass sie Lohnabschlüsse weit unter der „goldenen Lohnregel“ abschließen. So habe ver.di der nächsten Lohnerhöhung für die Postbeschäftigten zum 1. Oktober 2016 mit mageren 2% zugestimmt. Richtig, über die Laufzeit gerechnet seien dies real jedoch nur 0,86%! Und für das nächste Jahr seien niederschmetternde 1,7% Lohnsteigerung ohne Arbeitskampf im Tarifvertrag gesichert worden. Die Gewerkschaftsführung trage diese falsche Lohnpolitik mit, um sich ihrem Standortvorteil zu bedienen. Der Tarifautonomie werde nur noch auf dem Papier genüge getan. Symptomatisch sei deren langer Widerstand gegen einen gesetzlichen Mindestlohn gewesen. Letztendlich könne die Krise nur bewältigt werden, wenn es in Deutschland selbstbewusste, kampfstarke und kampfbereite Gewerkschaften gebe, die in internationaler Solidarität handele.

Die Arbeitgeberseite wurde mehr als genug durch die Politik gefördert. Nun müsse die Arbeitnehmerseite gestärkt werden, fordert Bahl. Wenn der Rückstand zum Inflationsziel Deutschlands seit 1999 gerechnet werde, müssten über 10-15 Jahre die Löhne jährlich um mindestens 5,5% steigen.


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