Flüchtlinge in Weinheim: Streit um die Anschlussunterbringung

15. Juli 2016  Presse

Im Verlauf der Ratssitzung am vergangenen Mittwoch gerieten die Fraktionen aneinander – Grund waren sechs Bauprojekte für 270 Flüchtlinge

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 15. Juli 2016]

Weinheim. (web) Stella Kirgiane-Efremidis (SPD) war hörbar erbost: „Selten habe ich in diesem Gremium so viel Populismus erlebt“, sagte sie im Verlauf der Ratssitzung am Mittwoch im Engelbrecht-Haus. Vor vollen Zuhörerreihen debattierte der Gemeinderat über Leistungsvergaben für sechs Bauprojekte. Darin sollen 270 anerkannte und geduldete Flüchtlinge unterkommen. Zwar brachte das Gremium alle sechs Projekte jeweils einen Schritt weiter. Doch bis es so weit war, bekamen die Verwaltung und die SPD erbitterte Kritik zu hören. Auf Drängen der Zuhörer schob OB Heiner Bernhard noch vor der Abstimmung über die umstrittenste Unterbringung in der Klausingstraße die „Bürgerfragestunde“ ein. Auch dabei ging es emotional zu.

Die Kritik im Gremium entzündete sich zunächst an der Finanzierung der Bauten: Die Verwaltung will dafür unter anderem 800 000 Euro heranziehen, die für die Sanierung städtischer Wohnungen vorgesehen sind, aber aufgrund „fehlender Kapazitäten“ nicht verbaut werden können. Dieses Vorgehen stieß nicht zuletzt der Weinheimer Liste (WL) und Teilen der Freien Wähler sauer auf: Sie hatten die Sanierung der städtischen Wohnungen – ebenfalls mit dem Ziel Flüchtlingsunterbringung und sozialer Wohnbau – bei den Etatverhandlungen im Winter durchgesetzt: Michael Lehner (WL) sprach von einer „systematischen Überforderung“ ehrenamtlich tätiger Stadträte, sein Fraktionskollege Simon Pflästerer von „haushalterischen Tricksereien“. Folge: Auch beim Standort Klausingstraße endete die Abstimmung zur Finanzierung knapper als die zur Planungsvergabe.

Denn mit dem Standort an sich hatte die WL kein Problem. Sehr wohl aber GAL und „Die Linke“: „Offenbar meint man, hier Härte zeigen zu müssen“, so Elisabeth Kramer (GAL): „Warum zieht man nicht die Tennisplätze in der Innenstadt heran? Spielen dort wichtigere Leute als auf dem Bolzer?“. Carsten Labudda (Linke) echauffierte sich darüber, dass in der Klausingstraße für 60 Menschen geplant wird: „Wir haben immer dafür plädiert, dass bei 50 Leuten Schluss ist – so wie an den anderen Standorten auch.“ Er frage sich, wieso die „selbst ernannte Weststadtpartei SPD die Klausingstraße vorantreibt, die Nördliche Hauptstraße aber ablehnt“. Die Beauftragung von Architekt und SPD-Rat Constantin Görtz habe „ein Geschmäckle“. OB Bernhard hatte offenbar geahnt, was auf ihn zukam, und die Räte im Vorfeld in die Verantwortung genommen: Selbst wenn alle vorgesehenen Standorte funktionierten, fehlten der Stadt 2017 um die 100 Wohnplätze für Flüchtlinge. Zu den Bolzplatznutzern sagte er: „Ein Kompromiss ist nie ein Sieg, aber auch nie eine Niederlage.“ Am Schluss hätte die GAL fast doch noch für die Klausingstraße gestimmt: Die Grünen wollten garantiert haben, dass eine Idee von Architekt Görtz umgesetzt wird: Dieser will Bolzer und Unterkunft auf ein gemeinsames Grundstück setzen und den Kinderspielplatz einige Blocks weiter vollständig erhalten. „Vor Abschluss der Planungen ist das nicht zu garantieren“, musste Bernhard die GAL enttäuschen.


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