DIE LINKE macht sich für Europa stark, aber für ein soziales Europa

11. Mai 2017  Europa, Reden

Während Konrad Wanner seine Rede hielt, informierte DIE LINKE über eine der wesentlichen Ausrichtungen der Partei.

Der Verein Europa Union Heilbronn, der regelmäßig für ein geeintes Europa wirbt, hatte am 10. Mai mehrere Aktionen. Dabei sollte an den Europatag angeknüpft werden, der an die Schumann-Erklärung und somit an die Geburtsstunde der Europäischen Union erinnern soll.

Über die Mittagspause wurden Infostände der beteiligten Parteien in der Fußgängerzone aufgebaut, als LINKE verteilten wir dabei Textpassagen aus dem Parteiprogramm der LINKEN, etwa: “ Die EU braucht eine koordinierte und demokratisch kontrollierte Wirtschaftspolitik, die einer Unterbietungskonkurrenz durch die Verschlechterung von Löhnen, Arbeitsbedingungen, sozialen Leistungen und Umweltstandards entgegenwirkt.“ Damit brachten wir unsere grundsätzliche proeuropäische Haltung mit der notwendigen Kritik an der aktuellen Ausrichtung der EU zusammen.

Infostand zum Thema Europa mit Jürgen Patzelt und Konrad Wanner.

Am Nachmittag gab es dann ebenfalls auf dem Kiliansplatz eine Kundgebung des Vereins, an der sich 120 Menschen aus verschiedensten Parteien, Migrantenorganisationen und Vereinen trafen und ein Zeichen für Europa und gegen Nationalismus setzen wollten. Für die LINKE sprach Konrad Wanner als Bundestagskandidat über die Forderungen der europäischen Linken und lehnte eine weitere Militarisierung der EU-Staaten ab. Spannend waren Wanners Ausführungen über die Entwicklung in Portugal, das seit zwei Jahren eine linke Regierung hat und deutliche Erfolge in der Entwicklung aufweisen kann, gegen das Diktat der Troika. Als Wanner dann auch noch Wolfgang Schäuble kritisierte, war bei der Jungen Union das Verständnis dahin. Wen es aber interessiert, kann die komplette Rede von Wanner hier nachlesen:

Rede bei der Kundgebung der EUROPA-UNION HN 10.5.2017

Vielen Dank an die Europa-Union für die Möglichkeit, heute hier zu sprechen.

Mein Name ist Konrad Wanner. Ich komme aus Heilbronn und kandidiere im Wahlkreis Heilbronn für die LINKE zum Bundestag.

Am Rande Europas tut sich Wundersames: Die portugiesische Linksregierung düpiert den neoliberalen Mainstream, macht in den Augen sparwütiger Liberalisierer alles falsch und liefert eine positive Nachricht nach der anderen. Da könnte sich Emmanuel Macron gleich mal eine Scheibe abschneiden.

An Medizinmännern ist kein Mangel. Europa stehe am Scheideweg, schreien die einen und verlangen unentwegt nach weniger Staat. Andere, noch gefährlicher, schüren Ängste und predigen Abschottung. Dritte, in Frankreich immerhin rund vier Millionen Wähler und Wählerinnen, begehren auf mit ungültigen Stimmzetteln. „Wir können die Globalisierung nicht abschaffen, wir müssen sie zähmen“, sagt ein Anhänger der Bewegung „Vote Blanc“ bei einer der zahllosen Straßenumfrage in Paris, wo 90 Prozent der Wähler und Wählerinnen für den Ex-Banker Macron gestimmt haben.

Wer zähmt hier wen? Im Praxistest zu betrachten sind in Europa derzeit zwei Extremvarianten. Die eine, in Griechenland, sorgt regelmäßig für Schlagzeilen: Immer neue Sparrunden führen zu immer neuen Problemen, sinnlose Privatisierungen machen den Staat noch ärmer als er ohnehin schon ist. In diesen Tagen muss Premier Alexis Tsipras unter vielem anderen die 23. Rentenkürzung durchsetzen, und in den Schulen soll das kostenlose Mittagessen gestrichen werden. Das Land befinde sich in einer „demütigenden Vormundschaft“, sagt der Sozialist. Und die Geldgeber spielen mit dem Feuer, wenn sie auf baldige Neuwahlen und einen Machtwechsel hoffen – in einem Land, in dem Rechtsnationalisten großen Zuspruch haben und 60 Prozent der Menschen unter 30 finden, die EU nehme zu großen Einfluss auf die griechische Politik.

Den Gegenentwurf liefert Portugal, und der ist so erfolgreich, dass die bürgerlichen Kassandrarufer erst einmal Abbitte leisten und zurück rudern müssten. „Das klingt phantastisch“, schrieb die FAZ im Spätherbst 2016, als die neue Regierung in Lissabon ihre ersten Pläne präsentiert hatte, und der Sarkasmus quoll zwischen den Zeilen hervor. Die Rede war gar von einem „Bündnis wider die Natur“, gestützt durch „zwei kommunistische Krücken“, denn Altstalinisten und Marxisten sind mit von der Partie und erstmals seit der Nelkenrevolution 1974 koalieren Kommunisten und Sozialisten. Da durfte natürlich auch die Prognose nicht fehlen, dass der neue Ministerpräsident António Costa das Land alsbald in Neuwahlen stürzen könnte.

Zur Erklärung: seit November 2015 regiert in Portugal ein linke Regierung aus Sozialisten, Kommunisten und Linksbündnis unter dem Ministerpräsidenten und  Sozialisten Antonio Costa.

Der Brandstifter spielt Feuerwehrmann

Es kam aber, jedenfalls bisher, ganz anders, als die Kritiker sich und ihrer Leserschaft ausgemalt hatten. Kein „neues Griechenland“, wie die „Wirtschaftswoche“ orakelt hatte, keine „zusätzlichen Belastungen für die Stabilität des Aufschwungs“, die die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in ihrem Länderreport Ende 2015 vorhersagte. Kein geplatztes Bündnis, keine Neuwahlen, und nicht einmal der geweissagte Ärger bei der EU. Stattdessen demonstriert Costa, der frühere Lissabonner Bürgermeister, Alternativen zur Austeritätspolitik. Und selbst die KAS (Konrad-Adenauer-Stiftung) registriert mittlerweile die „politische Stabilität und Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung“: Da Portugal momentan gute Aussichten habe, „drei Jahre in Folge ein Defizit von weniger als drei Prozent des Sozialprodukts zu erreichen, wird es demnächst von der EU von dem Defizitverfahren ausgenommen“.

Keine 18 Monate nach ihrem Amtsantritt fährt die historische Koalition bereits wichtige Teile ihrer Ernte ein. Fast 80 Milliarden Euro mussten Internationale Währungsfond und europäische Partner zwischen 2011 und 2014 zuschießen, um eine Staatspleite abzuwenden. Inzwischen sind die ersten Milliarden zurückgezahlt, Sparziele übererfüllt und einzelne ökonomische Daten, etwa das Wirtschaftswachstum, besser als in Deutschland. Natürlich hält das Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht davon ab, die Regierung gebetsmühlenhaft zu kritisieren. „Wie jeder weiß, ist der deutsche Finanzminister ein Brandstifter, der sich als Feuerwehrmann zu präsentieren versucht“, musste er sich kürzlich von Sozialistenchef Carlos César sagen lassen. Das Haushaltsdefizit ist so niedrig wie seit 40 Jahren nicht mehr, und die Arbeitslosigkeit geht deutlich zurück.

Ungewollt bekommt so ausgerechnet die FAZ recht: Tatsächlich klingt vieles phantastisch. Mindestlohn und Renten sind erhöht, frühere Gehaltskürzungen zurückgenommen, die 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst wieder eingeführt, es gibt einen Sozialtarif für Strom, die Einkommenssteuer für Familien wurde ebenso gesenkt wie die Mehrwertsteuer für Restaurants. Die Streichung von vier Feiertagen ist zurückgenommen worden. Privatisierungen sind gestoppt, etwa die des ÖPNV in Lissabon oder Porto und vor allem der staatlichen Fluggesellschaft TAP. Deren Entwicklung liest sich wirklich wie ein Märchen aus einer anderen Wirtschaftswelt: Der abgewählte konservative Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, der nach der Parlamentswahl selber keine Regierung zustande brachte, zugleich aber andere Konstellationen zu blockieren versuchte, hatte eine Privatisierung von über 60 Prozent initiiert. Costa begrenzte die auf 45 Prozent. Investoren schäumten, allen voran ein früherer brasilianischer Missionar und Selfmademan, der sein Geld zurückwollte, sich aber dann doch mit der neuen Konstruktion abfand. Jetzt gehören 50 Prozent dem Staat und fünf Prozent den Beschäftigten. Auf diese Weise könnte die Regierung sogar ein neues Kapitel in der Private-Public-Partnership-Geschichte schreiben.

Die Trendwende in Portugal hingegen führt sogar dazu, dass im kommenden Jahr die Sozialleistungen weiter ausgebaut werden. Sie lesen immer noch richtig: ausgeweitete Sozialleistungen. Die von der konservativen Vorgängerregierung eingeführten Sondersteuern sowie Lohn- und Rentenkürzungen werden zurückgenommen.

Der Mindestlohn wird von 530 auf 557 Euro im Monat angehoben. Bei 14 Jahresgehältern. Dabei sorgte die Ankündigung der portugiesischen Regierung, ihren eigenen Weg gehen zu wollen, bei einigen Europäern zunächst für Panik inklusive offenen Drohungen. Der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meinte zunächst, dass die Portugiesen bald wieder „ein neues Rettungsprogramm beantragen“ werden müssen. Er drohte sogar mit einer Geldstrafe und Kürzungen von EU-Geldern.

Doch es kam alles ganz anders. Portugal hat zurück zur Stabilität gefunden.

Ein letztes noch. Europa braucht am aller wenigsten Aufrüstung und Krieg. DIE LINKE lehnt entschieden die Vorhaben ab, die Rüstungsausgaben in Deutschland von 1,2 auf 2% des BIP zu erhöhen. Das sind in realen Gefahren eine Erhöhung von heute ca. 38 Mrd. auf dann ca. 70 Mrd. € in 2024.

Nicht Rüstung schafft Frieden. Abrüstung und ein Ost-West-Dialog sichern Europa eine friedliche Zukunft.

Dafür kämpfe ich als Bundestagskandidat der LINKEN im Wahlkreis Heilbronn.

-> Abbruch der Rede auf Drängen von Herrn Kümmerle.

Lange Passagen der Rede sind dem Artikel

„Rote Rebellen“ von Johanna Henkel-Waidhofer, „kontext“, Ausgabe 319, 10.5.2017, entnommen.

Nichtgehaltener Teil:

Ich bringe das Beispiel Portugal hier auf dieser Kundgebung der Europa-Union, um zu zeigen, wir LINKE in Deutschland stehen nicht allein mit unseren Forderungen nach einem Ende der Politik des Sozialabbaus.

Die Europäische Union ist in einer grundlegenden Krise. Die soziale Ungleichheit ist gewachsen, Reichtum und Armut explodieren. Die neoliberale Politik der Konkurrenz und Austerität hat zu Massenerwerbslosigkeit geführt und in Südeuropa eine verlorene Generation hervorgebracht. In der ganzen EU sind es fast ein Viertel, in Italien, Portugal, Spanien, Griechenland 40 bis 60 Prozent der jungen Menschen, die keine Arbeit finden.

In dieser EU hat die Wettbewerbsfähigkeit im Interesse der Profite von Banken und Konzernen Vorrang vor den Interessen der Bevölkerungen. Die »Rettung« Griechenlands war zu über 90 Prozent eine Finanzierung von reichen Gläubigern und Bankprofiten, nicht zuletzt deutscher Banken. Die Durchsetzung von neoliberalen Handelsabkommen wie TTIP und CETA gegen den Willen von hundertausenden Menschen oder die Erpressung Griechenlands, die verheerende neoliberale Kürzungspolitik fortzusetzen, zeigt: Wenn die Menschen eine andere Politik wollen, wird die Demokratie als Wettbewerbshindernis beiseitegeschoben.

Die EU muss demokratisch werden!

Statt einer im Kern undemokratischen EU will DIE LINKE die Demokratie in Europa neu begründen und die Institutionen der EU grundlegend demokratisieren. Wir wollen die Rechte der Parlamente stärken. Unter den gegebenen Bedingungen dürfen keine weiteren Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert werden. Entscheidungen in der EU müssen vom Europaparlament und den nationalen Parlamenten getroffen und kontrolliert werden, statt von der EU-Kommission oder nicht-legitimierten Gremien. DIE EZB muss unter demokratische Entscheidungen und Kontrolle des Europäischen Parlaments gestellt werden statt »unabhängig« von diesen und über der Demokratie zu stehen. Die EZB muss neben der Preisstabilität gleichrangig auf wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung verpflichtet werden.

Wir lehnen die Entmachtung der Parlamente und Eingriffe in die Tarifautonomie durch den Fiskalpakt ab. Wir wollen EU-weite Volkbegehren und Volksentscheide ermöglichen. Wir wollen europaweite öffentlich-rechtliche Medien und Plattformen und einen gleichberechtigen Zugang dazu für alle demokratischen politischen und sozialen Kräfte und Bewegungen. Wir wollen die Grundrechte in Europa stärken: Keine verdachtsunabhängige Datenspeicherung und Profiling. Unter dem Vorwand der Sicherheit und des Kampfes gegen den Terrorismus werden Überwachungstechnik und Datensammlung ausgebaut und die Freiheitsrechte ausgehöhlt, die man zu verteidigen vorgibt.

 


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