Rede Ulrich Spangenberger vor VONOVIA Niederlassung Stuttgart, anlässlich der bundesweiten Demonstrationen am 15. Mai

Hallo zusammen,

ich bin Mitinitiator der Mietergemeinschaft Montluelweg in Ostfildern.

Das erste Treffen unserer Mietergemeinschaft war Anfang des Jahres. Wir haben seitdem die Klagen und Beschwerden der Mieter*innen über Vonovia zunächst zusammengeführt, dann zu Themenbereichen gebündelt, Briefe aufgesetzt, den Mietern noch einmal vorgelegt für evtl. Korrekturen oder Ergänzungen und anschließend von sämtlichen Mietern unterschreiben lassen. Aus unserem Block haben von 22 bewohnten Wohnungen 15 Parteien unterschrieben. Ende April sind die Briefe in die Post gegangen. Vonovia hat daraufhin in einer ersten Reaktion vor kurzem zugesagt, eine unserer Forderungen zu erfüllen und uns in den nächsten Tagen sämtliche Belege der Abrechnungen zukommen zu lassen. Das sind über 100 Seiten, die wir nach Erhalt prüfen werden.

Weitere kleinere Reaktionen von Vonovia können wir auch schon vermerken, so haben Mitarbeiter des Konzerns den verdreckten Außenbereich um die Mülltonnen fotografiert, wenige Tage später war dieser Bereich tatsächlich so sauber, wie es sein sollte und wie es die ganzen Jahre vorher nie war.

Auf dem Weg zur Kundgebung ist mir dann auch noch aufgefallen, dass der Sand an den Spielplätzen in unserer Wohnanlage endlich mal wieder ausgetauscht wird, was seit Jahren überfällig war. Auch das ist/war eine unserer Forderungen.

Wie gesagt, wir sind erst am Anfang, und wir hoffen natürlich, dass wir im Laufe der Zeit noch ganz andere Dinge erreichen werden. Wir wissen aber auch, dass wir dazu einen langen Atem brauchen. Ein schöner Nebeneffekt hat sich allerdings bereits jetzt eingestellt, wir haben inzwischen den Eindruck gewonnen, dass die Mieter untereinander viel achtungsvoller miteinander umgehen, weil wir an einer gemeinsamen Sache arbeiten. Außerdem haben wir spontan ein Nachbarschaftsfest verabredet, dass jetzt im Juni steigen wird.

Ergänzend möchte ich noch ein paar neue Informationen zum Fall Frau Kindleb, einer schwerbehinderten Rentnerin in unserer Nachbarschaft, geben. Frau Kindleb, sollte wenige Tage vor Weihnachten zwangsgeräumt werden, weil sie angeblich immer wieder Tauben füttert. Unsere Stadträtin Jutta Zwaschka und ich hatten, als wir Kenntnis davon bekamen, Kontakt zu Frau Kindleb aufgenommen und konnten letztendlich auch mit Hilfe eines ärztlichen Attestes erreichen, dass der Fall neu aufgerollt wird. Wir sind weiterhin in Kontakt mit Frau Kindleb. Sie sagt, ihr gehe es den Umständen entsprechend gut. In Wahrheit ist aber die Situation eher Dauerstress für sie. Wir hoffen jedoch, dass das Verfahren in absehbarer Zeit zu Gunsten von Frau Kindleb entschieden wird und sie dauerhaft in ihrer Wohnung bleiben darf.

Weshalb ich aber eigentlich hier zum Megaphon greife, hat einen anderen Grund:

Wir stehen zwar hier heute vor der Vonovia Niederlassung in Stuttgart und protestieren mit vielen anderen in der Republik gegen die Machenschaften des Konzerns. Uns sollte aber auch bewusst sein, dass uns vor allen Dingen auch der Gesetzgeber in den Rücken fällt. Denn: Das Grundrecht auf Wohnen, auf bezahlbares Wohnen, im Sinne einer Daseinsvorsorge muss gerade von den Schwächsten einer Gesellschaft erlebt und gelebt werden können.

Es reicht doch nicht aus, wenn Politiker in ihren feinen Designerklamottchen in Talkshows Lippenbekenntnisse ablegen, wie sehr ihnen diese Situation leide tue, und wie furchtbar sie es finden, wenn eine alleinerziehende Mutter Ihrem Bub wieder einmal das Geld für das Schwimmbad nicht geben kann, weil sie nicht weiß, wie sie ihre Miete zahlen soll. Und die Tochter muss sie aus den gleichen Gründen vom Sportverein abmelden. Solche Aussagen sind pures Geschwätz und reine Selbstdarstellung von Leuten die fernab von jenen sind, für die sie gerade vorgeben Partei zu ergreifen.

Das sind Zustände, da sollte sich ein Rechtsstaat für schämen, wenn denn seine Vertreter Moral hätten. Wir wissen aber auch alle aus der Geschichte, dass den Menschen niemals etwas geschenkt wurde. Denkt an die Suffragetten vor 100 Jahren, denkt an die Fridays for Future Bewegung heute, wir mussten und müssen immer wieder aufs Neue um unser Recht kämpfen. Denn was das Gesetz sagt, ist nicht unbedingt immer das, was Recht ist. Das hat schon der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gewusst. Auch deshalb hat er sein sehr lesenswertes Buch mit dem Titel „Auf der Suche nach dem Recht“ geschrieben.

Wir sind schon viele in dieser Republik, die sich über die Zustände in denen wir leben müssen aufregen und dagegen demonstrieren. Aber lasst uns mehr werden. Macht Nachbarschaftsfeste, stellt wo immer möglich eine Bank auf und setzt Euch am Feierabend zusammen und trinkt ein Bierchen und schwätzt mit Euren Nachbarn. Das kann so wohltuend erfrischend sein. Und ist sicher besser, als sich wieder einen Abend vom Fernsehprogramm einlullen zu lassen. Lernt Euch einfach besser kennen. Dann werdet Ihr erfahren, dass Ihr alle die gleichen Interessen habt. Und es werden viele Bereiche sein, wo wir aufstehen können, um unser Recht einzufordern und zeigen, dass uns vor der geifernden Fratze des Neoliberalismus mit allen ihren Vasallen und Lobbyisten, keine Bange ist.

Lasst uns gemeinsam für unsere Rechte kämpfen:

In den Häusern, auch in den Schulen

In den Büros, auch in den Fabriken

Auf den Straßen, auch auf den Höfen

Gemeinsam können wir so stark sein, laßt uns diese Stärke deutlich machen.

Habt Vertrauen zu Euch selbst und in unsere rechtmäßige Sache.

Danke

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