Haushaltsrede Gemeinderat Ostfildern

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger!

In unserem Haushaltsjahr 2019 ensteht in der kommunalen Doppik voraussichtlich ein Gewinn von 1,83 Mio. Euro; somit wurde die Forderung des Haushaltseckwertebeschlusses nach einem ausgeglichen Haushalt, „Der
schwarzen Null“, mehr als nur erfüllt.
Dieser monetäre Überschuß muß jedoch im Verhältnis gesehen werden zu den bevorstehenden Herkulesaufgaben unserer Stadt, zum Beispiel:
Sanierungen in der Hindenburgstrasse/Nellingen mit geplanten
2,92 Mio. Euro oder der Realschule Nellingen mit 1,7 Mio. Euro, Investitionen in der Sporthalle Ruit über 380.000 Euro usw.
Oft kommt es auch vor, daß der Kostenplan für Baumaßnahmen nach oben
korrigiert werden muß, zum Beispiel beim Bauen auf schwierigem Untergrund, wie den in Ostfildern vorkommenden Knollenmergel.
Das macht deutlich, daß der vorher erwähnte Überschuß bei diesen
Investitionsvolumina auch schnell aufgebraucht sein kann und verpasst der anfänglichen Freude einen dicken Wermutstropfen.
Außerdem wird angesichts des Bündels an notwendigen investiven Maßnahmen 2019 eine Kreditaufnahme von rund 3,2 Mio. Euro notwendig sein. Mit einer voraussichtlichen Pro-Kopf-Verschuldung über
1.533 Euro überschreiten wir momentan leicht den Landesdurchschnittsbetrag. Zusätzlich werden jedoch weitere Kreditaufnahmen von 2020 bis 2022 notwendig
sein, um die Minusbeträge, welche den großen Investitionen geschuldet sind, gegenzufinanzieren, damit am Ende der städtische Haushalt ausgeglichen ist.
Bleibt zu hoffen, daß wir nicht zum regionalen „Schuldenkönig“* werden.

Soziale Wohnraumbeschaffungsmaßnahmen

Eine der großen Herausforderungen unserer Stadt ist das Bereitstellen
bezahlbaren Wohnraums, einem menschlichem Grundbedürfnis, notfalls auch durch Umnutzung. Angesichts der angespannten Wohnungsmarktlage, soll die Stadt prüfen, ob
leerstehende Firmenobjekte in Industriegebieten („Mischgebiete“) in
kostengünstige Mietwohnungen umgebaut werden können. Ebenso, ob
interimsweise die Nutzung bestehender Gartenhäuser als Wohnobjekt mit
Meldeadresse möglich ist oder ob an bestehenden Mehrfamilienhäusern noch aufgestockt werden kann – dort, wo es städtebaulich vertretbar ist. Damit würde dem „Flächenfraß“ und der zunehmenden Versiegelung entgegengewirkt werden.
Wir benötigen zusätzlich einen städtischen Leerstandsbeauftragten, an den sich vornehmlich Senioren wenden können, die Teile der zu groß gewordenen Wohnung oder des Hauses vermieten möchten, aber Unterstützung bei der
Mietvertragsgestaltung benötigen beziehungsweise mehr Sicherheit, indem die Stadt beispielsweise als Zwischenmieter auftritt und die Mieteinnahmen garantiert. Die Stadt wird dennoch nicht darumkommen, für den Bau von Sozialwohnungen Flächen anzukaufen, um diese dann nach einer festen Quotierung (etwa 30% der jeweiligen Wohneinheiten) im Neubau zu realisieren und dies den Bauträgern schmackhaft zu machen – zum Beispiel über weniger strenge Stellplatzregelungen sowie Verzicht auf Ablösen oder einer baulichen Ausnahmeregelung wie „Ein Stockwerk-Plus“ zum gänzlich freien Verkauf zur Querfinanzierung. Die Grundstücke sollen zu einem Festpreis angeboten werden, damit nicht immer der Meistbietende den Zuschlag erhält, sondern derjenige, der das beste soziale Konzept hierzu hat. Diese Sozialwohnungen sollen dauerhaft erhalten bleiben, womit sie auch Menschen, die in unserer Stadt arbeiten und wohnen möchten, Sicherheit geben und als „weicher Standortfaktor“ Personal anziehen und binden können. Die Wohnobjekte sollen sozial gut durchmischt sein, um eine Stigmatisierung durch die Wohnadresse zu verhindern.
Deshalb wird beantragt, daß die Stadt Ostfildern Leerstands-, Umnutzungs- und Sozialwohnungsbaubeauftragte benennt.

Trittsteine für die Natur


Eine soziale, nachhaltige Stadtplanung und -entwicklung muß die vorhandenen Naturräume bestmöglich schützen, pflegen und vorhandene Grünzüge vernetzen.
Deshalb wird beantragt, daß sich die Stadt Ostfildern für das Projekt „Natur nah dran“, in Kooperationsträgerschaft des NABU Baden-Württemberg und dem Umweltministerium zur Förderung der biologischen Vielfalt im Siedlungsraum bis zum 1. Dezember 2018 bewirbt. Gefördert werden naturnahe Verkehrsinseln, blühende Randstreifen und ebenso gestaltete Flächen. Derartige Grünflächen beanspruchen weniger Pflege und Personalaufwand, was dem städtischen Haushalt zugute kommt; außerdem ernähren die Wildpflanzen unsere Insekten kostenfrei und beleben ehemals biologisch minderwertige Flecken. Gefördert werden auch Schulungen und praktische workshops für die Bediensteten der teilnehmenden Kommune.

Ich danke der Verwaltung, insbesondere dem Kämmerer Herrn Weissbarth und seinen Mitarbeitern für die Vorlage des Haushalts mit den ausführlichen Darstellungen, ohne die der Nachvollzug für „Wirtschaftslaien“ böhmische Dörfer wären, und ebenso allen ehrenamtlich Aktiven für deren Einsatz zum Wohle unserer Stadt.

Zum Abschluß zitiere ich den amerikanischen Journalisten und Autor Earl Wilson:
„Wenn Sie glauben, niemand kümmert sich um Sie, dann versuchen Sie, ein paar Raten fürs Auto nicht zu bezahlen.“

Für Die LINKE, Jutta Zwaschka

Fußnote:*Im folgenden Schriftstück wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen jeglichen Geschlechts.

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