Haushaltsrede Gemeinderat Ostfildern und Stellungnahme: DIE LINKE Stadträtin Dr. Jutta Zwaschka

Dr. Jutta Zwaschka, Stadträtin der LINKEN

Haushaltsrede Gemeinderat Ostfildern, den 11.11.2020:

DIE LINKE. möchte sich für die umfassende Ausarbeitung der Haushaltssatzung und des Haushaltsplans 2021, selbst unter erschwerten Pandemie-Bedingungen, bedanken.

Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Corona-Pandemie auch in Ostfildern zugeschlagen und ihre Spuren hinterlassen. Niemand konnte 2019 damit rechnen, daß dadurch aufgrund sinkender Gewerbesteuern in der städtischen Haushaltskasse etwa 13,5 Millionen Euro fehlen und es insgesamt auf einen Fehlbetrag von ca. 14,36 Mio. Euro kommen wird.

Die „Schwarze Null“ galt lange als unantastbar, diese wurde aber vom Sockel gestoßen – weil es nicht anders geht. Schulden müssen aufgenommen werden, um Großbauprojekte und dringende Sanierungen an Schulen usw. zu finanzieren.

Das Anliegen der Generationengerechtigkeit ist zwar, daß keine neuen Schulden der nachkommenden Generation aufgebürdet werden, was momentan aber unmöglich geworden ist. Wo könnte der Rotstift angesetzt werden, um Fehlbeträge durch Streichung von Zukunfts-Investitionen zu mindern oder gar auszugleichen?

Der Neubau Sporthalle I ist dringend notwendig, und es wäre ein schlechtes Signal, diesen jetzt beispielsweise ein paar Jahre lang auf Eis zu legen, um ca. vier Millionen Euro an Investitionskosten einzusparen. Die Schüler*, Lehrer* und Sportvereine sollen zeitnah moderne und ausreichende Räume zur Verfügung haben. Sanierungen und Brandschutzmaßnahmen an mehreren Schulen sind ebenso unumgänglich wie der Breitbandausbau „weißer Flecken“, damit wir technisch nicht ins Mittelalter zurückfallen.

Gleichzeitig können kommunale Investitionen gerade jetzt, entgegen dem allgemeinen Trend, die Wirtschaft wieder ankurbeln und Arbeitsplätze sichern. Die Corona-Krise hat gezeigt, daß besonders stark Menschen davon betroffen sind, die weniger Einkommen zur Verfügung haben als der Durchschnittsbürger*. Beim homeschooling gibt es etwa Probleme wegen fehlender oder veralteter Tablets, mangelndem Geld für eine Internet-flatrate oder dem Nichtvorhandensein eines separaten Zimmers für den Schüler* zu Hause, um dem Unterricht ungestört folgen zu können. Große Unterschiede gibt es hinsichtlich der Möglichkeit der Eltern, ihre Kinder ohne den gewohnten Präsenzunterricht zu unterstützen. Zum einen entscheidet die Ausbildung der Eltern, wieviel sie ihren Kindern an Unterrichtsstoff erklären bzw. vermitteln können. Zum anderen gestaltet es sich schwierig, als Arbeitnehmer* im homeoffice immer wieder mal wegen Verständnisfragen usw. unterbrochen zu werden und selbst dabei nicht den Roten Faden zu verlieren. Die Probleme lassen sich leider lange auflisten.

Deshalb ist es wichtig, soziale Transferleistungen aufzustocken bzw. zu ergänzen, damit jeder Schüler* am online-Unterricht teilnehmen kann. Ebenso sollte virtuell Förderunterricht angeboten werden, damit diejenigen, deren Eltern sie nicht unterstützen können, Unterstützung für die Lernschwierigkeiten bekommen. Was uns durch die aktuellen Umstände wieder stärker bewußt wurde, ist die Tatsache, daß Wohlstand nichts Selbstverständliches ist und sich ziemlich schnell verringern kann. Wie sieht es z. Bsp. aus, wenn in einer Familie mit zwei Kindern ein Elternteil in Kurzarbeit gerät und später sogar den Arbeitsplatz verliert?

Da kann sich schnell der finanzielle Abgrund auftun, wenn Wohnungseigentum gekauft und die Finanzierung mit zwei vollen Gehältern durchgerechnet wurde. Die Bank wird ausfallende Kreditraten nicht lange stunden wollen und mit einem negativem Schufa-Eintrag läßt sich nur schwer eine Mietwohnung finden.

Deswegen braucht es dringend ein Planungskonzept, um den städtischen sozialen Wohnungsbau zu fördern und ein aktuelles Leerstandskataster, um gegen Zweckentfremdungen einschreiten zu können.

Um die dringlichen Klimaschutzziele zu erreichen, muß besonders der Rad- und Fußgänger*verkehr so attraktiv wie möglich gestaltet werden. Dazu gehören unter anderem ausreichend Abstellplätze für Fahräder und Fahrradboxen, genügend Sitzbänke und moderne Buswartehäuschen. Für einkommensschwache Haushalte wird angeregt, ein Sozialticket für einen Euro einzuführen. Ein Antrag hierzu wurde im letzten Haushaltjahr gestellt und abgelehnt.

Anträge Der Linken:

1. Die Verwaltung prüft, an welchen Schulen virtueller Förderunterricht benötigt wird. Der Unterricht soll ehrenamtlich stattfinden, zum Beispiel durch jeweils ältere Schüler*, Studierende oder sonstige Freiwillige.

Dafür soll eine Aufwandsentschädigung gewährt werden.

2. Die Verwaltung prüft, wie der soziale Wohnungsbau gefördert werden kann. Insbesondere bei städtischem Ankauf von bereits bebauten Grundstücken soll diesbezüglichen Investoren die Erbpacht angeboten werden, um die Gesamtkosten bei Bauerstellung zu senken.

Ebenso soll geprüft werden, im Einzellfall eine Ausnahme-Genehmigung für ein zusätzliches Stockwerk zu erteilen. Dadurch wird Fläche gespart und für den Investor wird es insgesamt rentabler.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

* Wegen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die maskuline Form verwendet, es werden aber Personen jeglichen Geschlechts angesprochen.

Stellungnahmen

Gemeinderat Ostfildern am 09.12.2020,

Sehr geehrter Herr OB Bolay,

Frau BMin Bader,

Herr BM Lechner

sowie Damen und Herren,

Vorlage 114/2020, Haushaltssatzung und -plan 2021:

Bezüglich der Finanzanträge entscheidet DIE LINKE wie folgt:

– Dem interfraktionellen Antrag der Freien Wähler und B90/Die Grünen bezüglich dem Baugebiet Nellingen-West wird zugestimmt.

– Dem Antrag von B90/Die Grünen „Schottergärten“ wird zugestimmt. Neben einem Gutschein über 200 Euro sollte auch eine Beratung für die Gestaltung mit robusten, standortgeeigneten und insektenfreundlichen Pflanzen angeboten werden.

– Dem interfraktionellen Antrag von B90/Die Grünen und der SPD „Honorarverträge Musikschule“ wird zugestimmt.

Das Leben freischaffender Künstler*innen ist immer wieder Risiken hinsichtlich der finanziellen Planung ausgesetzt, was sich jetzt während der Pandemie besonders zeigt. Die Honorare sind zumeist nicht so üppig, daß neben den allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen und Lebenshaltungskosten noch ein dickes Finanzpolster für Krisenzeiten angespart werden kann. Bei mindestens 20 % -iger Beschäftigung, also etwa einem Arbeitstag pro Woche für die örtliche kulturelle Bildung, bei Anerkennung der erfolgreichen Wettbewerbe, Aufführungen, Rahmenveranstaltungen usw. haben es sich die betroffenen Lehrkräfte sozusagen „verdient“.

– Hinsichtlich des Antrags der SPD „Investitionszuschuß Neubau Waldkindergarten“ sind weitere Informationen notwendig, z. Bsp. wie hoch der eigentliche Zuschuß sein müßte, um eine Finanzierung zu gewährleisten.

Vorlage 149/2020, Klimaschutzagentur ES:

Die Linke stimmt der Neuausrichtung der Energieagentur Landkreis Esslingen (EALKES) zur Klimaschutzagentur (KLISCHA) zu sowie den in diesem Zusammenhang erforderlichen Verträgen.

Angesichts des herrschenden Klimanotstandes und der dringend erforderlichen Maßnahmen zur Gegensteuerung benötigt der Landkreis Esslingen eine eigene Klimaschutzagentur; der Landkreis Göppingen, dem wir ein paar Jahre lang zugeteilt waren, wird mit sich selbst genug zu tun haben.

Die neue Struktur bietet die Garantie dafür, neben Privatpersonen, die bislang im Focus standen, auch Gewerbebetriebe und Kommunen zu beraten. Dadurch ergibt sich eine viel größere Aufmerksamkeit für den Klimaschutz in der Öffentlichkeit mit daraus resultierenden Maßnahmen,

z. Bsp. Sanierungen an älteren Gebäuden oder einem Energie-Check an Rathäusern, um Einsparpotentiale zu erkennen. Ebenso wird sich die KLISCHA durch Beratungsaufträge usw. zum Teil refinanzieren. Darüber hinaus wird es durch den künftigen Beirat einen bessere Vernetzung und Austausch zwischen den Beteiligten wie Kreishandwerkerschaft und Geldinstituten geben.

Da wir in Ostfildern momentan keinen eigenen Klimamanager*in haben, sind wir besonders auf diese Kooperation, Beratung und Unterstützung bei öffentlichen Aktionen sowie Förderantragsstellung usw. angewiesen.

Die gesamten Dienstleistungen kosten natürlich Geld, zu Anfang geplante mindestens 3,5 Vollzeit-Personalstellen für Fachkräfte können je nach Bedarf aufgestockt werden. Da die Kommunen jeweils Gesellschafter der KLISCHA werden, wurden Staffelbeiträge (abhängig von der Einwohner*innenzahl) berechnet. Mittelfristiges Ziel ist, je Einwohner*in einen Euro für den Klimaschutz zu investieren, um damit den Personalbestand auszubauen.

Soviel sollte uns der Klimaschutz direkt an unserem Wohnort wert sein.

Vorlage 161/2020, einmaliger Zuschuß „Foodsharing“:

Es ist eine niederschwellige und ökologische Idee, in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Scharnhausen foodsharing zu etablieren.

Damit für alle verständlich ist, was im Kühlschrank gelagert werden darf, wird angeregt das hierfür bereits gestaltete Poster mit Bildersprache ebenso am Standort aufzuhängen.

Dem Antrag der Fraktion der Freien Wähler wird zugestimmt.

Vorlage 168/2020, Feuerwehr-neuer Fahrzeug:

Dem Antrag wird zugestimmt, damit die Feuerwehr in Ostfildern zeitgemäß unterwegs ist.

Vorlage 155/2020, Flächennutzungslan 2020, 4. Teiländerung „Unter dem Plieninger Weg“:

Unter Berücksichtigung der Klimakrise und der Bodenknappheit soll der Flächennutzungsplan von Ostfildern nur sehr restriktiv geändert und unter ausreichender Beteiligung der Bevölkerung, in einem großzügigen Zeitfenster, diskutiert sowie verbindlich ausgewertet werden.

Es ist nicht zu akzeptieren, daß jetzt nachträglich noch ein Gewerbebedarf von ca. drei Hektar südlich der bereits genehmigten Baufläche „Scharnhausen West S-4/S-8“ drangehängt wird.

Damit wird man neben anderen Negativfolgen den eventuell verbliebenen paar Rebhühnern endgültig den Garaus machen.

Die umliegenden Anwohner*innen benötigen die zur Abstimmung stehenden Flächen mit Kalt- und Frischluftproduktion, um das Wohnen mit erheblichem Flug- und Verkehrslärm besser auszuhalten und sich bei Spaziergängen zu erholen. Dachbegrünungen sind daher für letzteres untauglich.

Die Attraktivität für geplante Gewerbeflächen ist die momentane Attraktivität der Wohnsituation von Anlieger*innen gegenüberzustellen, welche durch eine künftige Ausweitung des Bebauungsplans deutlich abnehmen würde.

Das Landratsamt Esslingen hat am 06.08.2020 vorgeschlagen, nach Landesbodenschutzgesetz zu prüfen, ob die geplante Flächenerweiterung tatsächlich dem Bedarf entspricht. Als Instrument dafür hat es eine „Bodenschutzkonzeption für Ostfildern“ empfohlen.

Dieses Konzept soll anhand der aufgeführten Kriterien prüfen, ob die bereits genehmigte Baufläche durch Umstrukturierung usw. doch schon ausreicht. Erst, wenn sich ergibt, daß noch Flächenbedarf besteht, soll eine Änderung des Flächennutzungsplans zur Debatte stehen.

Laut der Ausführungen der unteren Naturschutzbehörde sind noch eine abschließende artenschutzrechtliche Prüfung, eine Natura-2000-Vorprüfung und der Umweltbericht mit detaillierter Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung vorzulegen.

Es wird bemängelt, daß diese Berichte nicht jetzt schon existieren, sondern erst im Bebauungsplanverfahren vorgelegt werden sollen. Dadurch wird über eine Änderung des Flächennutzungsplans abgestimmt, ohne daß wichtige umweltbezogene Fakten bekannt sind.

DIE LINKE wird daher gegen die geplante Teiländerung, mit daraus folgendem Bebauungsplan, stimmen.