Leserbrief von Kreisrat Uli Widmann
… Leserbrief von Ulrich Widmann an den Südfünder zur skandalösen Ablehnung eines internistischen Facharztsitzes am Gesundheitszentrum in Riedlingen:
Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KAV) in Reutlingen hat Ende April in nicht-öffentlicher Sitzung einen im Dezember 2016 gestellten Antrag abgelehnt, dass am erhofften Gesundheitszentrum in und für die Raumschaft Riedlingen zwei internistische Fachärzte tätig werden dürfen. Die offizielle Begründung ist jetzt (Ende Mai) noch immer nicht eingegangen.
Mit dieser Entscheidung, so sie bestehen bleibt, sind auch die florierende chirurgische Praxis und eine geringe, aber unentbehrliche stationäre Komponente am bisherigen Krankenhaus zum Absterben verurteilt. Die Begründung der KAV: Im Bereich der Region Donau-Iller (zu der auch bayrische Gebiete zählen, darin die Ulmer Universitätskliniken und das Bundeswehrkrankenhaus, sowie die Memminger Klinik!) bestehe sogar eine Überversorgung an Fachinternisten. Und solche Entfernungen bis zu 40 km seien zumutbar!
Wem soll das „zumutbar“ sein? Einer immer älter werdenden Gesellschaft, in der familiäre Hilfen zunehmend wegfallen? Einem ländlichen Raum mit einem unzureichenden Öffentlichen Nahverkehr? Wie dumm darf man sich eigentlich stellen (oder: sein) ?
Die KAV sabotiert mit ihrer Leugnung eines „Sonderbedarfs“ in Riedlingen und ihrer formalistischen Rechnung aber nicht nur eine ausreichende Gesundheitsversorgung im ganzen westlichen Landkreis, sie greift damit auch gravierend in das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12,1 GG) ein. Mit der Zulassung, bzw. Nicht-Zulassung von Ärzten nimmt sie ja eine quasi öffentlich-rechtliche Aufgabe wahr. Diese wurde ihr durch ein Gesetz des damaligen Gesundheitsministers Seehofer (CSU) zugewiesen. Dieses Gesetz wurde aber unter ganz anderen Voraussetzungen gemacht und ist in allen Bereichen überholt, wie der Sprecher der KAV Baden-Württemberg selbst zugibt (Südfinder vom 24.5.2017).
Wer in Deutschland öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, muss sich auch öffentlicher Kontrolle stellen. Nicht-öffentliche Verhandlungen wie die der KAV sind in einem demokratischen Rechtsstaat ein Anachronismus, ja ein Skandal.
Wenn der Gesetzgeber und die anderen zuständigen Instanzen in diesem Biotop von (bestenfalls) Ignoranten nicht bald mit eisernem Besen ausmisten, dann wird es Zeit, dass die Menschen dem Ratschlag folgen, den vor einiger Zeit der frühere Sozialminister Geißler (CDU) auf dem Bussen den Bauern gegeben hat: Macht Revolution! Aber noch dürfen wir ja hoffen ….
… gerade auch im Flächenkreis Biberach ein brisantes Thema:
Sozialminister opfert Krankenhäuser dem wirtschaftlichen Nutzen
LINKE fordert mehr Geld für Pflege
und bessere Versorgung in der Fläche.
DIE LINKE Baden-Württemberg widerspricht Sozialminister Manfred Lucha bezüglich der Schließung von Krankenhäusern im Land. „Bei solchen Einschätzungen bleibt uns nur zu hoffen, dass der Herr Minister nie auf eine umfassende und flächendeckende Versorgung angewiesen ist“, so Dirk Spöri, Landessprecher der LINKEN. “Krankenhäuser müssen nicht konkurrenzfähig sein, wie es derSozialminister fordert, sondern die Gesundheitsversorgung für alle Menschen im Land decken. Schon jetzt ist die Notarztversorgung inländlichen Gebieten wie beispielsweise dem Hotzenwald eine Katastrophe. Baden-Württemberg hinkt den gesetzlichen Regelungen hinterher”, kritisiert Spöri die schon jetzt mangelhafte Versorgung in der Fläche.
DIE LINKE sieht das größte Problem in der Unterbesetzung in der Pflege, nicht in der Zahl an Krankenhäusern. Spöri dazu: “Es ist beschämend für deutsche Kliniken, dass im Schnitt auf zehn Patienten gerade mal eine Pflegekraft zur Verfügung steht, während es beispielsweise in den Niederlanden ein Quote von 1:6 gibt. Hier ist Handlungsbedarf und hierfür braucht es eine bessere Finanzierung der Krankenhäuser.” Aktuell fordert DIE LINKE deshalb bundesweit 100.000 zusätzliche Stellen für Pflegekräfte und unterstützt die Forderungen der Gewerkschaft ver.di, die in diesem Jahr eine Auseinandersetzung für mehr Personal imKrankenhaus führen wird. Infos und Unterschriftensammlung: https://www.die-linke.de/nc/100000/
Solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung
Mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung will die Fraktion DIE LINKE. für soziale Gerechtigkeit sorgen und Kranken- und Pflegeversicherung fit für die Zukunft machen:
- Eine für alle: Jeder Mensch, der in Deutschland lebt, wird Mitglied.
- Alle Einkommensarten einbeziehen: Alle, auch die heute privat Versicherten, zahlen entsprechend ihrem Einkommen aus Löhnen, Honoraren sowie Miet-, Pacht- und Kapitalerträgen in die Bürgerversicherung ein.
- Beitragsbemessungsgrenze abschaffen: Der Beitrag richtet sich damit nach der finanziellen Leistungsfähigkeit: Wer wenig hat, zahlt wenig, wer mehr hat, zahlt mehr.
- Parität herstellen: Die Arbeitgeber tragen die Hälfte der Beiträge ihrer Beschäftigten auf Löhne und Gehälter.
- Private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen: Die private Krankenversicherung wird auf Zusatzversicherungen beschränkt. Das in Europa einzigartige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird damit beendet.
- Patientinnen und Patienten entlasten: Zuzahlungen, Zusatz- und Sonderbeiträge werden abgeschafft.
Der Beitragssatz könnte laut einer unabhängigen Studie von derzeit 15,5 Prozent auf 10,5 Prozent des Einkommens sinken. Die Beiträge blieben auf Jahre hinaus stabil bei etwas über 10 Prozent. Auf Löhne und Gehälter sowie Renten müssten die Versicherten nur noch einen Anteil von 5,25 Prozent statt derzeit 8,2 Prozent zahlen.
WARUM DÜRFEN ÖKONOMEN IN UNSEREN KRANKENHÄUSERN PATIENTEN TOT SPAREN?
Aufruf zum Widerstand gegen Macht und Willkür der Krankenhaus-Ökonomen Patientenwohl statt sogenannter „Wertschöpfung“. Pflege-Notstand in unseren Krankenhäusern sofort beseitigen!
Der zentrale Begriff „Wertschöpfung“ der Ökonomen zeigt, daß es für Ökonomen bei der Behandlung kranker Mitbürger durch ihre Ärzte nicht um ein medizinisches oder soziales Problem geht oder gar um Daseinsvorsorge, sondern um die Verwertungsinteressen des Kapitals und sonst nichts; dieselbe Mentalität zeigt leider auch in öffentlichen Kliniken: 22 Frühgeborene haben sich in Europas größtem und berühmtesten Klinikum, der Berliner Charité, mit Serratien-Keimen angesteckt, sechs davon erkrankten schwer. Dazu der Berliner Klink-Hygieniker Karl Schenkel: „Um die Gefahren von Infektionen dieser Art zu mindern, braucht es vor allem deutlich mehr Personal“.Schon lange ist bekannt, dass das Infektions-Risiko durch gegenseitige Übertragung der Patienten oder Infizierung durch die Hände von Pflegepersonen auf – hinsichtlich auf Fachkräfte – unterbesetzten und /oder überfüllten Kranken-Stationen deutlich höher ist als in besser besetzten.
Mehr Personal! Das Gegenteil ist der Fall: „Charité ist aus den roten Zahlen“, „Charité schafft acht Millionen plus“ schrieben vor einiger Zeit Berliner Zeitungen.Toll !? Wie schaffen Ökonomen das? Genau so wie in der „freien Wirtschaft“: Sehr viel mehr Patienten wurden seither aufgenommen, gleichzeitig wurden 600 Stellen abgebaut. Die Diktatur der Ökonomen greift nach Bereichen der Daseinsvorsorge, die dafür wirklich gar nicht geeignet sind.
So wurden seit 2006 wurden sämtliche nicht-medizinischen Leistungen für alle Charité- Standorte in die sogenannte CFM ausgelagert ( Charité Facility Managment GmbH), die mit ca. 2700 meist unausgebildeten Mitabeiter/innen aus 42 Nationen, Niedriglöhnern (6,50 € Stundenlohn), die bezahlt werden für „Alles“ (von „Abfall“ bis „Zentralsterilisation“) – just in time – und dies funktioniert oft garnicht im Sinne der Patienten.
Die in Kliniken besonders extrem ausgeprägteHierarchie verhindert zudem einen fachlichen Austausch zwischen zwischen Ärzten und Pflegepersonal und erst recht den mit den Niedrig- löhnern der Dienstleistungen. Zusammenfassend kann man den Schluss ziehen, die Kranken- hausärzte tragen zwar die Verantwortung für ihre Patienten, Ökonomen bestimmen aber die Arbeitsbedingungen der Ärzte, ohne dass diese sich dagegen wehren (können).
Prof. Dr.med. Hans-Iko Huppertz ist zurück. Als 2011 auf der neonatologischen Intensiv- station in Bremen-Mitte drei mit einem gefährlichen Keimen (Klebsiellen) infizierte Früh-geborene gestorben waren, war der Chefarzt der Kinderklinik (Klinikum Bremen-Mitte) fristlos entlassen worden. Immer wieder hatte er die Ökonomen über die Risiken von Infektionen durch ständigen Personalabbau hingewiesen – er konnte ich damit nicht durch- setzen. Immerhin konnte geklärt werden, wer in Bremen für das Totsparen verantwortlich war – der zuständige Geschäftsführer. Ähnliches ist aus der Schweiz (Universitäts-Klinikum Bern) zu hören, wo aus ökonomischen Gründen Prof. Dr. Werner Strick, ein hoch angesehener Ordinarius für Psychiatrie, fristlos von der Spitaldirektorin entlassen wurde.
Bei gewerblich-privaten Kliniken, wie dem Universitätsklinikum Marburg-Gießen, an zahlreichen Klinikketten ( Rhön AG, Helios/ Fresenius AG u.a.) und bei aufgekauften Kassenarztsitzen und MVZ’s geht es ausschließlich um den Profit der beteiligten privaten Unternehmen und ihrer Aktionäre. Zweifellos sinken die Kosten für Bereitschaftsleistungen und Kapitalbindung durch Verbesserung der Prozessqualität, insbesondere durch eine „sorg- fältige“ Triage der Patienten nach Fallschwere, Komplexität; es gilt chronisch Kranke, Alte, Demente, weniger intelligente, daher zeitaufwendige und somit „ungeeignete“ Patienten, Obdachlose u.a. möglichst vom leistungsfähigen wertschöpfenden Krankenhaus fern zu halten! Solche „Überraschungspotentiale“ müssen frühzeitig erkannt werden. Erreicht werden kann dies zum Beispiel durch immer kürzer und knapper gehaltene Gespräche, durch weniger Aufklärung und vor allem deutlich weniger Zuwendung zu den Patienten. Die Wertschöpfung soll sich ja in jedem Fall erhöhen. Daß allein aus dem Motiv der Habgier und andereren schäbigen Interessen unser ganzes Krankenhauswesen zu Lasten von Patienten, Ärzten und dem Pflegepersonal umgebaut werden soll, findet aber mit Sicherheit nicht die Zustimmung der Mehrheit unserer Mitbürger.
Unser Gesundheitswesen und hier besonders die Krankenhäuser sind in erster Linie der Daseinsvorsorge verpflichtet und können nicht allein der „Wertschöpfung“ überantwortet werden. „Wenn die hohe intrinsische Motivation vieler Mitarbeiter im Gesundheitswesen einmal verheizt ist (Prof. Rüegg-Sturm), so könnten sich fatale Einbrüche in der Behand-lungsqualität und der Patientensicherheit ergeben“. Wie wahr. Wir rufen alle verantwor-tungsbewußten ärztliche KollegInnen und Angehöriger der Pflegeberufe dazu auf, zu verhindern, daß sich private Kapitalinteressen des gesamten Gesundheitswesens bemächtigen können. Ein erster richtiger Schritt wäre die Rekommunalisierung von Krankenhäusern und Kliniken, der Abschied vom Menschenbild des homo ökonomicus im Gesundheitswesen und die weitgehende Abschaffung der DRG’s.
Prof. Dr.med. Lothar Schuchmann, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderrheumatologe)