Erreichung und dauerhafte Erhaltung einer linken Hegemonie als mittelfristige Perspektive.

08. Februar 2018  Allgemein

Dr.Peter Behnen

Die Wahlerfolge der AFD bei allen Landtagswahlen 2015/2016 und der Bundestagswahl 2017 haben ein Schlaglicht auf die Stimmungslage breiter Bevölkerungsteile geworfen. Eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD wird auf dieser Basis mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fortsetzung der Politik der letzten Legislaturperiode bedeuten und die eingefahrene Bahn nicht verlassen. Es ist jedenfalls kein grundlegender Politikwechsel zu erwarten (1). Die mittelfristige Alternative zu dieser Politik wäre eine linkspluralistische Reformregierung aus SPD, Linkspartei und Grünen. Es ist damit zu rechnen, dass auch die Wirtschaft der Bundesrepublik auf eine abschüssige Ebene der europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklung gerät, insbesondere deshalb, weil die bisherige Politik im Grundsatz beibehalten wird. Das bedeutet politisch, dass der Bundesrepublik, als sozial zerklüftetes Land, ein weiterer verrohter Umgang in der Zivilgesellschaft bevorsteht, eine zunehmende Entleerung demokratischer Prinzipien und mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fortsetzung des Niedergangs der SPD. „Auch für eine uneinige und regierungsunfähige Partei „Die Linke“ ist unter diesen Bedingungen nicht von einem kommoden Überwintern in der Opposition auszugehen.“ (2)

Diesem Szenario steht jedoch mittelfristig die Chance einer linken Reformregierung gegenüber. Dazu bedürfte es allerdings einer Beendigung der Austeritätspolitik und einer von der Bundesrepublik ausgehenden Strukturpolitik, die zugunsten der Stabilisierung schwächerer Volkswirtschaften der Eurozone und der EU betrieben werden muss. Im Inneren der Bundesrepublik müsste eine Weichenstellung zu einem evolutionären Prozess der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umgestaltung in Richtung der Ziele eines demokratischen Sozialismus erfolgen. Dabei käme der Sozialdemokratie als stärkster Partner in einer Reformregierung eine besondere Verantwortung zu. Sie müsste über ihren immer noch wirksamen antikommunistischen Schatten springen und zusammen mit der Linkspartei den linken Flügel der Grünen stützen und dazu beitragen, die grüne Gesamtpartei in ein Reformbündnis zu integrieren. Die Linkspartei müsste es schaffen, einen tragfähigen Konsens in den eigenen Reihen zwischen Oppositionsbefürwortern und EU-Kritikern einerseits und nicht prinzipiell einen Regierungseintritt ablehnenden „Reformeuropäern“ andererseits hinzubekommen.

Die Ausgangssituation in der Bundesrepublik sieht so aus, dass weder eine klare Hegemonie für eine Fortsetzung der bisherigen Politik noch für eine grundlegende Reformalternative existiert. Es ist zwar festzustellen, dass es der bundesdeutschen Bevölkerung nach Meinung vieler Bürgerinnen und Bürger besser geht als dem Rest Europas, aber trotzdem besteht ein großes Unbehagen über die tiefgehende soziale Spaltung in der Gesellschaft. Das könnte auch ein Ansatzpunkt für einen grundlegenden Politikwechsel sein, völlig unabhängig von wahrscheinlichen Kriseneinbrüchen im Finanzsektor und produktivem Sektor (Industrie und kapitalistische Dienstleistungen). Dazu ist es notwendig, die Perspektive eines grundlegenden Politikwechsels im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Es muss die Hoffnung bestehen, dass ein solcher Politikwechsel eine Veränderung zum Besseren erbringen wird, sowohl durch die inhaltlichen Vorschläge als auch durch ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit, das den Vertretern einer neuen Politik entgegengebracht wird.
Vor diesem Hintergrund gilt es, kurz – und mittelfristige Vorschläge und Maßnahmen zu einem stimmigen Gesamtpaket zusammenzubringen. Die Einzelforderungen müssen an drängenden heutigen Problemen ansetzen und auch in kürzerer Frist realisierbar sein. Das sind zum Beispiel der Kampf gegen die Verteilungsungerechtigkeit, für die Demokratisierung der Arbeitswelt, die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen durch eine soziale Steuerreform, die Ausweitung der öffentlichen Investitionen, die Sicherung der umlagefinanzierten Sozialversicherung mit der Perspektive einer Bürgerversicherung, Fortschritte in der Wohnungsfrage, eine bessere Integration von Flüchtlingen, vorwärtstreibende Reformen in der Eurozone und EU, der Kampf gegen das internationale Wohlstandsgefälle und vieles mehr. Die Einzelforderungen müssen in ihrer Gesamtheit die Perspektive einer mittelfristigen Gesellschaftsveränderung erbringen und die kritische Schwelle für einen grundlegenden Politikwechsel überschreiten. Das Gesamtpaket muss die Forderungen zusammenfassen und die Überzeugung vermitteln, dass nur durch einen demokratischen Sozialismus eine bessere Gesellschaft entstehen kann und die Versprechen, die von Vertretern des Kapitalismus, genannt soziale Marktwirtschaft, gemacht wurden, eingelöst werden können. Der Kapitalismus ist mit dem Finanzkapitalismus und seiner jahrzehntelangen Verschlechterung der sozialen Lage an seiner Systemgrenze angekommen, die geradezu nach dem Aufbau eines demokratischen Sozialismus verlangt. Der Politikwechsel ist durch ein Bündnis von SPD, Linkspartei und Grünen zu tragen. Organisationen wie Gewerkschaften und alternative Gruppierungen verschiedenster Art, die sich dem Ziel der Demokratisierung verschrieben haben, sind in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Es geht also nicht darum, eine neue Sammlungspartei zu gründen sondern um die Herstellung eines Konsenses verschiedener Organisationen, die für den Aufbau eines demokratischen Sozialismus zu gewinnen sind und dafür kämpfen, eine politische Hegemonie zu erreichen und dann dauerhaft zu erhalten.

(1) Siehe zum Folgenden: Stephan Krüger, Soziale Ungleichheit, Hamburg 2017 S. 573ff.
(2) a.a.O. S.573