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KRITIK KAPITALISTISCHER MYTHEN 2 (1)
MYTHOS 6: DIE STEUERN SIND ZU HOCH, WÜRGEN DIE WIRSCHAFTSKRAFT AB UND UNTERGRABEN UNSERE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT.
Die Grundlage der Steuerberechnung bei der Einkommenssteuer ist das sogenannte zu versteuernden Einkommen. Es ist das Jahreseinkommen das sich ergibt, nachdem verschiedene Abzugsmöglichkeiten in Anschlag gebracht worden sind. In der Bundesrepublik wird auf das zu versteuernde Einkommen ein progressiver Steuersatz angewendet, der 2023 zwischen 0 Prozent, dem Grundfreibetrag, und dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent liegt. Wer mehr als 277.826 Euro an Einkommen im Jahr hat, muss mit 45 Prozent den Höchststeuersatz entrichten. Es gibt noch eine Anzahl anderer Steuerarten, bloß für den obigen Mythos ist die Einkommenssteuer die wichtigste Steuerart.
Zwei wichtige Kennzahlen im Steuersystem sind weiter die Staatsausgabenquote und die Abgabenquote. Die Staatsausgabenquote setzt die gesamten öffentlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden in ein Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Abgabenquote gibt an, welchen Anteil der inländischen Produktion der öffentliche Sektor in Form von Steuern und Sozialabgaben vereinnahmt, um damit sein Angebot an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen zu finanzieren bzw. Einkommen umzuverteilen. Es besteht in der neokonservativen Politik das Bestreben, die Abgabequote zu senken. Wenn das realisiert werden soll, müssten an anderer Stelle Einnahmen erhöht werden, zum Beispiel staatliche Gebühren, oder zusätzliche Staatsverschuldung betrieben werden. Beides ist problematisch, Gebühren gehen überdurchschnittlich zu Lasten niedriger Einkommen und hohe Zinszahlungen zu Lasten des Staatshaushaltes. Insgesamt ist auf die negativen sozial- und beschäftigungspolitischen Effekte hinzuweisen, wenn ein Nulldefizit angestrebt wird. Die Senkung der Abgabenquote wird in der Regel gefordert, um einer Umverteilung nach oben zum Durchbruch zu verhelfen, andernfalls, so argumentieren Vertreter der Kapitalseite, sei damit zu rechnen, dass Kapital und Vermögen ins steuergünstige Ausland verlegt werden.
Programme und Aussagen von politischen Parteien sind immer danach zu beurteilen, in welchen Formen Veränderungen der Abgabequoten vorgenommen werden sollen. Zumeist werden die Vorschläge mit dem Wirtschaftswachstum in Verbindung gebracht. Eine hohe Abgabenquote wird von der Kapitalseite und ihren Verbündeten in den Parteien behauptet, führe in der Regel zur Senkung des Wirtschaftswachstums. Weiter gefährde eine hohe Abgabenquote die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf internationalen Märkten. Wenn dem wirklich so wäre, dann müssten im Umkehrschluss Länder mit niedrigen Abgabequoten, wie zum Beispiel in Afrika, eine hohe Wettbewerbsfähigkeit besitzen. In manchen Lehrbüchern der Ökonomie wird die These vertreten, dass Abgaben oberhalb eines „kritischen Punktes“ das Wirtschaftswachstum beeinträchtigten. Das ist theoretisch sehr umstritten, und es ist empirisch kaum möglich eine optimale Abgabenquote zu ermitteln. Auch ein einfacher internationaler Vergleich zeigt, dass kein eindeutiger Zusammenhang von Abgabenhöhe und Wirtschaftswachstum besteht. Skandinavische Länder und auch Frankreich haben höhere Abgabequoten bei gutem Wirtschaftswachstum, während Japan und die Schweiz eher schleppende Wachstumsraten aufwiesen.
Spielraum für Abgabenerhöhungen bestehen vor allem bei Vermögenden und Unternehmen, deren Beitrag zum Steueraufkommen in der Regel unterdurchschnittlich hoch ist. Zum Schluss ist anzumerken, dass in Deutschland seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird und das Gesamtaufkommen aus Grundsteuern im Bagatellbereich liegt. Das Immobilieneigentum ist sehr ungleich verteilt, was jüngst das Bundesverfassungsgericht kritisiert und eine stärkere Besteuerung des Immobilienvermögens verlangt hat, Aus linker Sicht wäre eine Steuerpolitik, die die ungleichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse angeht, ein wichtiger Schritt um Schritt für Schritt die private Kapitalverwertung als Grundlage des Wirtschaftens zurückzudrängen.
MYTHOS 7: DIE PRIVATISIERUNG VON ÖFFENTLICHEN GÜTERN UND DIENSTLEISTUNGEN IST NOTWENDIG. PRIVATE KONNEN DIE AUFGABEN BESSER ERLEDIGEN.
Seit vielen Jahren finden in verschiedenen Ländern Europas eine Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen statt. Insbesondere die öffentliche Infrastruktur wie zum Beispiel die Wasserversorgung, die Bundesbahn, die Energieversorgung, die Telekommunikation, das Postwesen und der öffentliche Nahverkehr ist davon betroffen. Da ist neoliberales Denken am Werk, es ist allerdings nicht nachweisbar, dass nun eine höhere Effizienz der Dienste gegeben ist. Die Telekom wird häufig als gelungenes Beispiel der Transformation angegeben, allerdings bleibt offen, ob die Einführung von Wettbewerb oder die technologische Umwälzung maßgebend gewesen sind.
Die praktische Erfahrung mit der Liberalisierung und Privatisierung im Bereich Strom, Gas und Bundesbahn zeigt ein durchwachsendes Bild, es sind mehr Nachteile als Vorteile festzustellen. Die Strompreise für Industriekunden sind häufig gesunken die für Privatkunden weniger. Verloren haben definitiv viele Beschäftigte im Energiesektor, die ihren Arbeitsplatz verloren haben. Gesunken sind ebenfalls nicht selten die Investitionen, was auf lange Sicht die Versorgungssicherheit tangiert. Problematisch ist auch die starke Konzentration im Energiesektor mit der Gefahr, dass sich monopolartige Strukturen herausbilden, die sich der politischen Kontrolle entziehen.
Die Liberalisierung der Postdienste hat ebenfalls dazu geführt, dass die Beschäftigung in diesem Sektor gesunken ist. Der Beschäftigungsabbau konnte nicht ausgeglichen werden durch alternative Postdienste mit Kurierdiensten. Außerdem wurde das Poststellennetz massiv ausgedünnt und die Postdienste nebenbei in Kiosken oder auch großen Märkten erledigt.
Häufig wurden kommunale Dienstleistungen an private Anbieter übertragen. Vor allem wegen der Finanznöte der Gemeinden wurde dieser Weg gewählt. Wenn es um die Vertragsgestaltung mit großen Konzernen geht, wurden die Vertragsbedingungen den Gemeinden meistens von den Konzernen diktiert. Im Endeffekt bedeuten Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen, dass das Gewinnstreben auch hier zum dominierenden Prinzip wird. Dadurch geraten öffentliche Zielsetzungen ins Hintertreffen und das flächendeckende Angebot und die Versorgungssicherheit werden in Frage gestellt.
MYTHOS 8: DIE ÜBERALTERUNG DER GESELLSCHAFT FÜHRT DAZU; DASS DER WOHLFAHRTSSTAAT NICHT MEHR FINANZIERBAR IST.
Diese Befürchtung wird häufig als das zentrale demografische Problem angegeben. Experten erwarten einen immer größeren Anteil älterer Menschen an der gesamtdeutschen Bevölkerung. Bis 2070 werde das Lebensalter der Frauen zwischen 86 und 90 Jahren liegen und bei Männern zwischen 82 und 86 Jahren. Andererseits drohe die Zahl der Personen im erwerbstätigen Alter, also zwischen 20 und 66 Jahren, zu sinken. Daraus wird der Schluss gezogen, dass der Sozialstaat das Problem nicht mehr lösen könne.
Dagegen ist einzuwenden, dass demografische Prognosen mit einem zeitlichen Horizont von mehr als 50 Jahren mit großer Vorsicht zu genießen sind. Neben der Zahl der Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen sind besonders Einwanderungswellen hier von großer Bedeutung. Ferner ist die Konzentration auf das zahlenmäßige Verhältnis von Jungen und Alten irreführend. Es wird nicht gesehen, dass einerseits nicht alle Erwerbstätigen einer Lohnarbeit nachgehen und auch die niedrigere Geburtenrate eine finanzielle Entlastung des Staatshaushaltes zur Folge hat. Während Ausgaben für Renten und Pensionen steigen, sinken die volkswirtschaftlichen Aufwendungen für Kinder, wenn an der bisherigen Politik festgehalten wird. Weiterhin liegt aufgrund der langanhaltenden Arbeitslosigkeit im Lande ein Potenzial an Beitragszahlungen und Steuerzahlungen für das Sozialsystem brach. Für die Finanzierung des Sozialsystems bzw. Rentensystems kommt es also weniger auf das Zahlenverhältnis von Jung und Alt, also die Demografie, an, sondern darauf, ob in der Volkswirtschaft genügend Einkommen erzielt werden, vor allem in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, um die Sozialleistungen zu finanzieren. Angesichts langanhaltender Arbeitslosigkeit könnten bei entschlossener Bekämpfung der Arbeitslosigkeit viel mehr Beiträge zur Finanzierung sozialer Leistungen erbracht werden. Alle alternden Gesellschaften Europas besitzen ein Potential von Arbeitskräften, das zur Zeit ungenutzt ist. Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen könnten zum Beispiel eine deutliche Erhöhung der Frauenerwerbsquote bewirken. Des Weiteren ist der Anteil von Zuwanderung erhöhbar, wenn die betroffenen Menschen auf dem legalen Arbeitsmarkt zugelassen würden. Das ist insoweit ein zweischneidiges Schwert, weil die Betroffenen zwar unser Gesellschaft Nutzen bringen, aber andererseits ihren Herkunftsländern fehlten, wenn diesen Ländern eine ökonomische Perspektive gegeben würde.
Dass ausreichend Menschen Arbeitseinkommen erwirtschaften ist allerdings nicht der einzige Faktor, um einen Sozialstaat zu finanzieren. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Höhe ihres Einkommens. Das hängt auch mit der Entwicklung der Produktivität der Arbeit zusammen. Es wurde prognostiziert, dass in den nächsten 40 Jahren das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf massiv steigen wird wegen der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Das würde bedeuten, dass der gesellschaftliche Wohlstand steigen würde, selbst wenn es keine höhere Einwanderung und Geburtenrate geben wird. Auch die befürchtete zunehmende Verlagerung der Wirtschaftsaktivitäten in den Dienstleistungssektor werde zwar die Produktivität dämpfen, könne aber in Grenzen gehalten werden. Sofern die Lohnabhängigen den Fortschritt der Arbeitsproduktivität durch Lohnsteigerungen vergolten bekommen, können auch von dieser Seite her mehr soziale Leistungen finanziert werden.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht auch andere Quellen, allen voran Kapitalerträge, zur Finanzierung des Sozialstaats herangezogen werden müssen. Da geht es dann um die Verteilung von Einkommen und Vermögen in der kapitalistischen Gesellschaft, die es massiv im Sinne der Lohnabhängigen und EmpfängerInnen von Renten und Sozialleistungen zu verändern gilt. Man stößt somit immer wieder auf die private Kapitalverwertung als Hemmschuh der sozialen Entwicklung, so dass das Demografie-Argument letztlich als Argument gesehen werden muss, die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus zu verschleiern.
MYTHOS 9: DIE PRIVATE ALTERSVORSORGE IST SICHERER ALS DIE STAATLICHE RENTE.
Durch das Demografie-Argument werden auch Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus verschleiert, denn es wurde häufig die These vertreten, der Wohlfahrtsstaat sei aus demografischen Gründen auf Dauer nicht finanzierbar. Es wird deswegen vornehmlich von der Kapitalseite als Lösung des Problems die private Altersvorsorge ins Spiel gebracht. Es wird behauptet, dass Versicherte ihre Rente selbst finanzieren könnten. Dabei überdecken finanztechnische Überlegungen die realen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse.
Die Frage ist also, ob Rentner mehr Geld mit einer kapitalgedeckten Vorsorge zur Verfügung hätten? Dazu einige Ausführungen zum Umlagesystem und der kapitalgedeckten Vorsorge.
Die meisten Länder in Europa wenden das Umlagesystem an. In dem System werden Beiträge der meisten aktuell Beschäftigten an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt, um damit heutige Renten zu finanzieren. Die Beitragszahler heute erwerben damit den Anspruch auf eine eigene Altersrente in der Zukunft (Generationenvertrag). Probleme des Umlageverfahrens ergeben sich vor allem dann, wenn Arbeitslosigkeit und eine schwache Einkommensentwicklung die gesetzliche Rentenversicherung in Finanzprobleme bringen. Das sind gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, die es heute entschlossen zu bekämpfen gilt.
Die private Vorsorge setzt dagegen auf Versicherungsprämien an Versicherungsunternehmen und Kapitalanlagegesellschaften, die das Geld vornehmlich in Aktien, Anleihen oder Immobilien anlegen. Auf dieser Basis soll dann von ihnen später die Altersrente aus den Zuwächsen der Anlagen gezahlt werden. Diese Form der Altersvorsorge ist jedoch mit vielen Risiken verbunden, die mit der Entwicklung des Kapitalismus und der Finanzmärkte zusammenhängen. Man kann dem Risiko noch weniger entgehen, wenn die Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften Aktien und Anleihen im Ausland erwerben, aus Profitgründen versteht sich.
Die Werbestrategen der Kapitalanlagegesellschaften preisen die private Vorsorge, die sich allerdings viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht leisten können. Die Menschen mit niedrigem Einkommen im Kapitalismus heute können nur geringe und vielfach keine Ersparnisse bilden. Private Vorsorge ist somit etwas für Besserverdienende und Spitzenverdiener, die allerdings auch in ein tiefes Loch fallen, wenn eine Krise auf den Finanzmärkten zuschlägt. Erfahrungen anderer Länder, die auf die Kapitaldeckung für die Bevölkerungsmehrheit gesetzt haben, haben gezeigt, dass am Schluss eine soziale Katastrophe stand. Beispiele dafür waren viele Menschen in den USA und auch in verschiedenen lateinamerikanischen Staaten, zum Beispiel in Chile.
Gegen private Vorsorge spricht auch, dass damit hohe Verwaltungskosten verbunden sind und vor allem das Ziel der Kapitalanlagegesellschaften, hohen Profit zu erzielen. Das Risiko der Kapitalanlagen der Rentnerinnen und Rentner übernehmen letztlich nicht die Gesellschaften, sondern die Versicherten selbst. Die Konsequenz der privaten Vorsorge sind eventuell die Altersarmut der Versicherten und gesamtgesellschaftlich eine Zunahme der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Auch hier gilt: Im Alter wird soziale Sicherheit nicht durch private Vorsorge erreicht. Es ist notwendig, Schritt für Schritt die private Kapitalverwertung als Prinzip des Wirtschaftens zurückzudrängen, wenn eine Gesellschaft erreicht werden soll, in der auch alte Menschen in Zukunft ohne Armut und soziale Unsicherheit leben können.
MYTHOS 10: DAS GESUNDHEITSWESEN BRAUCHT MEHR MARKTWITSCHAFT.
Das Gesundheitswesen hat in den letzten Jahrzehnten sehr hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Die Gründe für diese Entwicklung können sein:
1.Der technische Fortschritt in der Medizin
- Höhere Ansprüche der PatientInnen
- Alternde Gesellschaft mit mehr medizinischem Bedarf
Als Vorschlag zur besseren Finanzierung und Ausstattung des Gesundheitswesens wird häufig die Forderung erhoben, hier mehr marktwirtschaftliche Strukturen zu schaffen. Dem widerspricht allerdings, dass gerade jene Staaten, die sich für ihre Marktwirtschaft im Gesundheitswesen rühmen, die Staaten mit den höchsten Ausgaben im Gesundheitssektor sind. Die Länder mit Pflichtversicherungen bei einer gesetzlichen Krankenkasse oder nationalen Gesundheitsdiensten bemühen sich dagegen, ein im wesentlichen einheitlichen Leistungsniveau bei Gesundheitsleistungen zu erbringen. Das Niveau wird auf mehr oder weniger demokratische Weise festgelegt durch Verhandlungen zwischen Leistungsanbietern, Patientenvertretungen, gesetzlichen Krankenkassen und staatlichen Behörden. Das kommt in der Regel kostengünstiger als die uneinheitliche Gesundheitsversorgung mit entsprechenden Spitzenversorgungen und Spitzenkosten für Privatpatienten.
Die Frage ist also: Wie kann das Gesundheitswesen effizient, kostengünstig und sozial gestaltet werden?
Die Pflichtversicherungen sind den Marktwirtschaftlern ein Dorn im Auge. Klar ist allerdings, dass der Wettbewerb zwischen einzelnen Versicherungen in der Regel teurer kommt als Pflichtversicherungen bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Kosten des Wettbewerbs wie Werbung und Marketing führen dazu, dass pro Versicherten hohe Verwaltungskosten entstehen. Es kommt zu einer Differenzierung bei Versicherungen, bestimmte Versicherungen ziehen gute Risiken an sich (Junge, Gesunde mit gutem Einkommen), während schlechte Risiken (Alte, Kranke und Arme) in der Regel bei AOKs verbleiben. Das ist Klassenmedizin, die zudem noch viel kostet.
Marktwirtschaftler meinen, durch Selbstbehalte der Versicherten käme es auch zu effizienterem Verhalten der PatientInnen. Die Realität zeigt aber, dass das keine effiziente Lösung ist. Der Gesundheitsmarkt ist ein Anbietermarkt, das heißt, Ärzte und Ärztinnen entscheiden über die Sinnhaftigkeit einer Leistung und sind bestrebt, gut dotierte Leistungen zu verkaufen. Auch die Pharmaindustrie trägt nicht zur Kostensenkung bei, hohe Preise werden mit Forschung und Entwicklung begründet. Auch hier gilt, dass die Pharmaindustrie mit ihren hohen Profiten weniger in Grundlagenforschung investiert und dafür mehr in Marketing und Vertrieb.
Es soll zwar nicht bestritten werden, dass es im Gesundheitswesen Potenziale der Effizienzsteigerung gibt, das hat aber weniger mit Wettbewerb zu tun. Wirklich wichtig wären Strukturreformen im Gesundheitswesen:
1.Die Ausweitung der Funktionen von Hausärzten könnte verhindern, dass PatientInnen unnötig lange bei Fachärzten festgehalten werden.
- Es sollte mehr Anreize für Ärzte geben, kostengünstig, effizient und nachhaltig zu agieren.
- Schnell erreichbare Krankenhäuser zur Grundversorgung und Schaffung von Kompetenzkrankenhäusern für Spezialbehandlungen.
- Eine einheitliche Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens um Doppelgleisigkeit und Abschiebung von Verantwortung zu vermeiden.
- Zurückdrängung privater Krankenhäuser, die auf Gewinnorientierung setzen und besondere staatliche Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens allgemein und öffentlicher Krankenhäuser im Besonderen.
(1) Die Grundlage des Vortrages zu den Mythen des Kapitalismus bildet folgender Text: Beigewum, Mythen der Ökonomie, VSA-Verlag, Hamburg 2005.