- PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG
DIE LINKE VOR EINEM NEUANFANG?
Seit der Gründung der Partei BSW im Januar 2024 ist für jeden Beobachter klar geworden, dass unsere Partei gespalten ist. Michael Brie weist allerdings darauf hin, dass die Vorstellung, die Partei DIE LINKE habe nun alle Probleme gelöst, in die Irre führe (1). Viele Parteimitgliederinnen und Parteimitglieder seien weiterhin unsicher, ob unsere Partei noch ihre politische Heimat bleiben könne. Unserer Partei stehe die eigentliche Bewährungsprobe noch bevor. Zur Erinnerung verfolgt Michael Brie noch einmal die verschiedenen Etappen, die zur Spaltung unserer Partei geführt hätten.
1.Der erste bedeutende Konflikt sei durch die Forderung von Teilen der Partei angesichts der Zunahme der Migration 2015 entstanden, die Grenzen offen zu halten. Den Gegenpol bildeten schon damals Sahra Wagenknecht und ihre Anhängerschaft, denen nationalistische Ressentiments nicht fremd gewesen seien. „Der reale gesellschaftliche Konflikt, der die große Mehrheit der Bevölkerung umtrieb, wurde in der Partei DIE LINKE zum falschen Gegensatz.“(2) Michael Brie stellt fest, dass der Widerstand gegen offene Grenzen insbesondere von dem Teil der Lohnabhängigen gekommen sei, der schlechter gestellt sei, also von der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen besonders betroffen sei. „Diese Mehrheit der Lohnabhängigen ist insofern ausgesprochen klassenbewusst, weil sie weiß, was die Hauptwaffe der herrschenden Klassen gegen sie ist: die Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, beim Bezug von Sozialleistungen, bei der Sicherung guter Bildung für ihre Kinder.“ (3) Diese Form des Klassenbewusstseins versuche die AFD autoritär und nationalistisch zu drehen, könne aber auch solidarisch nach links gewendet werden. So begann die die Spaltung der Linken und für Michael Brie ist damit klar, dass unsere Partei bei den wichtigsten Großkonflikten nach der Eurokrise völlig versagt habe.
- Die endgültige Spaltung der Linken erfolgte nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Jahre 2022. Unsere Parteiführung habe sehr schnell die These vertreten, dieser Krieg sei seinem Wesen nach ein „verbrecherischer Angriffskrieg Russlands.“ In der Folge sei eine Kritik an der Aufrüstung der Nato, der EU und eine Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine schwer durchsetzbar gewesen. „ Als Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht für Februar 2023 eine Demonstration vor dem Brandenburger Tor anmeldeten, um gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für sofortige Verhandlungen einzutreten, wurden sie in einer beispiellosen Kampagne aus Teilen der Führung der Linken beschuldigt…in Gestalt einer „ Querfront“ gemeinsame Sache mit Faschisten zu machen.“ (4) Michael Brie weist darauf hin, dass der Ukraine-Krieg nicht ohne die Ostexpansion der Nato zu verstehen sei. Schon 1997 hätten führende Sicherheitsexperten der USA, unter anderen Robert McNamara, vor einer Osterweiterung gewarnt und die Sicherheit Europas gefährdet gesehen. Es ging und geht nach Michael Brie beim Ukraine-Krieg um eine reine Hegemoniepolitik sowohl vom Westen, insbesondere der USA, als auch Russlands. Die Linke müsse begreifen, dass die Hegemoniepolitik der USA nicht zu unterstützen sei, wenn man die heutigen Konflikte angehen wolle.
3.Michael Brie fällt auf, dass das Wort Sozialismus im Europawahlprogramm der Partei auf 96 Seiten nur zweimal vorkomme. Im Gegensatz zum Programm der neuen Partei Die Linke im Jahre 2011 sei heute das Ziel des demokratischen Sozialismus völlig in den Hintergrund getreten. Obwohl Wählerinnen und Wähler mit einem geringen Einkommen zu 27% bereit wären, die Linke zu wählen, schaffe es die Partei Die Linke nicht, dieses Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Hauptursache dafür sei ihr Versagen in allen Großkonflikten und ihr Unvermögen, die ungeheure Unzufriedenheit gegen die herrschende Politik glaubwürdig zu repräsentieren. Es komme darauf an, die Interessen der Lohnabhängigen als Ausgangspunkt und Anker zu betrachten. Es gelte „glaubwürdig den Grundkonflikt mit den Herrschaftsverhältnissen im Kapitalismus und Imperialismus auszudrücken und den Sozialismus als Orientierung in die alltägliche politische Arbeit einzubauen.“ (5)
Aus meiner Sicht ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass ein generelles Unbehagen mit der sozialen Ungleichheit häufig mit relativer Zufriedenheit mit der eigenen Lage verbunden wird. Christoph Lieber nennt das den Meritokratieglauben, das ist der Glaube an die Leistungsgesellschaft. „ Die strategische Herausforderung für alle linken Strömungen in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung ist mithin: Wie umgehen mit dem Zusammenhang von Meritokratieglauben und Sozialstaats- und Demokratieskepsis.“ (6) Diesen Glauben größerer Bevölkerungsteile gilt es mit vereinter Kraft zurückzudrängen und der Annäherung von Sozialdemokratie und Sozialisten offensiv anzugehen. Dazu gehört auch, Verdrehungen im alltäglichen Bewusstsein, wie zum Beispiel wir seien eine Leistungsgesellschaft, in einer kritischen Diskussion zu begegnen. Dazu Christoph Lieber:
„Mit ihrer Respektkampagne war die Sozialdemokratie schon auf einem guten Weg, die meritokratische Ordnung in Richtung sozialer Gerechtigkeit für ungleiche Individuen zu überwinden.“ (7) Bei der BSW muss sich jedoch noch zeigen, wieweit sie die Zugeständnisse an das kleinbürgerliche Bewusstsein von Teilen der Mittelschichten mit der Akzeptanz von Vorurteilen und Ressentiments noch unterstützen will.
Wir von der Partei DIE LINKE sollten uns nicht an der Verbreitung von Vorurteilen und Ressentiments beteiligen. Wir gehen nicht vom Traum einer fairen Marktwirtschaft aus und halten auch kein Plädoyer für den Mittelstand. Wir sollten diese Gesellschaft in Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern als Kapitalismus darstellen, der auf der Aneignung unbezahlter Mehrarbeit beruht und nicht auf dem Betrug von Monopolen und Oligarchen. Wir sollten kurz die Grundstruktur des Kapitalismus und damit den Kreislauf des Kapitals vor Augen führen und auch aufzeigen, dass die Produktion des Mehrwertes nicht unmittelbar erkannt werden kann. Das hat seinen Grund in der Form des Arbeitslohnes, der die Illusion hervorruft, alle Arbeit sei durch den Lohn vergütet worden. Nur so kann die Vorstellung entstehen, die Wertschöpfung gehe auf die Beiträge der Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Boden zurück. Im Gegensatz dazu sollten wir die Arbeit als allein wertschöpfend darstellen, Kapital (Maschinen und Rohstoffe) und Boden als Produktionsmittel. Wenn das alles nicht gesehen wird, ist es nicht mehr weit zur Konstruktion romantisch-reaktionärer Vorurteile, u.a. zur Verherrlichung der sogenannten sozialen Marktwirtschaft bei Sahra Wagenknecht und der Partei BSW.
Konsequenz für unsere Politik:
Es gilt jeden, auch kleinen, Schritt zu unterstützen, der dazu beiträgt, die private Kapitalverwertung zurückzudrängen und die Rechtsstellung der Lohnabhängigen zu verbessern. Das sollte verbunden werden mit der Zielvorstellung, dass es auf Dauer darum gehen muss eine Wirtschaftsordnung zu entwickeln, die nicht auf der privaten Kapitalverwertung basiert.
(1)Siehe Michael Brie: Linksliberal oder dezidiert sozialistisch? Zeitschrift Sozialismus Heft 3/2024 S.10-13
(2) a.a.O. S.11
(3) a.a.O. S.11
(4) a.a.O. S.11
(5) a.a.O. S.13
(6) Christoph Lieber: BSW und Spaltung als Methode politischer Arbeit? Zeitschrift Sozialismus Heft 3/2024 S.17
(7) a.a.O. S.17