Allgemein

Wie geht es weiter mit Corona?

06. April 2021  Allgemein

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

WIE GEHT ES WEITER NACH CORONA? (1)
Die Covid-19-Pandemie hat die meisten kapitalistischen Staaten voll im Griff. Die beteiligten Regierungen greifen auf den öffentlichen Kredit zurück, um Unternehmen und private Haushalte zu stützen. Es entwickelten sich Schuldenstände von Staat, Unternehmen und Haushalte weit über denen, die sich schon vor der Pandemie entwickelt hatten. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse des Staates musste inzwischen ausgesetzt werden. Das war notwendig geworden, um den rasanten Einbruch bei der Wirtschaftsleistung zumindest abzufedern. Die Diskussion über das Für und Wider der Schuldenbremse ist inzwischen in vollem Gange. Festzuhalten ist allerdings, dass die Quote der Gesamtverschuldung der Bundesrepublik, das ist das Verhältnis der Gesamtverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt, im Vergleich zu anderen Ländern immer noch eher gering ist. Trotzdem entsteht die Frage, ob „der verstärkte Rückgriff auf die Instrumente der öffentlichen Verschuldung kurzfristig eine Bedrohung für das Zinsniveau oder gar die Stabilität der Finanzmärkte (darstellt P.B.)“ (2) Die Mehrheit der Experten verneint die Frage, aber es darf nicht übersehen werden, dass die Risiken dieser Politik nicht gering sind. Das gilt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und ihre Beschäftigten. Die Betroffenheit von der Corona-Krise ist im Euroraum und auch national durchaus unterschiedlich. Finanzminister Scholz weist für die Bundesrepublik darauf hin, dass am Ende des Jahres die Schuldenquote von allen G7- Staaten die niedrigste sei. Ebenso wie er erklärte auch die neue US-Finanzministerin Janet Yellen, dass es zu der augenblicklichen Schuldenpolitik keine wirkliche Alternative gebe. Wenn man durch die Pandemie gekommen sei, gehe es darum, die Wirtschaft umzubauen und massive Investitionen in die Infrastruktur, ins Gesundheitswesen und Verkehrswesen sowie in eine alternative Energieversorgung durchzuführen. Dazu sei eine gerechte Steuerpolitik unbedingt notwendig. Die Alternative wäre die Rückkehr zu einer neoliberalen Politik des Sparens zu Lasten der Lohnabhängigen und SozialleistungsempfängerInnen.
Trotzdem wird der Schuldenabbau unter Verweis auf die Zeit nach dem 2.Weltkrieg nicht ähnlich verlaufen können. Ein Schuldenabbau damals basierte auf einem starken ökonomischen Wachstumsprozess. Im Gegensatz dazu haben wir heute eine Ökonomie, die zwar sehr viel weiter entwickelt ist, aber inzwischen durch geringe Wachstumsraten der Kapitalakkumulation und Produktivitätsfortschritte gekennzeichnet ist. Das liegt daran, dass wir uns an der Systemgrenze dieser Wirtschaftsordnung befinden. Es gelingt nicht mehr, den systembedingten tendenziellen Rückgang der gesellschaftlichen Profitrate (Profitsumme/eingesetztem Kapital) durch eine Steigerung der Profitmasse zu kompensieren oder zu überkompensieren. Das führt viele Kapitalanleger auf die Bahn der Abenteurer, die sich erhoffen, durch Spekulation an den Finanzmärkten und Immobilienmärkten dem Untergang ihres Kapitals zu entgehen mit der Gefahr des Zusammenbruchs dieser Märkte (3). Notwendig wäre heute eine Transformation der Wirtschaftsordnung in Richtung einer sozial-ökologischen Veränderung. Investitionen in Bereiche „die langfristig positiven Rahmenbedingungen für eine sozialökologische Wertschöpfung bringen- etwa Bildung, Forschung, klimaneutrale Energie und Verkehrsnetze“ (4) sind angesagt. Das verweist allerdings auf eine demokratische Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung. Linke Politik muss immer wieder darauf hinweisen, dass ökonomische, soziale und ökologische Fortschritte nachhaltig nur im Rahmen einer Wirtschaftsordnung, die die private Profitorientierung und das private Eigentum an den Produktionsmitteln zurückdrängt, möglich sein werden. Es gilt somit kurz-und mittelfristige Maßnahmen mit einer Orientierung auf ein grundsätzlich anderes Gesellschaftsmodell zu verbinden.
(1)Der Aufsatz beruht in wesentlichen Teilen auf dem Aufsatz von Joachim Bischoff: Schulden-Tsunami aufgrund von Corona? Zeitschrift Sozialismus 4/2021, S.7-13.
(2) a.a.O. S.9
(3) Siehe Dr. Peter Behnen: Die chronische Überakkumulationkrise, Internetseite der Freiburger Linken, Aufsatz vom 30.4.2020, www.die-linke-freiburg.de
(4) Joachim Bischoff a.a.O. S.13

Die Freiburger Diskurse und die Staatsverschuldung.

15. März 2021  Allgemein

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

DIE FREIBURGER DISKURSE UND DIE VERSCHULDUNG DES STAATES.
Die Freiburger Diskurse e.V. haben im März 2021 ein Webinar zu dem Thema Staatsverschuldung veranstaltet. Eingeladen waren die Wirtschaftsprofessoren Prinz und Beck sowie die Vertreter der Modern Monetary Theory (MMT) Steinhardt und Paetz. Die Moderation hatte Heinrich Roeder von den Freiburger Diskursen übernommen. Insgesamt muss gesagt werden, dass das Webinar zu einem Insidergespräch von Experten auszuarten drohte, mit wenig Erkenntnismöglichkeiten für Nichtökonomen. Heinrich Roeder ist allerdings zugute zu halten, dass er ab und zu versuchte, das Gespräch in eine allgemeinverständliche Richtung zu lenken.
Die zentrale These der MMT-Vertreter war, dass ein Staat in einer Fremdwährung zahlungsunfähig werden könnte (Originalton Pleite gehen) aber nicht in der eigenen Währung. Das heißt, dass dem Staat bei seinen Staatsausgaben und seiner Verschuldung in eigener Währung keine Grenzen gesetzt seien. Im Ernstfall wäre die Zentralbank in der Lage und auch Willens den Staat unbegrenzt mit finanziellen Mitteln zu versorgen, um die Existenz des Staates nicht zu gefährden. Dieser These wurde von Prof. Prinz und auch Prof. Beck widersprochen, indem beide darauf hinwiesen, dass in den USA bestimmte Teilstaaten durchaus zahlungsunfähig geworden seien und die Zentralbank (FED) nicht eingesprungen sei. Wichtig in der Diskussion war außerdem, dass insbesondere Prof. Prinz auf Rückwirkungen einer unbegrenzten Ausgaben- und Verschuldungspolitik des Staates auf den Wirtschaftsprozess hingewiesen hat. Inflationäre Entwicklungen seien dann möglich, wenn Kapazitätsgrenzen des realen Sektors (Industrie und Dienstleistungen) und auch institutionelle Grenzen durch die Staatsverschuldung überschritten würden. Dem stimmte Prof. Beck zu und bezeichnete die MMT als stinknormalen Keynesianismus und nicht als eine neue revolutionäres Theorierichtung. Richtig ist allerdings der Einwurf von Steinhardt, dass der Euroraum augenblicklich eher mit deflationären Tendenzen als mir inflationären Problemen zu schaffen habe. Einig waren sich alle Diskutanten, dass zu einer erfolgreichen Krisenbekämpfung kein Systemwechsel also keine Abwendung vom Kapitalismus notwendig sei.
An dieser Stelle setzt der marxistische Ansatz einen deutlichen Kontrapunkt. Im Rahmen der Marxschen Theorie wird von der warenproduzierenden kapitalistischen Gesellschaft ausgegangen mit dem Geld als Fundamentalkategorie. Es wird der Weg von der Geldware Gold, über das konvertierbare Repräsentativgeld mit Golddeckung bis zum heutigen inkonvertiblen Zentralbankgeld und Buchgeld bei Zentralbanken und Banken nachgezeichnet. Dieser Weg muss in verständlicher Form dargestellt werden. Im Gegensatz zur MMT und auch den Diskutanten der Freiburger Diskurse ist Geld nicht einfach als Kreation des Staates aufzufassen, sondern es ist aus der Warenproduktion und Warenzirkulation abzuleiten und erhält erst im Laufe der Geschichte seine staatliche Befestigung. Da die Vertreter der MMT und auch die Wirtschaftsprofessoren diesen Weg nicht beschreiten, können sie erklären, dass der Staat und die Zentralbanken mit ihrer Fiskal- und Geldpolitik den Kapitalismus nach Belieben und umfassend steuern können. Marxisten stellen dagegen dar, dass die Grundlage der staatlichen Politik und der Geldpolitik der Zentralbanken die Gesetze der privaten Kaptalverwertung sind und dass im Zuge einer tiefen Wirtschaftskrise ein katastrophaler Zusammenbruch des Geld- und Währungssystems möglich ist und eine Zerstörung der Funktion der Zentralbanken als „Lender of last resort.“ Es würde dann keine Verschuldungspolitik mehr möglich sein und die beteiligten Nationen drohten in eine Barbarei zu versinken. Eine schrittweise Abkehr von den Gesetzen der privaten Kapitalverwertung ist deswegen notwendig, ein Weg, den die Diskutanten gar nicht im Fokus haben, weil sie den Zusammenhang von realem Sektor (Mehrwertproduktion) und dem Finanzsektor mit seiner Verselbständigung nicht ableiten können. Insoweit sitzen die Vertreter der MMT und die diskutierenden Professoren im gleichen Boot. Es werden die ökonomischen Grenzen einer expansiven Geldpolitik „vergessen“. In der Zeit der Prosperität, bis etwa zur Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, schlägt die massive Geldschöpfung in inflationäre Prozesse um, was von Prinz und Beck gesehen wird. Im Überakkumulationszyklus danach mit dem Fall der gesellschaftlichen Profitrate stößt der Kapitalismus an seine Systemgrenze. Die expansive Geldpolitik kollidiert mit den Verwertungsbedingungen des privaten Kapitals, einer Abnahme der Kreditnachfrage der Unternehmen und den Einkommensgrenzen der privaten Haushalte. Die sinkende Profitrate im realen Sektor versuchen viele Unternehmen zu umgehen durch Umlenkung ihrer Gelder auf die Finanzmärkte. Die Spekulation an Börsen und Immobilienmärkten wird Trumpf. Dieser Rückbezug auf die Bedingungen der privaten Kapitalverwertung, die Einschätzung des veränderten Zyklusmusters und der Einbezug der Volkswirtschaft in die internationale Konkurrenz fehlt bei den Diskutanten komplett. Es wird in der Finanzsphäre verblieben, mit fatalen Fehleinschätzungen was die Entwicklungsfähigkeit des Kapitalismus angeht. Insoweit war das Webinar der Freiburger Diskurse e.V. ein Lehrstück für die Mangelhaftigkeit der traditionellen Volkswirtschaftslehre einschließlich der Vorstellungen der MMT.
Das Fazit aus marxistischer Sicht muss lauten: Staatsverschuldung ja, aber im Rahmen einer öffentlichen Strukturpolitik, ausgewogenen Finanz- und Geldpolitik und neuer Steuerungsinstrumente im Rahmen einer transformatorischen nicht-kapitalistischen Wirtschafts- Geld- und Finanzpolitik.

Staatschulden ohne Ende?

01. März 2021  Allgemein

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

STAATSSCHULDEN OHNE ENDE? (1)
Um die Entwicklung der staatlichen Schulden und ihre Problematik näher beurteilen zu können, gilt es die Geldpolitik der Zentralbanken zu analysieren. Die Zentralbanken, insbesondere auch die Europäische Zentralbank (EZB), gelten als „Lender of last resort“, das bedeutet, ihnen wird die Fähigkeit zugeschrieben, dem Bankensystem und dem Staat unbegrenzt Geldmittel zukommen zu lassen. Das bedeutet auch, staatliche Ausgaben seien ohne Ende finanzierbar, ein beliebtes Argument der sogenannten „modernen Geldtheorie.“ Aus Sicht des marxistischen Ansatzes soll dieser Sichtweise hier vehement widersprochen werden. Es muss dazu die zyklische ökonomische Entwicklung in den Fokus genommen werden.
Eine forcierte Geldschöpfung der Zentralbanken schlägt in Zeiten der Prosperität, also im Nachkriegszyklus bis zur Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, in inflationäre Preissteigerungen um, wenn die Kapazitätsgrenzen des fixen Kapitals (Maschinen, Rohstoffe) erreicht und überschritten werden. Seit der Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts setzt allerdings eine strukturelle Veränderung des Kapitalismus ein, die Prosperität ist beendet und die expansive Geldpolitik der Zentralbanken stößt auf Verwertungsprobleme der privaten Kapitale. Der systembedingte Fall der durchschnittlichen Profitrate der privaten Kapitale erreichte einen Punkt, an dem auch die Profitmasse langsamer wuchs. Das bedeutete für einen Teil des privaten Kapitals, dass Verwertungsprobleme entstanden verbunden mit nachlassender Kreditnachfrage dieser Unternehmen und Absatzproblemen bei privaten Haushalten. Marxisten nannten die Situation eine Chronische Überakkumulation (2). Ein Teil des privaten Kapitals wurde an die Finanzmärkte umgeleitet mit dem Ziel, über Kurssteigerungen und Spekulationen mit Wertpapieren und Immobilien den Verwertungsproblemen und im Extremfall dem Niedergang ihres Kapitals zu entkommen. Das wiederum hatte zur Folge, dass auf den Finanzmärkten Vermögenspreisblasen entstanden. Genau das führte zur Finanzmarktkrise 2007/2008 und Weltwirtschaftskrise 2010 und auch verschieden Formen der Eurokrise danach. Die Zentralbanken versuchten gegenzusteuern, doch der eigentliche Lackmustest entspringt aus ihrer Geldpolitik zur Stützung der Banken, des Börsengeschehens und zur Abwendung einer Staatsfinanzkrise. Die Politik der Zentralbanken war und ist darauf fokussiert, die Zentralbankgeldmenge massiv zu steigern um Investitionen im produktiven Sektor (Industrie und Dienstleistungen) zu stimulieren. Unter den heutigen Bedingungen wurden dadurch aber vor allem Preisschübe an den Finanzmärkten befördert, mit teilweise negativen Rückwirkungen auf den produktiven Sektor. Es werden neue Vermögenspreisblasen aufgebaut. Öffentliche und private Haushalte aber auch der produktive Sektor können ihre Kreditverschuldung nicht unbegrenzt weiterführen, insbesondere dann nicht, wenn die Verwertungsblockaden des privaten Kapitals nicht aufgehoben werden. Diese sind allerdings, wie bereits ausgeführt, durch die Struktur des kapitalistischen Systems bedingt. Die Zentralbanken befinden sich somit in einem Dilemma: Betreiben sie den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik, um die Spekulation an den Finanzmärkten zu bekämpfen, verschärfen sie die Probleme im produktiven Sektor und riskieren sie einen weiteren Niedergang dieses Sektors. Setzen sie die expansive Geldpolitik fort, befördern sie die Spekulation an den Finanzmärkten und riskieren deren Zusammenbruch. Kompliziert wird die Lage noch weiter, weil die USA und China um die Hegemonie an den Weltmärkten kämpfen und eventuell Handelskriege angesagt sind. Vor diesem Hintergrund kann das Finanzsystem zusammenbrechen und, wenn sich das in großen Weltregionen ereignet, zu einem Abrutschen des Kapitalismus in die Barbarei führen. Als Alternative ist eine Abwendung von der kapitalistischen Produktionsweise notwendig. Es ist eine sozialistische Marktwirtschaft einzuführen, der Einfluss des privaten Profits zurückzudrängen, die Hegemonie der Finanzmärkte zu beenden und die gesamte Volkswirtschaft einer demokratischen Steuerung zu unterwerfen. Auf diese Weise kann auch dargestellt werden, dass sich die „moderne Geldtheorie (MMT)“ auf einem Irrweg befindet.
1.Die MMT geht nicht vom System der gesellschaftlichen Arbeit und der kapitalistischen Warenproduktion aus, um Geld und Kredit zu erklären. Geld und Kredit sind für die MMT durch den Staat und die Zentralbanken geschaffene und gesteuerte Medien. Sie entstehen quasi durch eine einfache Buchung auf den Konten bei Banken und Zentralbanken.
2. Auf dieser Basis können laut MMT Staat und Zentralbank autonom die Geldschöpfung betreiben und seien nicht an die Finanzierbarkeit von Staatsausgaben gebunden. Bei der MMT fehlt der komplette Rückbezug auf die Gesetze der Kapitalverwertung und die Struktur der kapitalistischen Produktionsweise.
3. Weil in der Zeit der Prosperität eine beschleunigte und scheinbar autonome Geld- und Kreditschöpfung möglich ist, glauben die Vertreter der MMT ein allgemeingültiges ökonomisches Gesetz entdeckt zu haben. Es wird unterschlagen, dass dieser Prozess in der Krise schon wieder beendet ist und für die privaten Kapitale der Zwang entsteht, Schulden abzubauen und Kosten zu senken um die Kapitalverwertung wieder zu steigern.
4. Die MMT unterschlägt die Einbettung der Volkswirtschaft in die internationale Konkurrenz. Die unbeschränkte Geld- und Kreditschöpfung bei einer einzelnen Währung führt zu inflationären Prozessen und, wenn sie das Maß anderer Währungen überschreitet, zu einer Verschlechterung der nationalen Leistungsbilanz und destabilisierenden Kapitalbewegungen. Es kommt zu einer Schuldenkrise, die Situation vieler Staaten in den letzten Jahrzehnten spricht da eine deutliche Sprache.
5. Für die Politik der Linken bedeutet das, dass die Propagierung einer exzessiven Schuldenpolitik kontraproduktiv ist, und auch in und nach der Coronakrise eine ökonomisch ausgewiesene Politik der Ausweitung der öffentlichen Investitionen und sozialer Transfers notwendig ist. Es ist eine aktive öffentliche Strukturpolitik und eine demokratische Steuerung des Wirtschaftslebens betrieblich und national vonnöten, Das bedeutet allerdings eine schrittweise Abwendung von der kapitalistischen Produktionsweise.
6.Staatsschulden im Kapitalismus stoßen somit auf Grenzen, die Systemgrenzen dieser Wirtschaftsordnung sind.
(1)Der Aufsatz hat den Text von Stephan Krüger und Klaus Müller: Das Geld im 21.Jahrhundert, Köln 2020, S.96-150 zur Grundlage.
(2) Siehe hierzu: Politische Kommentare von Dr. Peter Behnen: Die chronische Überakkumulationskrise, Internetseite der Partei Die Linke Freiburg vom 30.4.2020

Das digitale Geld und Probleme

10. Januar 2021  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

                               PROBLEME MIT DEM DIGITALEN GELD (1)

Seit 2019 machte Facebook seine Pläne für die Einführung eines digitalen Geldes, genannt Libra, öffentlich. Schnell gab es von verschiedenen Seiten Kritik, so dass Facebook verschiedene Planänderungen vornahm.

1.Der Libra soll nun Diem genannt werden

2.Es soll eine Diem-Association entstehen, die eine Art Währungsbehörde sein soll.

3.Der Diem soll nun auf dem Dollar basieren.

Das Ziel besteht darin, ein privates Geld zu schaffen, das sowohl im Internet als auch zwischen Smartphone-Besitzern genutzt werden soll. Die Etablierung des Diem zielt, laut Diem-Association, auf solche Nutzerinnen und Nutzer, die kein eigenes Bankkonto haben oder in Ländern mit schwachen Währungen wohnen.

Die etablierten Banken und Zentralbanken und auch die Finanzpolitik reagierten eher aufgeschreckt. Klar wurde, dass die Finanzkrise 2007/2008 erhebliche Unsicherheiten und auch Kritik am bestehenden Geld- und Finanzsystem hervorgerufen hat und keine wirkliche Reform des Geld- und Finanzsystems erfolgt ist. Nun droht “ein komplett neuer, mächtiger Spieler das altbewährte Zusammenspiel (der Finanz- und Geldpolitik P.B.) zu stören (2).“ Es ist von Facebook geplant, aus dem Diem stabiles Geld zu machen, indem er an eine wirkliche Währung (US-Dollar) gebunden wird, im Gegensatz zum sogenannten Bitcoin, dem ein solcher Anker fehlt. Entsprechend schwankt der Bitcoin, vor einem Jahr kostete er 4000 $ inzwischen 40000 $. Beim Diem soll die Finanzanlage den jederzeitigen Rücktausch in US- Dollar Bankengeld ermöglichen im Verhältnis 1:1. Der Diem soll also wertstabil sein und digital verwendbar, abgesichert durch Geld- und Vermögenstitel in gleicher Höhe. Allerdings die Zinsen und Erträge aus den Geld- und Vermögenstiteln will der Betreiber für sich einstreichen.

Die Frage, was eigentlich Geld ist, hat sowohl die Marxsche Theorie und auch die bürgerliche Ökonomie seit jeher beschäftigt. Während laut Marx die bürgerliche Ökonomie das Geld als reines „Reflexionsprodukt“ betrachtet, gräbt Marx tiefer. Er leitet es aus dem spezifisch gesellschaftlichen Charakter der Arbeit im Kapitalismus ab, es sei die Art und Weise, wie sich der Wert der Waren im gesellschaftlichen Verkehr der Warenbesitzer ausdrückt. Erst im historischen Verlauf wird es durch den Staat als allgemeines Wertmaß, Zirkulationsmittel, Zahlungsmittel und Schatzmittel befestigt. Digitalunternehmen stellen nun dieses Geld- und Währungssystem in Frage, indem sie das Ziel verfolgen, die Kundenkonten von Banken auf ihre Plattform zu ziehen und eigene Zahlungsmittel zu schaffen. Der nächste Schritt wäre die Aufnahme eines eigenen Kreditgeschäftes und Etablierung von eigenen Zahlungssysteme über die Währungsgrenzen hinaus. Die Vernetzung birgt die Gefahr in sich, dass die Plattformbetreiber einen Zugriff auf private Zahlungsdaten erhalten mit enormen Möglichkeiten der Überwachung und Beeinflussung der Verbraucher. Die Privatisierung des Geldwesens schreitet voran, und die öffentliche Kontrolle und Steuerung des Geldwesens gerät in Gefahr.

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Zentralbank (EZB) nun ihre Absicht erklärt, selbst einen digitalen Euro herauszugeben. Ein digitaler Euro soll parallel zum Bargeld (Münzen und Banknoten) eingeführt werden. Damit versucht die EZB dem privaten Geld der Digitalunternehmen eine Alternative entgegenzusetzen. Der öffentliche Sektor könnte auf diese Weise wieder mehr Kontrolle über das Geld gewinnen und die Zentralbank sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Hierbei geht es jedoch nicht in erster Linie um ein technisches Problem, sondern darum, dass das Geld- und Kreditsystem weiter gesellschaftlich kontrolliert wird. Das ist gerade aus linker Sicht besonders wichtig, wenn mithilfe der staatlichen Geld- und Finanzpolitik eine Transformation der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hin zu wirtschaftsdemokratischen Verhältnissen eingeleitet werden soll. Das Geld- und Kreditsystem und die staatliche Finanzpolitik sind ein mächtiger Hebel für eine solche Transformation. Wenn es vor allem darum geht, ist auch klar, dass die Versuche der Plattformökonomie, über privates Geld Einfluss auf die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung zu nehmen, abgewehrt werden müssen und die Herausgabe privaten digitalen streng zu kontrollieren ist.

(1)Der Aufsatz  beruht in wichtigen Teilen auf dem Aufsatz von Alfred Eibl und Johannes Priesemann, „Quo vadis Geld“ in Sozialismus 1/2021, S.60-63.

(2) a.a.O. S.61

Die Abwendung des harten Brexits

28. Dezember 2020  Allgemein

Dr. Peter Behnen

Die Linke Freiburg

                                           Die Abwendung des harten Brexits (1)

Die jüngsten Wirtschaftsdaten Großbritanniens werden vom Premierminister Boris Johnson beschönigend dargestellt. Er erweist sich, wie viele Andere seines Faches, als genialer Blender ähnlich dem bisherigen Präsidenten der USA Donald Trump. Der aktuelle Konjunktureinbruch in Großbritannien erinnert an vergangene Kriegszeiten. Im Jahre 2020 wird die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas aus Sicht der britischen Regierung um 11,3% schrumpfen, aus Sicht der Bank von England um 9,5 %. Das wird von verschiedenen Expertinnen und Experten pessimistischer gesehen und auch die wirtschaftliche Erholung als langwieriger als von der etablierten konservativen Politik. Großbritannien steckt in einer schweren Rezession, stärker als in allen anderen kapitalistischen Staaten. Die Entlassungen werden aller Voraussicht nach doppelt so hoch sein wie nach der Finanzkrise von 2008/2009. Im 2.Halbjahr 2020 verloren 650 000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Mit der Mutation des Coronavirus gerät das Land in eine noch größere Isolation.

Die Gründe für den britischen Konjunktureinbruch sind vielfältig. Erstens wurde der Shutdown in Großbritannien wegen der zögerlichen Haltung Johnsons später angeordnet und dann auch erst später wieder gelockert. Das trug zur Verunsicherung von Investoren und Konsumenten bei. Zweitens ist von Bedeutung, dass Großbritanniens Dienstleistungssektor rund 80% der Gesamtwirtschaft ausmacht. Die Gastronomie, der Kulturbereich und das Entertainment wurden weitgehend stillgelegt. Drittens spielte die Unsicherheit wegen eines eventuellen harten Brexits eine wichtige Rolle, da halfen auch Beschwichtigungen der britischen Regierung nicht. Die Corona-Krise hat schonungslos die Bedeutung der internationalen Kooperation deutlich gemacht.

Inzwischen wurde kurz vor Toresschluss der harte Brexit doch noch abgewendet. Man hat sich nach langem Ringen auf ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU geeinigt, es wurden damit die Beziehungen nach dem Ausscheiden aus der europäischen Gemeinschaft nach dem 1.1.21 geregelt.  Beteiligte Politikerinnen und Politiker sprachen von einem „fairen und ausgeglichenen Deal.“ Kritischen Nachfragen wurde eher ausgewichen. Das wichtigste Ziel der Verhandlungen war, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslose Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu erreichen.  Das Abkommen garantiert Großbritannien Exporte ohne Zölle und Mengenbegrenzungen in den EU-Binnenmarkt. Im Gegenzug erhält die EU gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Boris Johnson meint nun die Souveränität und Kontrolle über die eigenen Grenzen und Gesetze zurückgewonnen zu haben, es sei der Beginn eines goldenen Zeitalters für Großbritannien zu erwarten. Klar ist, dass der jetzt vereinbarte Deal eine Eskalation der durch Corona ausgelösten schweren Wirtschaftskrise auf beiden Seiten verhindert wird. Trotzdem bleibt ein Verlassen des Binnenmarktes und der Zollunion der EU eine gefährliche und ökonomisch riskante Politik. Allerdings hätte ein No -Deal- Brexit die Wirtschaftsleistung Großbritanniens stark reduziert, Verluste werden durch das Abkommen begrenzt. Ein No- Deal- Schock wäre für die EU vermutlich kleiner ausgefallen als für Großbritannien, trotzdem bleibt die Tatsache, dass Großbritannien weiter von wichtiger Bedeutung für die EU bleiben wird. Der Handelsvertrag schafft zumindest eine Grundlage, auf der sich die Kooperation zwischen Großbritannien und der EU neu aufbauen lässt.

Es bleibt die Illusion Boris Johnsons und seiner Anhänger von einem „Global Britain.“ Das ist kein Bild der künftigen Rolle des Landes, „sondern eine lächerliche Karikatur- Phantasie und Wunschbild-Chimäre und Märchen zugleich. Einerseits drückt sie die Träumereien einer niedergehenden Oberschicht aus, andererseits ist dies das Trugbild zur Beruhigung der prekären Lohnabhängigen“ (2).

(1)Der Aufsatz fasst die Ergebnisse zweier Aufsätze aus  Sozialismus aktuell vom 22.12.20 und 24.12.20 zusammen .

(2) Sozialismus aktuell vom 22.12.20 S.2

Die grüne Wende?

25. November 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

                  BRINGEN DIE GRÜNEN DIE POLITISCH-SOZIALE WENDE?

Die Grünen haben das erste Mal einen komplett digitalen Parteitag durchgeführt. Es ging um die Verabschiedung eines neuen Grundsatzprogramms. Der Entwurf war schon seit Ende Juni der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Wie Annalena Baerbock betonte, soll es ein Programm für „die Breite der Gesellschaft“ sein. Die Grünen wollen neue Antworten auf die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen geben. Die Frage ist allerdings, wie die neuen Antworten aussehen sollen und mit wem sie sie verwirklichen wollen?              Festzuhalten ist erst einmal, dass nach den jüngsten Umfragen die Unionsparteien mit 36% klar vor den Grünen mit etwa 18% liegen. Die SPD stagniert bei 16% und ebenso die Linke bei 8%. Die AFD rutscht inzwischen unter die 10% Marke und die FDP kommt über die 6% nicht hinaus. Anna Baerbock stellt zu Recht fest, dass eine neue Politik bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung die Bereitschaft erfordert, diesen Weg mitzugehen. Das ist mit der Pandemie nicht einfacher geworden. Die Suche nach Wählerschichten über die alte Wählerbasis hinaus erweist sich als schwierig.

Im 2. Kapitel des Grundsatzprogramms geht es u.a. um eine neue Wirtschaftsordnung, die sozial-ökologisch orientiert ist. Diese Wirtschaftsordnung müsse Klimaneutralität, Vorsorge und soziale Gerechtigkeit gewährleisten. Das zu erreichen könne nur gelingen, wenn es einen starken, handlungsfähigen und effektiven Staat gebe, der klare Leitplanken aus Steuern, Abgaben und Ordnungsrecht vorgebe. Das setzte aber voraus, dass alle oder viele Mitgliederinnen und Mitglieder der Gesellschaft die Bereitschaft mitbrächten, zu Gunsten einer ökologisch-sozialen Gesellschaft auf die Durchsetzung von Sonderinteressen zu verzichten. Robert Habeck sieht klar, dass unsere Gesellschaft augenblicklich extrem polarisiert ist und die politische Rechte einen starken Auftrieb erlebt. Er warnt vor einer Entwicklung wie in den USA unter Trump. Die zunehmende Spaltung, Radikalisierung, und Verquickung der rechten Szene mit den sogenannten „Querdenkern“ ist allerdings auch bei uns Teil des Alltags geworden. Deswegen fordern die Grünen den Schulterschluss mit dem fortgeschrittenen Teil der Wirtschaft und Industrie, mit Geringverdienern und Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. Von Bürgerinnen und Bürgern mit höherem Vermögen und Einkommen wird ein stärkerer Einsatz für zukünftige gesellschaftliche Investitionen gefordert. Das heißt, höhere Steuern für Vermögende und reiche Erben, eine progressive Besteuerung und eine effektive Bekämpfung von Steuerverhinderung und Steuerhinterziehung. Ansgar Graw nennt das die Position eines unauffälligen Antikapitalismus und für einen Staat mit hoher Umverteilung. Dass in der Umverteilungsfrage Wirtschaftsverbände eine beinharte Ablehnung formulieren wird niemand erstaunen. Ob ein Koalitionspartner CDU/CSU bei den Positionen der Grünen mitgehen würde, ist ebenfalls unwahrscheinlich, von der FDP ganz zu schweigen.Es wäre nun auch Aufgabe der Grünen, SPD und der Linken für eine grün-rot-rote Bundesregierung zu werben, damit es gelingt, bis zum Herbst nächsten Jahres eine politische Machtverschiebung zu erreichen. Von den augenblicklichen Mehrheitsverhältnissen her gesehen, sieht das jedoch eher düster aus. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin noch ein Wandel möglich ist.

Aus linker Sicht geht es darum, durch eine fortschrittliche Regierungskoalition und entsprechende politische Maßnahmen in der Frage der Verteilung, des Sozialstaats und der Ökologie für eine Mehrheit der Wahlbevölkerung die Lebenslage entscheidend zu verbessern und das Vertrauen in eine linke Mehrheit zu schaffen und zu erweitern, sowohl durch die inhaltliche Politik als auch durch ein glaubwürdiges Personal. Es muss die Einsicht reifen, dass die bürgerlich-kapitalistische Form des Wirtschaftens nur eine Durchgangsform zu einer wirtschaftsdemokratischen Gesellschaft darstellt. Nicht mehr das Eigentum an den Produktionsmitteln in der Hand von einzelnen Kapitalisten bzw. Aktiengesellschaften darf in Zukunft das gesellschaftliche Leben bestimmen, sondern die Grundlage muss das Eigentum der „assoziierten Produzenten“, also der Beschäftigten der Unternehmen,  und eine demokratische Steuerung der gesamten Wirtschaft sein. Das erst wird die entscheidende politisch-soziale Wende in der Gesellschaft erbringen.

Green New Deal

22. November 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

VOM „GREEN NEW DEAL“ ZUR WIRTSCHATSDEMOKRATISCHEN SOZIALISTISCHEN MARKTWIRTSCHAFT (1).

Eine Gesellschaft, in der die ökonomischen, sozialen und ökologischen Widersprüche massiv zugespitzt sind, befindet sich an einem Scheideweg. Theoretiker, wie zum Beispiel Georg Lukacs oder Karl Polanyi, weisen auf Knotenpunkte in der Geschichte hin, an denen sich durch das Ringen unterschiedlicher Klassenkräfte das gesellschaftliche Leben für Jahre oder sogar Jahrzehnte entscheidet. Eine solche Situation ist auch heute gegeben. Die Grundlage der Widersprüche stellt das Auseinanderdriften der Verteilungsverhältnisse im Einkommens- und Vermögensbereich dar. Ebenfalls ist deutlich geworden, dass die aktuelle Politik unfähig ist, die Probleme der Wohnungsfrage, des Bildungs- und Gesundheitswesens, der Pflege- und Alterssicherung sowie die Spaltung der Ethnien und die Frage der Migration auf eine soziale Weise zu lösen. Diese Krisenprozesse treffen auf viele Menschen, die der Klimawandel direkt oder indirekt betrifft. Dieser wird von Menschen gemacht und ist auf eine unkontrollierte Aneignung der Natur zurückzuführen, also letztlich Resultat kapitalistischer Widersprüche. Das Zusammentreffen all dieser Probleme befördert rechten Populismus und Gewaltexzesse gegenüber Andersdenkenden. Demokratische Lösungsansätze treten häufig hinter der Propagierung autoritärer Ansätze zurück.

Die vorgetragene Entwicklung ist nicht plötzlich vom Himmel auf die Erde gefallen, sondern geht in den meisten kapitalistischen Ländern auf die Zeitspanne seit den 70er Jahren zurück. Die erste Weltmarktkrise seit dem 2.Weltkrieg im Jahre 1974/75 bedeutete den Übergang von einem längeren beschleunigten Wachstum ( beschleunigte Kapitalakkumulation) seit den 50er Jahren zur sogenannten strukturellen Überakkumulation, die sich aus der Struktur des entwickelten Kapitalismus herleiten lässt (2). Während das Wachstum der Wertschöpfung tendenziell geringer wird, nimmt auch das Wachstum der industriellen Profitmasse seit den 70er Jahren ab, was zur Umleitung großer Profitmassen auf die Finanzmärkte führte. Kursanstiege bei Wertpapieren und Spekulationsgeschäfte wurden Trumpf. Die vergangenen 45 Jahre haben besonders nach der Jahrtausendwende Schritt für Schritt die heutigen Probleme hervorgebracht. Die etablierte Politik versuchte durch neoliberale Politik (Begünstigung der Profite, Shareholder- Value-Orientierung, Sozialabbau) die Probleme zu lösen, mit wenig Erfolg. Die nationalen Profitraten verharrten auf dem niedrigen Niveau der 70er Jahre trotz der Senkung des langfristigen Zinssatzes auf fast 0%. Die Spekulation an den Börsen sorgte auf der anderen Seite dafür, dass im realen Sektor (Industrielles und kommerzielles Kapital) die Investitionen und der Konsum nicht ansprangen. Die Covid-19-Pandemie zu Beginn des Jahres 2020 verschärfte die Abschwungstendenzen und führte zur schwersten Krise der Nachkriegszeit.

Was ist dem entgegenzusetzen?

Es hatte sich gezeigt, schon vor Corona, dass die Aufnahmefähigkeit der Märkte für zusätzliche Waren zu gering, das heißt, die gesellschaftliche Nachfrage zu gering war. Die strukturelle Überakkumulation galt und gilt für alle kapitalistischen Metropolen, ablesbar an der Profitratenentwicklung. Weil von der privaten profitgesteuerten Wirtschaft kein Ausweg zu erwarten ist, bleibt nur ein Ausweg über die staatliche Aktivität. Diesem Ausweg unterliegt auch die Konzeption des sogenannten „Green New Deal“ (3). Die  Bezeichnung erinnert an die Politik des „New Deal“ von Roosevelt, durch die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Depression der US-Wirtschaft überwunden und die US-Wirtschaft modernisiert wurde unter Einbezug der Organisationen der Lohnabhängigen. Heute stellen sich allerdings zwei neue Herausforderungen.

Erstens kann heute die Verwertungsblockade des privaten Kapitals in Anbetracht der strukturellen Überakkumulation mit ihrer strukturell niedrigen Profitrate und Zinsrate und einer immensen Verschuldung aller Wirtschaftssektoren nicht so einfach aufgelöst werden. Durch die öffentliche Verschuldung alleine käme es über kurz oder lang zu einem reinen Strohfeuer, wenn nicht auch eine Veränderung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse stattfände. Das bedeutet eine Zurückdrängung der privaten Profitrate als Steuerungsmechanismus der Wirtschaft und eine Transformation in Richtung einer sozialistischen Marktwirtschaft. Hier wäre das Kernstück eine makroökonomisch angelegte Strukturpolitik, der sowohl die Geldpolitik der Zentralbank als auch die Fiskalpolitik des Staates untergeordnet wären.

Zweitens, und hier kommt der „Green New Deal“ zum Tragen, ist der Umbau der Produktionsverhältnisse mit einem tiefgreifenden ökologischen Umbau zu verbinden. Es ist der Anteil der erneuerbaren Energie auszubauen, eine Dezentralisierung und Demokratisierung der Energiegewinnung vorzunehmen, die Sharing-Ökonomie zu fördern und bei Gebäuden eine umfangreiche energetische Erneuerung mit hohen Beschäftigungseffekten vorzunehmen. Bei US-Ökonomen bzw. Ökonominnen, wie zum Beispiel Stephanie Kelton, aber auch bei Vertretern der Modern Monetary Theory in Deutschland soll ein solches Programm problemlos über die staatliche Verschuldung finanziert werden. Das kann gesagt werden, weil ihre Geldtheorie von einer nahezu unbegrenzten staatlichen Geldschöpfung ausgeht.

Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass in der heutigen Situation eine Ausweitung der öffentlichen Verschuldung richtig und notwendig ist, es ist allerdings eine politische Position abzulehnen, die auf einem unsoliden theoretisch-finanziellen Fundament aufgebaut ist. Eine Ausweitung des öffentlichen Kredits ist mit den Möglichkeiten der Kreditaufnahme anderer gesellschaftlichen Bereiche und der Verfassung der Finanzmärkte zu koordinieren und deswegen auch zu begrenzen. Worum es in Wirklichkeit geht ist, verbunden mit dem „New Green Deal“, eine ganz neue gesellschaftliche Betriebsweise zu etablieren. Dabei geht es nicht nur um eine umfassende Digitalisierung, sondern um ihre Einbettung in neue gesellschaftliche Strukturen und politische Verhältnisse.

Der Kapitalismus brachte bisher zwei verschiedene Betriebsweisen hervor. Erstens die große Industrie im 19.Jahrhundert mit der Maschinerie als Zentrum der Produktivkraftentwicklung. Sie erzwang den Ausbau der Transport- und Kommunikationsmittel und politisch den Beginn der Fabrikgesetzgebung. Eine Veränderung des Bildungswesens und auch der Familienstrukturen schloss sich an. Zweitens den Fordismus des 20.Jahrhunderts, der zu einer weiteren Steigerung der Arbeitsteilung und zur Massenproduktion und zum Massenkonsum führte. Damit verbunden war eine Erkämpfung eines höheren Lebensstandards und sozialen Absicherung für Lohnabhängige und ihrer Familien. Mit der Ablösung der beschleunigten Kapitalakkumulation in den Metropolen des Kapitals durch die beschriebene strukturelle Überakkumulation seit den 70er Jahren begann ein Suchprozess, die Verwertungsblockade des Kapitals zu überwinden. Die Versuche der Automatisierung vollzogen sich auf traditionelle kapitalistische Weise durch den Ersatz von lebendiger Arbeit durch Maschinen bis hin zur sogenannten „künstlichen Intelligenz.“ Ein Missverständnis besteht darin, dass durch die stärkere Marktvermittlung im Unternehmensbereich und die Automatisierung quasi im Selbstlauf eine Demokratisierung der Verhältnisse entstehe.  Das geht nur, auch im Hinblick auf neue Technologien, durch die Etablierung neuer Arbeitsverhältnisse und ihre Integration in neue wirtschaftsdemokratische Verhältnisse. Diese sind wiederum durch Eigentumsverhältnisse abzusichern, die die Dominanz der kapitalistischen Produktionsverhältnisse überwinden. Den Wildwuchs des deregulierten Arbeitsmarktes, der unter der Ägide der strukturellen Überakkumulation und des Finanzmarktes entstanden ist, gilt es zu beenden, ebenso wie eine Vielzahl von Kürzungen des Sozialstaates. Es ist ein Wohlfahrtsstaat auszubauen eingeordnet in wirtschaftsdemokratische Arbeitsbeziehungen. Dazu gehören mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten ausgestaltet je nach Unternehmensform und Eigentumsform (supranational, nationalstaatlich, kommunal, genossenschaftlich, öffentlich-privat und privat).

Die anstehende sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft ist eine Aufgabe der makroökonomischen Strukturpolitik. Sie schließt an den „Green New Deal“ an, der kurz- und mittelfristig angelegt ist, und hat eine höhere Betriebsweise mit einer Neuausrichtung der Volkswirtschaft auf zukünftige Schlüsselindustrien und eine ressourcensparende Wirtschaft mit einem Minimum an Emissionen von Schadstoffen zum Ziel. Das erfordert neue Willensbildungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen. Da die Entscheidung über das Was und Wie der Produktion auf einzelwirtschaftlicher Ebene verbleibt, ist ein abgestuftes System von steuernden Elementen erforderlich. Das können staatliche Regulierungen, Managementagenturen und auch die parlamentarische Kontrolle und zivilgesellschaftliche Organisationen sein. Angesagt ist eine sozialistische Marktwirtschaft als Rahmen für eine neue Betriebsweise. Sie soll die in der Systemgrenze des Kapitalismus wurzelnden Beschränkungen überwinden. Sie muss auch eingebettet sein in eine politisch kontrollierte Globalisierung. Wo immer es möglich ist, sollte eine stärkere Regionalisierung der Weltwirtschaft bei Absage an die finanzielle Globalisierung und Spekulation stattfinden. Für die bundesdeutsche Politik und die der EU bedeutet das, dass eine Hegemonie der USA abzulehnen ist. Notwendig ist eine Weltwirtschaftsordnung, eine internationale und demokratische Wirtschaftsregulierung, eine Weltzentralbank, eine Ablösung der hegemonialen Rolle des US-Dollars und eine Politik der Kontrolle von Leistungsbilanzungleichgewichten. Das zu verwirklichen ist eine Aufgabe der folgenden Jahrzehnte des 21.Jahrhunderts.

(1)Grundlage des Aufsatzes: Stephan Krüger, Grundeigentum, Bodenrente und die Ressourcen der Erde, Hamburg 2020, S.359-380

(2) Siehe hierzu: https://linke-bw.de/petersblog/2020/04/29.und weitere Links

(3) Siehe hierzu: J. Rifkin The Green New Deal, New York 2019.

Coronaskeptiker und Querdenker

14. November 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

BERLIN, KONSTANZ, LEIPZIG- EIN ZUG DER CORONA-SKEPTIKER UND „QUERDENKER“ ZIEHT DURCH DAS LAND (1).

Seit Wochen finden in der Bundesrepublik Demonstrationen von Corona-SkeptikerInnen und sogenannten „Querdenkern“ statt. Am 29.August 2020 beispielsweise fand in Berlin eine Demonstration nach Angaben der Polizei von ca. 50000 Personen statt. Gefordert wurde ein Ende der staatlichen Einschränkungen, die aufgrund der Corona-Pandemie verfügt worden waren. Aufgerufen zur Demonstration hatte die Initiative „Querdenken711“ aus Stuttgart mit ihrem Sprecher Michael Ballweg. Die Demonstration wurde unter der Parole „Berlin invites Europe-Fest für Freiheit und Frieden“ veranstaltet. Unter den Demonstranten waren auch ca. 3000 Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum von Reichsbürgern, Antisemiten, Identitären, NPD-Aktivisten und der QAnon- Bewegung aus den USA. Aus dem Kreis der rechtsradikalen Szene durchbrachen mehrere Hundert Demonstranten die Absperrungen am Reichstagsgebäude, um sich mit Reichskriegsflaggen symbolträchtig vor dem Gebäude aufzubauen. Deutlicher konnte die Ablehnung der bürgerlich-demokratischen Verfasstheit der Bundesrepublik nicht demonstriert werden. Damit war das Konzept des Berliner Innensenators Geisel gründlich gescheitert, der im Vorfeld der Demonstration ein Versammlungsverbot erwirkt hatte, das jedoch von den Verwaltungsgerichten aufgehoben worden war. Geisel hatte das Versammlungsverbot aufgrund der Erfahrungen erlassen, die vier Wochen vorher mit demselben Veranstalter gemacht worden waren. Auch damals wurden die Auflagen, Abstand zu halten und Masken zu tragen offensiv verweigert. Die Demonstration am 29. August 2020 konnte also auf Basis des Gerichtsbeschlusses stattfinden, wurde aber aufgelöst, als wiederum Abstandsregeln und Maskenpflicht nicht eingehalten wurden. Trotzdem wurden am gleichen Tag mehrere Kundgebungen abgehalten, bei denen Michael Ballweg behauptete, der Berliner Senat trete das Grundgesetz mit Füßen und forderte deshalb den Rücktritt des Senats. Er schlug eine Brücke zu den rechtsradikalen TeilnehmerInnen, indem er eine neue Verfassung für die Bundesrepublik forderte und meinte, das Volk müsse wieder die Macht ergreifen. Jan Rathke, seines Zeichens Politikwissenschaftler bei der Amadeus- Antonio- Stiftung, stellte zu Recht fest, dass im Gegensatz zu den Pegida- Demonstrationen, bei denen der Rassismus im Vordergrund stand, es nun eher um einen Staat gehe, der sich gegen seine Bürger verschworen habe. Insoweit bestehe ein Konsens zwischen vielen Corona- SkeptikerInnen und rechtsradikalen Bewusstseinsformen und Organisationen.

Ähnliche Beobachtungen und Analysen wurden u.a. bei einer Demonstration in Konstanz Anfang Oktober gemacht. Mirjam Moll vom Südkurier, die der Veranstaltung beigewohnt hatte, schrieb, dass es sich um kein einfaches Festival gehandelt habe. Die Botschaften auf den Plakaten und vor allem aber die Redner auf der Bühne hätten sehr deutlich gemacht, dass es nicht nur um eine Kritik an den Corona-Maßnahmen gehe. Angela Merkel und Jens Spahn wurden als „Verfassungsverbrecher“ bezeichnet, es gehe um eine Freiheit gegen „Merkels DDR 2.0“. Die Statistiken des RKI wurden in Zweifel gezogen, mehr als 80% der Bevölkerung seien bereits immun. Eine Breitbandkritik gegen die Regierung, die Presse und eine „böse Macht“ sei notwendig.  Deutlich wird laut Mirjam Moll, dass das Corona-Thema nur der Anlass für viele Redner gewesen sei, rechtextreme Ideologien zu verbreiten. Auch Michael Ballweg habe sich klar als Gegner der Verfassung positioniert.

Am 7.-9.November 2020 fand in Leipzig eine weitere Demonstration der „Querdenker“ statt, wobei die Veranstaltung gleich mit den Leipziger Ringdemos von 1989 vermengt wurde. Wieder kamen 40000- 50000 DemonstrantInnen zusammen, darunter wiederum mit Verschwörungsideologen, Rechtsextremen und gewaltbereiten Hooligans. Die „Querdenker“ präsentierten sich als Sammlungsbewegung für alle, die sich durch die Parteien des demokratischen Spektrums nicht mehr vertreten sahen. Es zeigte sich auch in Leipzig, dass eine zunehmende Radikalisierung der Bewegung stattfindet, mit Wut auf die Eliten, die die Corona-Maßnahmen verordnet haben.

Noch ist die politisch organisierte Rechte eine Minderheit, allerdings wäre es fahrlässig davon auszugehen, dass das so bleiben wird. Rationale Argumente prallen bei den Demonstrantinnen ab, bloße Appelle werden wahrscheinlich ein Anwachsen der Proteste und die Radikalisierung kaum verhindern können. Gleichwohl gibt es keine Alternative zur Aufklärung über die gesundheitliche Gefahr der Pandemie, zur Befolgung von Schutzmaßnahmen und die Notwendigkeit sinnvolle Impfungen durchzuführen. Noch wichtiger aber für die demokratische Zivilgesellschaft ist es, sich mit den gesellschaftlichen Widersprüchen und sozialen Ungleichheiten auseinanderzusetzen.  Starke soziale Ungleichheiten gab es schon vor der Pandemie, doch sie wurden noch weiter verschärft durch die Pandemie. Das ist abzulesen an der Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen, die zum Teil krasser ist als in anderen EU-Ländern. Der Unmut vieler BürgerInnen über soziale Verwerfungen verstärkt durch die Pandemie sollte mit offenen Diskussionen über Alternativen beantwortet werden. Das schließt nicht aus, sinnvolle Einschränkungen bestimmter Freiheitsrechte auf demokratische Weise, also durch das Parlament, durchzusetzen.

(1)Dem Aufsatz liegen zugrunde: Bischoff u.a. Sozialismus aktuell vom 2.9.20 und 10.11.20 sowie Mirjam Moll vom Südkurier vom 5.10.20

Die US-Wahlen-Ergebnisse und Probleme.

08. November 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

                      DIE US-WAHLEN -ERGEBNISSE UND PROBLEME. (1)

Zu Anfang muss festgestellt werden, dass die Demokratische Partei zwar mit Joe Biden den nächsten US-Präsidenten stellen wird, aber trotzdem fand kein wirklicher politischer Durchbruch der Demokraten statt. Wenn über die chaotische Wahl des Präsidenten hinausgeblickt wird und die Wahlen zum Senat, dem Abgeordnetenhaus und weitere Wahlen in den Bundesstaaten betrachtet werden, dann wird deutlich, dass von einer Offensive der Demokraten nicht die Rede sein kann. Die sogenannte „blaue Welle“ führte nicht zu einer grundlegenden Machtverschiebung in verschiedenen Verfassungsorganen.  Insoweit wurden die Erwartungen der Demokratischen Partei und ihrer Anhänger enttäuscht, insbesondere was ihren Kampf gegen die soziale Spaltung, den Rassismus und die Klimapolitik Donald Trumps angeht. Die Demokraten haben zwar einen deutlichen Vorsprung bei den Stimmen der gesamten WählerInnen erreicht, aber keinen überwältigenden Vorsprung bei dem entscheidenden Wahlleutegremium. Da der Senat vermutlich weiter durch die Republikaner beherrscht wird und auch im Repräsentantenhaus keine große Mehrheit der Demokraten gegeben sein wird, sind der Regierungsarbeit Bidens und seinem Reformprogramm enge Grenzen gesetzt. Im Gegensatz zu den Republikanern, die bisher nur das „Programm Trump“ verfolgten, hat die Regierung Biden vor, den Kampf gegen die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen aufzunehmen, das Wirtschaftsleben zu erneuern, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, den Klimaschutz zu erhöhen und die unsoziale Steuerpolitik, die Waffengesetze und die gesellschaftliche Immigration  in den Fokus zu nehmen. Das alles anzugehen wird dadurch erschwert, dass es nur geringe Machtverschiebungen außerhalb des Präsidentenamtes gab.

Die Offensive der Demokraten scheiterte nicht an zu geringen Wahlkampfgeldern, wie gelegentlich behauptet wird. Joe Biden gab als erster Präsident in der Geschichte der USA mehr als 1 Mrd. Dollar aus, mehr als Trump 2016 und 2020, aber auch mehr als Hillary Clinton 2016 und Barak Obama 2012. Die politischen Wahlresultate sind auch von daher enttäuschend.

Für das Wahlergebnis von großer Bedeutung sind die Wahlbeteiligung und die aktuelle soziale Struktur der amerikanischen Gesellschaft. In diesem Jahr sind von den 239 Millionen Wahlberechtigten ca. 67% zur Wahl gegangen, was für die USA den höchsten Wert seit 50 Jahren darstellt. Hier spiegelt sich die enorme Polarisierung und Emotionalisierung, die im diesjährigen Wahlkampf stattfand. Hinzu kommen demografische und wirtschaftliche Veränderungen, die in den letzten Jahrzehnten in den USA entwickelt wurden. Während in den 70er Jahren noch 87% Weiße und 11% Schwarze zur Wahlbevölkerung zählten, sind es heute 60% Weiße, 12% Afro-AmerikanerInnen, 19% Latinos und 6% Asien-AmerikanerInnen. Das hatte zur Folge, dass es den Republikanern gelang, ihren Stimmenanteil bei den Latinos aber auch den Afro-Amerikanerinnen zu erhöhen. Besonders das Gewicht der Latinos im Wahlkampf wurde von den Demokraten unterschätzt. Zu den demografischen Veränderungen kommen sozialstrukturelle Veränderungen hinzu. Heute haben 1/3 der Männer und Frauen ein College-Diplom. Die Frauenerwerbstätigkeit ging steil nach oben und nur noch 8% der Erwerbsbevölkerung arbeitet im Produktionsbereich, die Dienstleistungen prägen heute das Wirtschaftsleben.

Insgesamt ist es auf dieser Basis schwieriger als früher gesellschaftliche Bündnisse für Wahlen zustande zu bringen. Wahlentscheidend waren wirtschaftliche Themen. Das haben die Republikaner stärker im Fokus gehabt als die Demokraten. Die Demokraten stellten stärker COVID 19, die soziale Ungleichheit und den Klimawandel (Green New Deal) ins Zentrum. Die Wirtschaftskrise, durch die Pandemie ausgelöst, hat auch die USA schwer getroffen. Die Arbeitslosigkeit explodierte, viele Menschen verloren ihre Mitgliedschaft in einer Krankenkasse. Es gab keine Abmilderung durch Kurzarbeiterregelungen. Dafür sorgte der Staat für weitgehende finanzielle Transfers, so dass die Einkommensverluste überschaubar blieben. In einer Gallup-Umfrage, die im September durchgeführt wurde, schätzten 56 % der Befragten ihre ökonomische Situation besser ein als vor 4 Jahren. Keinem anderen Präsidenten als Trump ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, dass am Ende der ersten Amtszeit die Mehrheit der Amerikaner eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage verspürten. Eine Analyse der Wählerentscheidungen hat inzwischen gezeigt, dass mehr Frauen als Männer, mehr Schwarze als Weiße und mehr Junge als Ältere Biden gewählt haben. Zu Gunsten von Trump schlug vor der Pandemie die Wirtschaftsentwicklung zu Buche. Er „erbte“ allerdings von Obama einen Boom, den Obama in der Finanzkrise 2008/2009 mit milliardenschweren Programmen hervorgerufen hatte. Trumps Politik war danach die Durchführung von Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende sowie Investitionen in die Infrastruktur bei hoher staatlicher Verschuldung.

Die Schlüsselfrage bleibt: Wie können die USA die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Probleme überwinden und wie wird ihre kapitalistische Zukunft gestaltet?

Es gelang weder Europa noch den USA nach der Finanzkrise die langfristige Schwächung des Wachstums zu bekämpfen, was mit erheblichen Wachstumsverlusten und Verteilungskonflikten verbunden war. Durch die Corona-Pandemie mehren sich die finanziellen Probleme vieler Haushalte, die Unsicherheiten nehmen wirtschaftlich und politisch zu. Trotzdem drang die demokratische Alternative der Demokratischen Partei nur unzureichend durch. Die Propagierung des „Grünen New Deal“ und der sozial-ökologischen Transformation führten nicht zu einer massiven „blauen Welle.“ Es bleibt abzuwarten, ob es der Regierung Biden gelingt, hier eine Veränderung zu erzielen und eine erfolgreiche Reformpolitik bei allen Schwierigkeiten durchzusetzen.(1)Der Aufsatz fasst die wesentlichen Punkte des Beitrages von Bischoff/Müller: „Kein Durchbruch der Demokraten bei den US-Wahlen“ in Sozialismus aktuell vom 6.11.20 zusammen

Politische Ökonomie heute

23. Oktober 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

POLITISCHE ÖKONOMIE HEUTE (1)

Der Finanzkapitalismus, wie er sich seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts darstellt, fordert die Linke heraus, sich über die Aktualität der Marxschen Theorie und zum Teil auch der Theorie von Keynes zu verständigen (2). Sie muss in der Lage sein, ökonomische, soziale und politische Verwerfungen von heute auf dieser Basis zu erklären und nachvollziehbare und überzeugende Lösungsvorschläge zu bieten.

Die Marxsche Theorie hat den Anspruch, die Grundstruktur des Kapitalismus und seine Entwicklungsperspektiven offenzulegen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Bürgerlichen Nationalökonomie um eine ahistorische Betrachtungsweise, die den Kapitalismus immer noch als die beste aller Welten ansieht. Die theoretische Grundlage unserer politischen Arbeit sollte demzufolge die Marxsche Theorie und in bestimmter Weise auch die Keynessche Theorie sein.

Auf Basis der Marxschen Theorie ist es möglich, zwei große Etappen des Kapitalismus zu unterscheiden. Die erste Etappe begann mit dem Ende des 18.Jahrhunderts bzw. dem Beginn des 19.Jahrhunderts. Diese Etappe war gekennzeichnet durch die Durchsetzung und Verallgemeinerung dieser Produktionsweise. Es entstand die Große Industrie mit Großbritannien als Weltmarktführer. Zum Ende des 19.Jahrhunderts bröckelte die Stellung Großbritanniens auf dem Weltmarkt und es traten die USA und auch das Deutsche Reich als Konkurrenten auf. Die historisch zweite Etappe eines beschleunigten Wachstums des Kapitalismus gründete sich auf die Rationalisierungsentwicklung in den USA (Fordismus) und begann schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.  Weltmarktführer waren nun die USA. Nach der 1.Weltwirtschaftskrise (1929-32) und den Zerstörungen des 2.Weltkrieges entwickelte sich ein prosperierender Kapitalismus. Der immanente Widerspruch des Kapitalismus erhielt eine ruhige Bewegungsform. Das heißt: Die wertschöpfende Arbeit (variables Kapital), die aufgrund der Produktivitätsentwicklung im Verhältnis zu den eingesetzten Maschinen (konstantes Kapital) eine abnehmende Tendenz hat, wurde mehr als ausgeglichen durch das Wachstum des eingesetzten Gesamtkapitals. Das hatte zur Folge, dass die Profitrate des industriellen Kapitals zwar durchgängig fiel aber die Profitmasse insgesamt anstieg.  Unter Profitrate versteht man das Verhältnis von Mehrwert/ konstantem + variablem Kapital. Da der produktive Arbeiter in Form des Arbeitslohnes den Wert seiner Arbeitskraft und nicht den Wert seiner Arbeit vergütet bekommt, produziert er neben dem Gegenwert für den Arbeitslohn noch einen Mehrwert, den sich der Kapitalist unentgeltlich aneignen kann. Da aber nur der Arbeiter Mehrwert produziert, muss bei abnehmendem variablem Kapital und zunehmendem konstanten Kapital die Profitrate abnehmen und damit auch die Profitmasse. Nur wenn das Gesamtkapital schneller wächst als die Profitrate fällt kann auch die Profitmasse wachsen.

Flankierend dazu griff der Staat nach dem 2.Weltkrieg stärker in die Verteilungsverhältnisse ein und entwickelte auch die Wirtschafts-Sozial- und Geldpolitik weiter. Durch den Ausbau des Sozialstaates, die Weiterentwicklung des Geld- und Währungssystems mit inkonvertiblen Zentralbanknoten und festen Wechselkursen (Bretton-Woods-System) sowie einer antizyklischen Wirtschaftspolitik gelang es für eine gewisse Zeit, dämpfend gegenüber konjunkturellen Schwankungen zu wirken. Im Ergebnis wurden die wirtschaftliche Wachstumsrate und Investitionsentwicklung verstetigt und befördert.

Der Strukturbruch der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Die ruhige Bewegungsform des immanenten Widerspruchs der kapitalistischen Produktionsweise fand ab der Mitte der 70er- Jahre ein Ende. Schon zu Beginn der 70er- Jahre zerbrach das Weltwährungssystem von Bretton-Woods mit dem Dollar als Leitwährung und dem System der festen Wechselkurse zwischen den beteiligten kapitalistischen Nationen. Das beschleunigte Wachstum des Kapitals (beschleunigte Kapitalakkumulation) wurde in den kapitalistischen Hauptländern durch eine sogenannte chronische Überakkumulation von Kapital abgelöst. Damit ist gemeint, dass eine Überreichlichkeit an Kapital besteht, die nicht im vollen Umfang profitabel im Produktionsbereich angelegt werden kann. Diese Situation tritt nicht nur kurzfristig-zyklisch auf, sondern im gesamten Konjunkturzyklus. Es gelingt jetzt nicht mehr, den Fall der Profitrate durch eine Steigerung der Profitmasse abzufangen. Der Verlauf des Zyklus verändert sich und es entsteht ein Verdrängungswettbewerb zwischen bereits fungierenden Kapitalen und Kapitalen, die neu angelegt werden sollen. Die Aufschwungsperioden werden kürzer und die Abschwünge sind tiefer und länger ausgeprägt. Während in der Zeit des beschleunigten Wachstums die Ursache der zyklischen Krise in der abnehmenden Profitexpansion im Investitionsgütersektor zu suchen war, ist es nun vor allem die unzureichende Konsumnachfrage, die zur Krise führt.

Die herrschende Politik versuchte und versucht, kapitalistische Auswege aus der von ihr nicht durchschauten chronischen Überakkumulation zu finden. Die Eingriffe der Politik wechselten mit den verschiedenen Phasen der Überakkumulation. Am Beginn der 70er Jahre stand die Phase der Stagflation, das heißt, die Warenpreise stiegen allgemein und das Wirtschaftswachstum stagnierte. Die Inflationierung der Warenpreise wurde hervorgerufen teilweise durch internationale Rohstoffpreissteigerungen (Erdöl) zum anderen Teil durch damals noch starke Steigerungen des privaten und staatlichen Konsums. Die vorteilhaften Marktbedingungen erlaubten es zu diesem Zeitpunkt entsprechende Lohnsteigerungen durchzusetzen und defizitfinanzierte Konjunkturprogramme aufzulegen. Das Problem war allerdings, dass die damals herrschende sozialdemokratische Politik bei dem Versuch der Konjunkturstabilisierung stehen blieb wo bereits sehr weitgehende Eingriffe in die kapitalistische Produktionsweise nötig gewesen wären (Stichwort Investitionssteuerung).  Es blieb bei Strohfeuereffekten der Konjunkturprogramme und es kam nicht zu einer dynamischen Investitionsentwicklung. Die Stagflation heizte andererseits die Kreditexpansion an und führte zu steigenden Zinssätzen, der Beginn einer gigantischen Aufblähung des Finanzsektors.

Die zweite Phase der chronischen Überakkumulation stand im Zeichen der sogenannten Angebotspolitik (Thatcher, Reagan, Kohl). Lohnsenkungen, Kürzungen von Sozialleistungen und eine auf unbedingte Preisstabilität orientierte Geldpolitik sind hier die Stichworte. Es sollten einerseits die Interessen der Geldvermögensbesitzer gesichert und andererseits der industrielle Profitratenverfall gestoppt werden. Es gelang, die Profitrate zu stabilisieren und die Inflationsrate und den Zinsfuß zu senken. Trotzdem trat die Schwäche des Massenkonsums immer deutlicher hervor. Die Steigerung der Verkäufe der warenproduzierenden Industrie wurde in Frage gestellt, die Kurse der Wertpapiere an den Börsen und die Immobilienpreise dagegen angefeuert. Das war im Sinne der Aktionäre und ihrer Vermögensverwalter, zum Beispiel des Vermögensverwalters Black Rock.Die wirtschaftliche Dynamik verlagerte sich zunehmend in die Finanzsphäre, es wurden immer neue „Finanzprodukte“ entwickelt, das überreichliche Kapital erhielt neue Anlagemöglichkeiten.

Damit hatte sich der Finanzkapitalismus durchgesetzt und die dritte Phase der chronischen Überakkumulation wurde eingeleitet. Da die Konsumschwäche der privaten Haushalte immer fühlbarer wurde, sollte nun die Expansion der Massennachfrage auf Kreditbasis stattfinden. Der Prozess endete mit einem Höhenflug der Wertpapierkurse, einer Immobilienpreisblase und dem Beinahe-Zusammenbruch des internationalen Bank- und Finanzsystems in der Finanzkrise 2007/2008 und der 2.Weltwirtschafts-krise.Der Zusammenbruch konnte verhindert werden, weil die wichtigsten Zentralbanken auf eine ultralockere Geldpolitik umschalteten, das heißt, den Geldmarkt mit billigem Geld überfluteten und unbegrenzt staatliche Schuldpapiere ankauften. Diese Politik wird bis heute fortgesetzt, weil Banken, Unternehmen und Privathaushalte ihre angehäuften Schuldenberge abbauen und dadurch Investitionen und die gesellschaftliche Nachfrage allgemein eingeschränkt werden. Dem versuchen die Zentralbanken durch ihre Geldpolitik zu begegnen. Zuerst stand die Sparpolitik der EU-Staaten, angeführt durch die Bundesrepublik, der EZB-Politik diametral entgegen (Politik der schwarzen Null). Inzwischen musste diese Politik wegen der Corona-Krise aufgegeben werden und es wird versucht, die massiven wirtschaftlichen Einbrüche durch staatliche Verschuldung abzufangen. Es ist allerdings nicht so, dass die Corona-Krise nur als exogener Schock zu interpretieren ist und nichts mit der kapitalistischen Produktionsweise zu tun hätte. Aktuelle Lebensweisen haben durchaus mit kapitalistischen Verhältnissen zu tun. Es besteht eine Wirkungskette von Waldrodung, Urbanisierung, kapitalistischer Agrarwirtschaft, industrieller Massentierhaltung und der Vermehrung ganz neuer, resistenter Viren auf Lebendtiermärkten (3).

Eine linke alternative Politik

Es wurde bisher deutlich gemacht, dass sich innerhalb der chronischen Überakkumulation kein erneutes langfristiges beschleunigtes Wachstum erreichen ließ.  Im Gegenteil, die wirtschaftliche Entwicklung wurde noch tiefer in die Krise getrieben. Wir müssen bei der chronischen Überakkumulation von einer nach innen gerichteten ökonomischen Spiralbewegung ausgehen, die uns die historische Begrenztheit der kapitalistischen Produktionsweise vor Augen führt. Alle Umverteilungsprozesse zugunsten der Profite haben es nicht erreicht, die Profitrate auf Dauer zu erhöhen. Marx hatte mit Recht einen tendenziellen Fall der Profitrate als Strukturmerkmal des Kapitalismus abgeleitet. Eine Stabilisierung der Masseneinkommen und damit der Konsumnachfrage sowie ein Schub bei den staatlichen Investitionen könnten zwar den Marsch in die Deflation und schließlich Depression aufhalten, aber kein neues nachhaltiges Entwicklungsmodell etablieren. Trotzdem sind die beiden Maßnahmen als wichtige Maßnahmen, gerade in Corona-Zeiten, auf dem Weg zu einer gesellschaftlichen Alternative anzusehen. Die wirkliche Alternative muss darin bestehen, die Dominanz der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und die Profitrate als Steuerungszentrum unserer Wirtschaftsordnung zurückzudrängen. Es geht vor allem darum, die wertschöpfende Basis der Gesellschaft gegenüber dem Finanzsektor Schritt für Schritt zu stärken. Eine sozialistische Marktwirtschaft wäre eine Alternative, die sowohl auf Basis der Marxschen Theorie aber auch auf der Grundlage von Keynes als Alternative zur heutigen Wirtschaftsordnung zu entwickeln wäre. Keynes forderte in seiner Allgemeinen Theorie eine „ziemlich umfassenden Sozialisierung der Investitionen.“ Damit meinte er eine weitgehende Steuerung gesellschaftlicher Investitionen durch den Staat, grenzte sich aber von der damaligen staatssozialistischen Planwirtschaft der Sowjetunion ab und sah auch nicht die Notwendigkeit, das private Eigentum an Produktionsmitteln in Frage zu stellen. Er blieb im Wesentlichen auf die Veränderung der Verteilungsverhältnisse der Gesellschaft fixiert.

Im Gegensatz dazu ging es Marx um eine grundlegende Veränderung der Produktionsverhältnisse und er betrachtete die Verteilungsverhältnisse nur als Kehrseite der Produktionsverhältnisse. Marx plädierte für eine gemeinschaftliche Produktion mit gesellschaftlichen Produktivkräften im Eigentum „assoziierter Produzenten.“ Er hat in diesem Zusammenhang immer die Wichtigkeit genossenschaftlicher Eigentumsformen betont und dem Kredit- und Banksystem eine besondere Rolle bei der Überwindung des Kapitalismus zugewiesen. Die gesellschaftliche Kontrolle über das Bank- und Kreditwesen gilt jedoch nur als ein Element der Veränderung neben einer Vielzahl von weiteren Veränderungen. Dazu gehört die Mitentscheidung der unmittelbar Beschäftigten über die grundlegenden Unternehmensentscheidungen über das Was, Wie und Für Wen der Produktion. Ferner gehört dazu das Miteigentum der unmittelbar Beschäftigten an den Produktionsmitteln. Insgesamt gilt, dass es notwendig ist, eine integrierte Struktur- Finanz- und Geldpolitik zur Steuerung der marktvermittelten Ressourcen zu verwirklichen und damit den kapitalistischen Charakter der Warenproduktion und Warenzirkulation zurückzudrängen. Eine völlige Aufhebung der Marktvermittlung wird nur in einer Gesellschaft gelingen, die aufgrund ihres Überflusses diese Vermittlung der Ressourcenverteilung nicht mehr benötigt. Davon konnte aber in den ehemaligen staatssozialistischen Ländern überhaupt nicht die Rede sein. Die zentrale Planung in diesen Ländern führte zu riesigen Schattenwirtschaften, die ihre Mängel nur ausgleichen konnten, indem die Betriebe neben der zentralen Ressourcenzuteilung illegal Marktbeziehungen mit anderen Staatsbetrieben aufbauten. Diese informellen Marktbeziehungen waren in der Regel mit persönlichen Bereicherungen, Vetternwirtschaft und Korruption verknüpft. Auch die Tatsache, dass Betriebe der Produktionsmittelproduktion neben ihrem Hauptprodukt auch noch Konsumgüter herstellen mussten, war die offizielle Anerkenntnis, dass die zentrale Ressourcenzuweisung und die administrativ festgesetzten Preise den gesellschaftlichen Bedarf nicht befriedigen konnten und die Preiskalkulation in vielen Fällen nicht kostenorientiert war. Die Schlussfolgerung für eine zeitgemäße Sozialismuskonzeption muss somit lauten: 

Eine sozialistische Ökonomie für entwickelte Volkswirtschaften muss eine Marktwirtschaft sein, die den Ware-Geld-Beziehungen und den dezentralen Entscheidungen auf Unternehmensebene gegenüber der Priorität gesellschaftlicher Steuerung eine wichtige Funktion zumisst. Ein solcher Marktsozialismus kann sich dabei gerade auf Marx berufen. Dies kann anhand der Marxschen Bestimmung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit gezeigt werden. Zunächst ist bei Marx gesellschaftlich notwendige Arbeit die Arbeit, die erforderlich ist, um einen Gebrauchswert unter gesellschaftlichen Durchschnittsbedingungen mit durchschnittlicher Qualifikation herzustellen. Das im Rahmen einer zentralen Planung exakt zu quantifizieren ist nicht möglich. Noch weniger ist es möglich, die zweite Bestimmung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, gegeben durch das Maß der zahlungsfähigen Nachfrage, von vornherein genau zu bestimmen. Auch hier versagt die zentrale Planung, wenn sie die zukünftige gesellschaftliche Nachfrage genau quantifizieren soll. Es bleibt zudem durch die Preiselastizitäten des Angebots und der Nachfrage ein höchst variabler Zusammenhang von Angebot und Nachfrage. All dies verweist auf eine Gesellschaft, in der nicht nur eine zentrale Steuerung wichtiger Investitionen, sondern wesentlich auch eine marktvermittelte Ressourcenverteilung stattfinden muss. Das wird auf Dauer nur gelingen, wenn die demokratische Linke wirtschaftsdemokratische Verhältnisse als wirkliche Alternative zum Kapitalismus glaubhaft und überzeugend darstellen kann und mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen zur Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise verbindet. Gerade die Corona-Pandemie zeigt, dass eine gesellschaftlich kontrollierte ökonomische Entwicklung jenseits der kapitalistischen Produktionsweise notwendig ist.

(1)Der Aufsatz basiert im Wesentlichen auf den Texten von Stephan Krüger: Entwicklung des deutschen Kapitalismus 1950-2013 Hamburg 2015 und Wirtschaftspolitik und Sozialismus Hamburg 2016.

(2) Siehe auch: Joachim Bischoff u.a. Vom Kapital lernen, Hamburg 2017.

(3) Siehe dazu: Christoph Lieber, Krise und „Normalität“, Zeitschrift Sozialismus, Heft 6/2020, S.45-51