Entwicklung und Ende des Kapitalismus

30. April 2021  Allgemein

Dr. Peter Behnen
Die Linke Freiburg

DIE ENTWICKLUNG UND DAS ENDE DES KAPITALISMUS (1)
Interessant ist, dass, wenn über die Zukunft des Kapitalismus gesprochen wird, auch von bürgerlicher Seite wieder verstärkt über Karl Marx und „Das Kapital“ gesprochen wird. Es ist heute selbstverständlicher als in den Nachkriegsjahren und der Zeit des Kalten Krieges geworden, grundsätzlich über den Kapitalismus nachzudenken und über seine Zukunftschancen zu diskutieren. In der Regel wird Marx als großer Philosoph wahrgenommen, weniger jedoch als jemand, der die ökonomische Struktur dieser Gesellschaft dargestellt hat. Das soll jedoch hier nicht geschehen geschehen, es soll von meiner Seite auf Basis der Marxschen Theorie die Zukunft des Kapitalismus näher beleuchtet werden. Entsprechend soll, hoffentlich in verständlicher Form, zuerst die Kernstruktur des Kapitalismus, dann seine historischen Betriebsweisen, dann kurz die Frage des digitalen Kapitalismus und zum Schluss die Bewusstseinsformen vieler Bürger und die Möglichkeit der Überwindung des Kapitalismus dargestellt werden. Nähere Definitionen erfolgen in den einzelnen Abschnitten.
Die Kernstruktur des Kapitalismus
Marxens Anspruch war, die ökonomischen Bewegungsgesetze der bürgerlichen Gesellschaft zu ergründen, das heißt, nach welchen Gesetzen diese Wirtschaftsordnung funktioniert. Im Gegensatz zur bürgerlichen Ökonomie geht es in der Marxschen Theorie darum, das Spezifische der gesellschaftlichen Arbeit und ihre Verteilung auf das gesamte ökonomische System zu erfassen. Da wir in einer warenproduzierenden Gesellschaft leben, dient die Ware als Ausgangspunkt der Betrachtung. Jede Ware hat eine doppelte Bestimmung, sie ist Gebrauchswert und Wert. Einerseits muss sie einen Gebrauchswert haben, damit der Warenkäufer etwas damit anfangen kann, sie hat außerdem einen Wert, das heißt, sie ist als ein Teil der gesellschaftlichen Arbeit zu betrachten. Im Gegensatz zum Gebrauchswert der Ware, den jeder Mensch direkt erfahren kann, zum Beispiel man kann sich mit dem Auto fortbewegen, ist der Wert als Teil der gesamten gesellschaftlichen Arbeit eine gesellschaftliche Qualität, die nicht direkt an der Ware fassbar ist. Sie stellt sich dann in ihrem Tauschwert also in einem Geldbetrag dar. Marx gräbt tiefer und geht auf die gesellschaftliche Arbeit zurück. Die Arbeit, soweit sie einen Gebrauchswert erstellt, bezeichnet er als konkret-nützliche Arbeit und die gleiche Arbeit, die sich im Wert darstellt, nennt er allgemein gesellschaftliche Arbeit. An dieser Stelle wurde häufig die Forderung erhoben, Marx müsse seinen Wertbegriff beweisen. Marx weist das zurück und sagt, dass es um gesellschaftliche Arbeit gehe, die in jeder Gesellschaft in einer gewissen Anzahl von Arbeitsstunden gegeben sei und entsprechend den gesellschaftlichen Bedürfnissen auf verschiedene Wirtschaftssektoren verteilt werden müsse. In der warenproduzierenden kapitalistischen Gesellschaft sei es eben der Wert der Waren, über den die Verteilung der zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Arbeitsstunden vorgenommen werde.
Marx kommt in seinem Forschungsprozess zu der Einsicht, dass auch die Arbeitskraft als Ware fungiere, also wie jede andere Ware auch am Markt von der Arbeiterin bzw. Arbeiter zu verkaufen sei. Der Kapitalist kauft die Ware aber nicht, wenn sie ihm keinen Mehrwert abwirft. Was heißt das? Das geschieht im Produktionsprozess, in dem der Arbeitstag in die notwendige und Mehrarbeitszeit geteilt wird, ohne dass das den Beteiligten bewusst wird. In der notwendigen Arbeitszeit, zum Beispiel 4 Stunden, wird vom Arbeitenden der Gegenwert für den Wert seiner Ware Arbeitskraft, die vom Kapitalisten mit dem Lohn vergütet wurde, geschaffen und in der verbleibenden Mehrarbeitszeit der Mehrwert, den sich der Kapitalist unentgeltlich aneignet. Der Mehrwert kann ausgeweitet werden durch die Verlängerung des Arbeitstages und der Mehrarbeitszeit oder durch die Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit vermittels der Produktivkraftentwicklung oder technischen Entwicklung. Dem Kapitalisten geht es nur um diesen Mehrwert, nur deswegen lässt er überhaupt produzieren. Er eignet sich den Mehrwert unentgeltlich an, das nennt Marx die Ausbeutung des Arbeitenden. Die Aneignung des Mehrwertes wird verschleiert, weil der an den Arbeitenden gezahlte Arbeitslohn angeblich die Arbeit entlohnt und nicht die Arbeitskraft. Schon der Begriff Arbeitslohn ist irreführend, es wird nicht die Arbeit entlohnt, sondern der schon vorher vollzogene Verkauf der Arbeitskraft. Wenn der Arbeitende zu arbeiten beginnt, gehört ihm die Arbeitskraft gar nicht mehr, sondern der Kapitalist kann sie für seine Produktion verwenden.
An der Oberfläche der Gesellschaft, treten sich die Beteiligten des Wirtschaftslebens als angeblich selbstbestimmte Warenbesitzer gegenüber. Sie erhalten für ihre angebliche Leistung jeder ein bestimmtes Einkommen, der Arbeiter den Lohn, der Kapitalist den Profit bzw. Zins und der Grundeigentümer die sogenannte Grundrente. Jeder dieser Produktionsfaktoren erhält für die Wirtschaftsakteure scheinbar ein ihrer Leistung entsprechendes Einkommen. Im Gegensatz dazu galt es für Marx den komplizierten Zusammenhang von der Mehrwertproduktion. der immer wieder neuen Reproduktion des Ausbeutungsverhältnisses und der Oberfläche der Gesellschaft zu entschlüsseln. Der Kreislauf beginnt mit dem Verkauf der Arbeitskraft in der Zirkulation, geht weiter in der Produktion, die den Mehrwert abwerfen muss, um dann am Markt realisiert zu werden und den Kreislauf von neuem beginnen zu können. Der Kreislauf wird immer wieder durch Krisen unterbrochen, die für die Arbeiterklasse und Lohnabhängigen allgemein Anknüpfungspunkte für die Entwicklung von Klassenbewusstsein erbringen können aber nicht unmittelbar müssen, das sehen wir gerade heute. Die Entwicklung von Klassenbewusstsein ist deswegen schwierig, weil der Großteil der Bürger bzw. Lohnabhängigen durch die Struktur der Gesellschaft dem Schein unterliegt, für die Schöpfung und Verteilung des Reichtums sei die eigene Leistung maßgebend. Diese Bewusstseinsform gilt es aufzulösen, wenn man andere Verteilungsverhältnisse, andere Strukturen sozialer Sicherheit und eine andere staatliche Ausgabenpolitik auf Dauer erreichen will. Diese Bewusstseinsentwicklung muss die Arbeitszeiten und eine neue Einkommens- und Vermögensentwicklung in den Fokus nehmen und schließlich zur Erkenntnis führen, dass die Einkommens- und Vermögensverteilung nur die Kehrseite der Verhältnisse in der Produktion ist. Das wird nur Schritt für Schritt geschehen können. Aus der Sicht von Marx bricht die kapitalistische Ordnung nicht einfach zusammen, sondern es entstehen materielle und geistige Bedingungen der Überwindung des Kapitalismus, vor allem hervorgerufen durch die Entwicklung der Produktivkräfte (technische Entwicklung) und einschneidenden Krisen. Dann könne ein „enormes Bewusstsein“ entstehen, das zu einer Weiterentwicklung führe. Die Vorstellung bei einigen historischen Vertretern der Arbeiterbewegung, eine schnelle Abschaffung der Warenproduktion und des Geldes und ihr Ersatz durch die Steuerung des Wirtschaftslebens durch eine zentrale Planungsbehörde war schon immer absurd und hat, wie der reale Sozialismus gezeigt hat, zu katastrophalen Ergebnissen geführt. Die Probleme bei der Versorgung der Bürger in der DDR und anderen Staaten des Realsozialismus, die langsamere technische Entwicklung und vor allem die Rücknahme von Freiheitsrechten der Bürger ist uns allen noch im Gedächtnis.
Historische Betriebsweisen des Kapitalismus.
Nach der Betrachtung wichtiger Punkte der Kernstruktur des Kapitalismus muss es nun darum gehen, die kapitalistische Wirtschaftsordnung in eine lange historische Kette von verschiedenen Betriebsweisen einzuordnen. Was ist damit gemeint?
Marx versteht unter einer Betriebsweise einerseits den Produktionsprozess mit einem ihn dominierenden technischen Prozess. Darüber erhebt sich dann ein bestimmter Überbau, das heißt, eine entsprechende Struktur des Staates und des Rechtswesens und eines bestimmten gesellschaftlichen Bewusstseins. Also der Begriff der Betriebsweise beinhaltet einen ganzen Gesellschaftsmechanismus, aber die Grundlage bleibt immer die Organisation und technische Form des Produktionsprozesses.
Die erste Betriebsweise des Kapitalismus war die große Industrie des 19.Jahrhunderts mit dem Einsatz von Maschinen. Sie differenziert die betriebliche und gesellschaftliche Arbeitsteilung, erfordert neue Transport- und Kommunikationsmittel (Eisenbahn, Elektrizität, Telefonie) und ist mit einer Fabrikgesetzgebung, der Erkämpfung des 10-Stunden-Tages sowie mit Auswirkungen auf die Bildungseinrichtungen und Familienstrukturen verbunden. Diese Entwicklung begann in Großbritannien und zeitversetzt dann auch in den USA und dem Deutschen Reich.
Die zweite industrielle Betriebsweise entwickelte sich nach dem 1.Weltkrieg in den USA mit dem sogenannten Fordismus. Der Name weist auf die Automobilproduktion von Ford hin. Es kam zur Fließbandproduktion, also zu einer neuen innerbetrieblichen Arbeitsteilung mit Massenproduktion. Es ging auch um den Verkauf dieser massenhaften Produktion. Gewerkschaften und arbeitnehmerorientierte Parteien wurden zu wichtigen Akteuren der Zivilgesellschaft und der Sozialstaat erfuhr einen erheblichen Ausbau. Der Fordismus als zweite Betriebsweise des Kapitalismus wurde später auch als das goldene Zeitalter des Kapitalismus bezeichnet, unter anderem auch deswegen, weil seit 1944 mit dem Bretton-Woods- System ein internationales Weltwährungssystem etabliert wurde. Der US-Dollar wurde die zentrale Weltwährung, er war gegen Gold umtauschbar und die dem System angeschlossenen Länder hielten die Kurschwankungen ihrer Währungen in engen Grenzen. Die Finanzmärkte wurden streng kontrolliert. Auf dem Weltmarkt dominierten die USA,
Die Erosion der US-Hegemonie begann schon in den 60er Jahren vor allem durch die Konkurrenz der Ökonomien der Bundesrepublik und Japans. Wichtiger war jedoch, dass für alle kapitalistischen Länder ein Fall der durchschnittlichen Profitrate (Verhältnis von Profit zu eingesetztem Kapital) wirksam wurde bei gleichzeitigem langsamerem Wachstume der gesellschaftlichen Profitmasse. Das soll anhand eines Zahlenbeispiels erklärt werden.
Zahlenbeispiel:
Definitionen: m= Mehrwert c=konstantes Kapital (Maschinen, Rohstoffe, Grundstücke etc.) v= variables Kapital (Arbeitskräfte).
Profitrate= m/c+v
m entsteht durch Mehrarbeitszeit von v im Produktionsprozess. C wächst schneller als v wegen Steigerung der Arbeitsproduktivität.
Ausgangslage: m =100 c=50 v= 50 daraus folgt: Profitrate 100%
Prosperierender Kapitalismus: c und v wachsen beide z.B. c um 20% und v um 10% daraus folgt: m=110 v=55 c=60 Profitrate =95,6%
Die Profitrate ist gefallen, aber die Profitmasse ist wegen der Steigerung von v auf 110 gewachsen. Es ist eine erweiterte Reproduktion möglich.
Strukturelle Überakkumulation: c wächst weiter und v stagniert, zum Beispiel c um 10% und v um 0%. Daraus Folgt m=110 c=66 v=55 Profitrate= 90,9%.
Die Profitrate ist weiter gefallen, die Profitnasse stagniert, weil v stagniert. Ein Teil des Kapitals geht unter und ein weiterer Teil weicht auf die Finanzmärkte aus wegen der Kurssteigerungen bei Wertpapieren und Immobilien. Spekulationsgeschäfte blühen und Finanzmärkte überhitzen. Die Finanzkrisen sind das Ergebnis und eine strikte Regulierung der Finanzmärkte wäre notwendig.
Deutlich wurde das Ende der Nachkriegsprosperität an der Weltwirtschaftskrise 1974/75. Das Bretton-Woods-System brach zusammen. Von marxistischer Seite wurde schon sehr früh von einer strukturellen Überakkumulation gesprochen. Das bedeutet, dass die Profitrate tendenziell fiel, was noch kein Problem war, solange durch steigende Kapitaleinsätze die Profitmasse noch weiter wuchs. Als aber die Profitmasse ab der Mitte der 70er auch langsamer wuchs, begann die Flucht auf die Finanzmärkte. Die Konsequenz, die viele Kapitalisten zogen, war, dass sie ihr Kapital umlenkten auf die Finanz- und Immobilienmärkte, in der Hoffnung durch Kurssteigerungen bei Wertpapieren und durch Spekulation an Börsen und bei Immobilien dem Niedergang ihres Kapitals zu entgehen. Das Resultat war eine wirtschaftliche Scheinblüte und die Finanzkrise 2007/2008. Auch eine ultralockere Geldpolitik, also eine massive Überschwemmung der Wirtschaft mit Finanzmitteln der Zentralbanken, führte nicht zu einem beschleunigten Wirtschaftswachstum, die wichtigste Voraussetzung für eine neue Betriebsweise. Es ist zu sehen, ob das mit dem digitalen Kapitalismus gelingen kann.
Der digitale Kapitalismus
Die Produktivkraftentwicklung (technische Entwicklung) im Kapitalismus mit einer neuen Form der Arbeitsteilung wurde auf eine neue Stufe gehoben durch die Bildung von Netzwerken, genannt Plattformökonomie. Plattformunternehmen wie Google, Facebook, Amazon, Uber und Airbnb erhielten ein besonderes Gewicht. Wir bekommen das im Privatleben und Arbeitsleben hautnah mit. Es findet auf diese Weise eine Rationalisierung statt, die allerdings mit Problemen verbunden ist.
1.Cloud und Clickworker können an verschiedenen Orten der Welt tätig sein. Es fehlt der direkte Kontakt der Beschäftigten zueinander und führt eventuell zur Untergrabung von solidarischem Verhalten
2.Es entsteht als Folge eine Fragmentierung der Belegschaft
3.Es ist Home-Office möglich mit einerseits mehr Freiheitsspielräumen aber auch der Gefahr der Selbstausbeutung
Es wird damit notwendig, eine erweiterte Mitbestimmung der Beschäftigten durchzusetzen, eventuell mit Untermauerung durch eine Beteiligung am Produktivkapital (Maschinen, Rohstoffe, Grundstücke). Damit kommt man zur entscheidenden Frage der kapitalistischen Produktionsweise. Plattformökonomien steigern die Produktivkräfte wie gehabt durch die Einsparung lebendiger Arbeit und auch beim Maschineneinsatz. Der Fall der durchschnittlichen Profitrate wird aufgehalten durch verlängerte Arbeitszeiten inzwischen aber auch durch Verlangsamung der Produktivitätssteigerungen. Die strukturelle Überakkumulation wird jedoch nicht überwunden, im Gegenteil, die Geldpolitik der Zentralbanken stachelt die Wertpapierkurse und die Spekulation an. Das Kredit- und Banksystem kommt ins Wanken und wichtige Währungen (Dollar, Euro etc.) werden geschwächt. Da die Profitraten unzureichend gesteigert werden, gelingt auch kein Übergang in eine neue dritte Betriebsweise des digitalen Kapitalismus.
Die Schlussfolgerung ist, dass eine Weiterentwicklung der Produktivkräfte durch Zurückdrängung der kapitalistischen Produktionsweise und der Profitrate als Steuerungsinstrument erfolgen muss. Angesagt ist eine gesamtgesellschaftliche Rahmenplanung, erweiterte Mitbestimmung der Beschäftigten und Verwirklichung einer Wirtschaftsdemokratie. Die Frage ist allerdings: Wie kann das gesellschaftliche Bewusstsein sich so verändern, dass dieser Weg gegangen werden kann?
Die Entwicklung eines gesellschaftsverändernden Bewusstseins
Es ist damit zu beginnen, was Marx als „ökonomische Alltagsreligion“ be-zeichnet hat. Fest steht, dass die Lohnarbeit das strukturierende Element für den Lebensalltag der meisten Haushalte ist. Die Mitglieder vieler Haushalte unterliegen bestimmten bewusstseinsmäßigen Verdrehungen (Mystifikationen) Die gesellschaftliche Wertschöpfung in der Produktion erscheint für sie als das Resultat des Zusammenwirkens verschiedener Einkommensbezieher, der Arbeiter, Kapitalisten und Grundeigentümer. Sie sehen sich als freie und selbstbestimmte Wirtschaftssubjekte. Wenn ein gewisses Maß an Umverteilung von Einkommen- und Vermögen stattfand, hat das auch ihre Freiheitsspielräume erweitert. Kultur und staatlicher Überbau verfeinerten sich und erhöhten individuelle Spielräume. Dieser Prozess, der auch noch im Finanzmarktkapitalismus der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts stattfand, beherbergt aber auch Widersprüche. Durch die Marktöffnung in verschiedenen Bereichen ergab sich eine zunehmende soziale Unsicherheit. Beschäftigte wurden aufgefordert, in Zukunft selbstverantwortlicher zu handeln und wurden dadurch ein dankbares Objekt von Über- und Unterordnungsstrategien, ohne, wie noch im Fordismus, sozial aufgefangen zu werden. Alle Macht den Märkten wurde die Devise. Versprechen, die noch die alte soziale Marktwirtschaft gegeben hatte (z. B. Leistung wird sich lohnen, jeder ist seines Glückes Schmied etc) wurden untergraben. Teile der Mittelklasse und auch der Arbeiterklasse waren besonders betroffen und wurden empfänglich für rechtspopulistische Versprechen. Die Corona-Krise erzwang allerdings eine zeitweilige Abwendung von der Politik der Marktöffnung und eine massive staatliche Verschuldung zur Abwehr der Krisenfolgen. Es wird jedoch darauf ankommen, dass nach der Coronakrise nicht zur neoliberalen Politik zurückgegangen wird und die Lasten der Krise nicht wieder bei Lohnabhängigen und Sozialleistungsempfängern der Gesellschaft abgeladen werden.
Aber es entstanden auch Ansatzpunkte für eine linke Politik insbesondere im Rahmen der Erwerbsarbeit, beim Wohnen, bei Bildung, bei der Umweltpolitik und bei Gesundheit und Pflege auch wegen und nach der Coronakrise.
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Somit gilt es neben der Wirtschaftsdemokratie den ökologischen Umbau, ressourcensparende Produktqualität, Gruppenarbeit und enthierarchisierende Arbeitsprozesse jenseits des privaten Profitmotivs zu verwirklichen. Das wird nicht gehen ohne das private Eigentum an Produktionsmitteln zurückzudrängen.
Die neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wird ein demokratischer Sozialismus und eine sozialistische Marktwirtschaft sein müssen. Dabei sind eine klare Ablehnung und Aufarbeitung der Fehler des sogenannten realen Sozialismus unbedingt notwendig. Nur so werden Ressentiments gegen eine sozialistische Politik angegangen werden können und der Kampf gegen den Rechtspopulismus erfolgreich sein.
(1)Für den Aufsatz wurde der Text von Bischoff u.a. Die Anatomie und Zukunft der bürgerlichen Gesellschaft, Hamburg 2018, zur Grundlage genommen.