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Das Ende des Kapitalismus?

31. Mai 2020  Allgemein

Die Corona-Krise und die massive Staatsverschuldung sollten Anlass genug sein, grundlegend über unsere Wirtschaftsordnung nachzudenken.

Schon nach der Finanzkrise 2007 entstand die Frage, ob wir uns in einer grundlegenden Krise des Kapitalismus befinden. Es zeigt sich heute, dass die enorme Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus nicht schrankenlos ist. Diese Produktionsweise hat eine unüberschreitbare Schranke, die Entwicklung der Produktivkräfte gerät in einen Wider-spruch zu den Produktionsverhältnissen, es kommt zur gewaltsamen Vernichtung von Kapital mit der Perspektive einer höheren Form der Produktion.                          

Die Situation heute ist durch schneidende Widersprüche, Krisen und Krämpfe gekennzeichnet, nicht erst seit Beginn der Corona- Krise. Sie nahm ihren Anfang Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, vor allem in den USA als führende kapitalistische Wirtschaftsmacht. Das wachsende Handelsdefizit der USA sorgte für Profite ausländischer Konkurrenten und rund 70 Prozent dieser Profite landete wieder auf US-amerikanischen Finanzmärkten. Die Finanzmärkte wurden dereguliert und das System von Bretton- Woods brach zusammen. Die Weltwirtschaftskrise 1975 gilt inzwischen für viele Ökonomen als das Ende der Nachkriegsprosperität. Lediglich von marxistischer Seite wurde dieser Knotenpunkt als der Beginn einer chronischen Überakkumulation identifiziert, der gekennzeichnet war durch den gleichzeitigen Fall der gesellschaftlichen Durchschnittsprofitrate und der Stagnation und den Rückgang der gesellschaftlichen Profitmasse. Seit dieser Zeit wurde die Spekulation auf den Finanzmärkten Trumpf, das Kapital geriet auf den Weg der Abenteurer. Es gelang allerdings die Globalisierung der Weltwirtschaft bis zur Wirtschafts- und Finanzkrise von 2007 einigermaßen zu stabilisieren. Das globale Finanzsystem wurde nun ausgehend von der Krise am Immobilienmarkt der USA mit in den Abgrund gezogen. Viele Banken hielten zu wenig Liquidität und Kapital, um die notleidend gewordenen Kredite zu bedienen. Die Reaktion vieler Staaten bestand darin, Banken mit Steuergeldern zu retten, aber die US- Wirtschaft konnte den Kapitalismus nicht mehr ins Gleichgewicht bringen. Die Situation heute sieht zusammengefasst so aus:

Ultraniedrige Zinsen, fallende Preisentwicklung, die Ersparnisse sind auf einem Rekordhoch, die produktiven Investitionen sind zu niedrig, Gefahr des erneuten Platzens von Kurs- und Vermögensblasen, politische Gefahr des Protektionismus und des Rechtspopulismus.

Inzwischen ist von einer „säkularen Stagnation“ die Rede. Der Begriff geht auf Alvin Hansen aus dem Jahre 1939 zurück. Damit gemeint ist eine langanhaltende Wirtschaftsschwäche. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

1. Die wachsende Einkommensungleichheit dämpft die gesellschaftliche Nachfrage.

2. Mit hohem Einkommen nehmen die Ersparnisse zu. Es entsteht eine Stagnationstendenz.

3. Die fehlende Konsumtion kann nicht durch Investitionen ausgeglichen werden, weil der Kapitalbestand heute schon sehr hoch ist.

4. Es fehlen ausreichende öffentliche Investitionen, zum Beispiel in die Infrastruktur und die Bildung, als Voraussetzung für eine hohe gesamtwirtschaftliche Produktivität. Es fließen zu viele Gelder in den Schuldendienst.

Der direkte Indikator für eine „säkulare Stagnation“ ist also ein dauerhaft niedriges Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Das Kapitalangebot ist größer als die Nachfrage nach Krediten für produktive Investitionen. Der Nominalzinssatz beträgt nahe 0 Prozent und es besteht eine Deflations-tendenz auf den Warenmärkten. Unter diesen Bedingungen kann die Arbeitslosigkeit nur schwer abgebaut werden und durch die niedrigen Zinsen werden Kreditblasen, Blasen an den Vermögensmärkten und Spekulationsblasen befördert. Trotzdem bleiben die Zentralbanken bei der Niedrigzinspolitik und der Flutung der Märkte mit Geldkapital, jetzt auch massiv in der Coronazeit. Die Weltwirtschaft jedoch expandiert verhalten, bleibt instabil und schraubt sich weiter in die Tiefe. Gestoppt werden kann dieser Prozess nur durch staatliche Interventionen. Die Alternative zur bisher praktizierten Austeritätspolitik ist ein außergewöhnliches Reformpaket, eine Art New Deal aus Geld-Fiskal und Strukturpolitik. Da die Geldpolitik nicht alleine erfolgreich sein kann, müssen durch die Finanzierung über den Anleihemarkt Infrastrukturprojekte in den USA und Europa in Gang gesetzt werden. Der Nachholbedarf bei der Infrastruktur ist überall groß und das Zinsniveau augenblicklich extrem niedrig. Alle Maßnahmen müssen auch der Stärkung des Massenkonsums und des Ausbaus der sozialen Sicherung dienen verbunden mit einer Steuerpolitik, die Besserverdienende und Spitzenverdiener besonders heranzieht. All das muss in eine längerfristige Strukturpolitik eingebettet werden. Dabei ist eine neue Struktur des Finanzsektors vordringlich, Eingriffe in Geschäftsfelder der Banken eventuell mit Verstaatlichungen sind angesagt. Strikte Kapitalverkehrskontrollen und eine Besteuerung internationaler Finanzströme stehen auf der Tagesordnung. Eine Bereinigung der faulen Schulden muss in einem geordneten Prozess erfolgen. Das gilt auch und gerade nach der Corona-Krise. Die massive Staatsverschuldung ist zurückzuführen, insbesondere dann, wenn dadurch ein überdimensionierter Geldüberhang entstanden ist. Wenn das auf lange Sicht nicht geschieht und der Abbau nicht in einem geordneten Prozess erfolgt, ist damit zu rechnen, dass das Finanz- und Geldsystem erodiert mit katastrophalen Folgen im ökonomischen und sozialen Bereich. Wenn allerdings die staatliche Verschuldung von einer sozial orientierten Steuerpolitik schrittweise abgelöst wird, eine massive Regulierung des Finanzsektors erfolgt und schrittweise eine  Relativierung des privaten Profits im realen Sektor durchgeführt wird, eröffnet sich ein Weg zu einer wirtschaftsdemokratischen Ordnung. Es muss heute klar sein, dass wir uns in einer Systemkrise befinden. Deswegen sind Schritte zu einem neuen Wirtschafts- und Finanzsystem unverzichtbar. Die Markt- und Kapitalsteuerung ohne strikte Regulierungen und demokratische Kontrollen werden gesellschaftlich katastrophale Entwicklungen hervorrufen. Dabei steht die Regulierung des Finanzsektors an vorderster Stelle. Marx hat die Bedeutung des Kreditsektors auch zur Systemänderung treffend dargestellt. Einerseits beschleunigt dieser Sektor die Entwicklung der Produktivkräfte   und des Weltmarktes andererseits aber auch die Krisenentwicklung und die Auflösung der Produktionsweise. Deswegen muss der kontrollierte Finanzsektor als mächtiger Hebel zur Verwirklichung einer sozialistischen Marktwirtschaft genutzt werden. Das bedeutet, das aktuellen Wirtschaftssystem ist schrittweise durch eine demokratische Organisation des Wirtschaftslebens aufzulösen, ohne allerdings in die grundlegenden Fehler des niedergegangenen Realsozialismus zu verfallen. Andererseits ist nach der Corona-Krise aber auch ein Rückfall in alte neoliberale Zeiten massiv zu bekämpfen. Dazu bedarf es eines überzeugenden Programms der demokratischen Linken, das politisch mehrheitsfähig ist und glaubwürdig vertreten wird. 

Europäische Zentralbank contra Bundesverfassungsgericht

10. Mai 2020  Allgemein

DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK (EZB) CONTRA BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVG) (1)

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer Entscheidung festgestellt, der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB verstoße teilweise gegen das Grundgesetz. Der Grund sei, dass die Bundesregierung und der Bundestag die EZB-Maßnahmen nicht geprüft hätten. Der Gerichtspräsident Voßkuhle dazu: „Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung der PSPP entgegenzutreten.“

Was ist damit gemeint?

Es geht um das schon seit Jahren laufende EZB-Programm, bei dem Staatspapiere der Euroländer gekauft werden. Es trägt den Namen „Public Sector Purchase Programme“ (PSPP). Das Ziel des Programms war und ist, die Wirtschaft im Euroraum nicht in eine gefährliche Deflation rutschen zu lassen. Das Programm läuft seit 2015 und es wurden Wertpapiere im Umfang von 2,2 Billionen Euro erworben. Dadurch wurde laut EZB das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum und die Inflation um 1,9 % erhöht und die Refinanzierungskosten der Mitgliedsländer stark gesenkt. Kritik an dieser Politik wurde bereits 2017 vom Bundesverfassungsgericht geübt, es bezweifelte die Rechtmäßigkeit des Programms und legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Das entschied allerdings, dass das EZB-Programm mit dem EU-Recht vereinbar sei.

Die Anleihekäufe der EZB erhielten nun mit der Corona-Krise eine neue Dimension, das heißt, das laufende Kaufprogramm wurde erhöht und ein Extra-Krisenprogramm zusätzlich aufgelegt. Das Extra-Programm wurde vom Verfassungsgericht nicht beanstandet. Die EZB schleust somit zusätzliches Geld in den Umlauf und betreibt eine zusätzliche Geldschöpfung. Das Ziel ist wiederum, eine Zinssenkung und weitere Begünstigung der Investitionen zu erreichen. Kritiker des Programms befürchten eine negative Wirkung auf die Sparvermögen und dass die inflationäre Entwicklung außer Kontrolle geraten und die Geld- und Vermögensordnung untergraben werden könnte. Zu den Kritikern und eigentlichen Klägern gehören die Rechtskonservativen Patrick Adenauer, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die ehemaligen AFD-Mitglieder Lucke und Henkel. Sie kritisieren zudem, die EZB betreibe auf diese Weise Wirtschaftspolitik und greife verschuldeten Staaten unter die Arme, betreibe also eine verbotene Staatsfinanzierung. Dieser Auffassung will sich das Verfassungsgericht allerdings nicht anschließen.

Trotzdem hat das Urteil des Verfassungsgerichts Konsequenzen. Der Deutschen Bundesbank wird nach einer Übergangsfrist von bis zu 3 Monaten untersagt, an dem EZB-Programm weiter mitzuwirken, wenn der EZB nicht der Nachweis gelingt, dass ihr Programm verhältnismäßig sei, also für die Verfolgung ihrer Ziele notwendig. Das Verfassungsgericht erklärte, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2018 sei willkürlich und nicht bindend für die Bundesrepublik. Der Bundestag und die Bundesregierung hätten die Verhältnismäßigkeit des EZB-Programms nicht geprüft und damit Grundrechte verletzt. Trotzdem sehe es nicht, dass die EZB Staatsfinanzierung zu Gunsten verschuldeter Eurostaaten betrieben habe. Es forderte aber die Deutsche Bundesbank dazu auf, auf den Abbau der Bestände an Staatsanleihen bei der EZB hinzuwirken.

Doch da ist offensichtlich die Schwierigkeit. Seit der Finanzkrise 2008ff ist es nicht gelungen, einen Abbau der Staats- und Unternehmensanleihen zu erreichen. Die Vorgabe des Verfassungsgerichtes, zu einem Abbau zu kommen, hätte schwerwiegende Folgen für die Handlungsfähigkeit der EZB. Die alte und bis heute andauernde Debatte zeigt, dass das Problem der expansiven Geldpolitik nicht lösbar ist, wenn das Problem der staatlichen Verschuldung nicht gelöst wird. Das wiederum kann nicht gelöst werden, wenn die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik keine neuen Wege beschreitet und bei der Weigerung bleibt, bei der Steuer- und Verteilungspolitik anzusetzen. Das heißt, es ist notwendig, die Begünstigung hoher Einkommen und von Vermögenden zu beenden. Eine schwere Wirtschaftskrise, verstärkt durch die Corona- Epidemie, wird nur zu lösen sein, wenn auch grundlegende Eingriffe in die Produktions- und Verteilungsverhältnisse vollzogen werden. Was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts angeht ist festzuhalten, dass es nicht möglich ist, die schwere wirtschaftliche und soziale Krise in 3 Monaten durch eine Reparatur an dem zentralen Instrument der Krisenbekämpfung der EZB auch nur ansatzweise zu bekämpfen. Im Hintergrund steht weiterhin das Problem, dass das gesamte Bank- und Finanzsystem ins Wanken geraten kann. Nur durch eine alternative Wirtschafts- und Finanzpolitik mit strikten Regulierungen auch des Finanzsektors und einer Hinwendung zu einer wirtschaftsdemokratischen Politik wird auf Dauer die krisenhafte Entwicklung beendet werden können.

(1)Siehe den Aufsatz von Joachim Bischoff in Sozialismus aktuell vom 5.5.20

Chronische Überakkumulation

29. April 2020  Allgemein

DIE CHRONISCHE ÜBERAKKUMULATIONSKRISE.

Das Ende der Nachkriegsprosperität des Kapitalismus wurde von verschiedenen kritischen Ökonomen in der Wirtschaftskrise des Jahres 1974/75 gesehen. Die stärkere Konjunkturentwicklung war bereits schon vorher abgelaufen, ebenso wie die langsame Verselbstständigung der Akkumulation des Finanzkapitals gegenüber der industriellen Akkumulation. Es kam ferner zu massiven Preissteigerungen an den Warenmärkten bedingt durch den Vietnam-Krieg, steigende Staatsverschuldung und Verteuerung wichtiger Rohstoffe (Öl !!!). All das trug zu Spannungen im Festkurssystem von Bretton Woods bei, was dann durch die Nixon-Regierung zu Fall gebracht wurde. Durch die Wirtschaftskrise 1974/75 wurde dann die Zeit geringerer Wachstumsraten, einer beginnenden Massenarbeitslosigkeit und des Angriffs auf den Sozialstaat eingeleitet.

Diese Entwicklung wurde von marxistischer Seite schon früh als chronische Überakkumulation diagnostiziert. Sie lässt sich aus der Struktur des Kapitalismus herleiten. Während das Wachstum der Wertschöpfung tendenziell geringer wird (tendenzieller Fall der Profitrate, langsameres Wachstum von v gegenüber c), was schon vor den 70er Jahre festzustellen ist, ist das noch kein echtes Problem, solange durch steigende Kapitaleinsätze die Profitmasse noch weiter wächst. Wenn aber das industrielle Kapital sich nicht mehr in vollem Umfang rentierlich verwerten lässt, nimmt die Dynamik der Geldakkumulation zu. Die Investitionsentwicklung im industriellen Bereich erforderte erhöhte Kreditaufnahmen. Die Folge war, dass die Zinsen langfristig stiegen und damit die Zinsansprüche an die industrielle Profitmasse, bei gleichzeitig schon langsamer wachsender Profitmasse wegen der Entwicklung von v bzw. c. Ein ernsthaftes Problem entstand, als die durchschnittliche Profitrate sich immer weiter der Zinsrate annäherte. Mit dem Fortschritt der kapitalistischen Entwicklung wuchsen also die Ansprüche aus Zinsen und Dividenden aus der Wertschöpfung. Die Zinsbewegung verselbstständigte sich gegenüber der industriellen Produktion (Reale Reproduktion) und es entstand ein Gegensatz der Entwicklung der industriellen Produktion zu der Geldkapitalbewegung. Das Geldkapital, das aus dem industriellen Sektor stammte, drängte zunehmend auf die Finanzmärkte. Hinzu kamen die Gelder aus Privathaushalten und Banken. Das Geld floss zunehmend in die Staatsverschuldung und privaten Konsumkredite und ein wachsender Teil in die Spekulation an Börsen und Immobilienmärkten. Das waren wichtige Voraussetzungen für eine große Kreditkrise, die sich dann auch 2007 ereignete. Voraussetzungen wurden zudem seit den 70er Jahren dadurch gelegt, dass durch die neoliberale Politik den Finanzmärkten der rote Teppich ausgerollt wurde. Es ist Aufgabe linker Politik Vorschläge zu machen, wie kurzfristig und auf lange Sicht der Finanzsektor zu regulieren ist und in eine grundlegende Veränderung der Wirtschaftsordnung einzubauen ist.

Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung

Definitionen:   m= Mehrwert  c= konstantes Kapital (Maschinen, Rohstoffe etc.)  v= variables Kapital (Arbeitskräfte)

m/c+v = Profitrate

m entsteht durch Mehrarbeitszeit von v im Produktionsprozess

c wächst schneller als v (wegen Produktivitätssteigerung)

Ausgangslage:   m= 100 c=50 v=50   Profitrate 100/50+50    Profitrate 100%

Prosperierender Kapitalismus

c und v wachsen beide, wenn auch ungleichmäßig z.B. c um 20% und v um 10%.

Daraus folgt: m =110  c= 60  v= 55

                         Profitrate 110/115  Profitrate 95,6 %

Die Profitrate ist tendenziell gefallen, aber Profitmasse wegen steigendem v  auf 110 gewachsen. Es kann auf erweiterter Basis produziert werden.

Chronische Überakkumulation

c wächst weiter, v wächst nicht mehr  z.B. c um 10% und v um 0%

Daraus folgt: m=110 c=66 v=55

            Profitrate nun: 110/121 Profitrate 90,9%

Die Profitrate ist weiter gefallen, die Profitmasse stagniert bei 110, weil v stagniert. Ein Teil des Kapitals weicht auf die Finanzmärkte aus, um durch Kurssteigerungen der Wertpapiere und Spekulationsgeschäfte der Stagnation zu entkommen. Es folgt auf die Dauer eine Überhitzung der Finanzmärkte mit einer Finanzkrise am Schluss. Eine Regulierung des Finanzsektors wäre angesagt und auf längere Sicht eine Abkehr von den Grundstrukturen des Kapitalismus.

Die Akkumulation des BRD-Kapitals

17. April 2020  Allgemein

       DER VERLAUF DES AKKUMULATIONSPROZESSES DES BRD-KAPITALS (1).

Vorbemerkung

Die Aufgabe von Marxisten ist es, den Verlauf des Akkumulationsprozesses des BRD-Kapitals mit den Kategorien der Marxschen Theorie zu erfassen. Dabei müssen die von der bürgerlichen Statistik und Wirtschaftstheorie vorgelegten Daten alternativ interpretiert werden mit dem Ziel, zu präziseren Ergebnissen und Einschätzungen als die bürgerliche Ökonomie zu kommen. Es wird davon ausgegangen, dass das Marxsche System der Kritik der politischen Ökonomie der bürgerlichen Ökonomie überlegen ist, weil nicht den für die bürgerliche Ökonomie üblichen Verkehrungen und Mystifikationen aufgesessen wird. Im Gegenteil, die Marxsche Theorie ist in der Lage, die Verkehrungen und Mystifikationen der bürgerlichen Ökonomie aus der Struktur der kapitalistischen Produktionsweise zu erklären und auf die wesentlichen Strukturzusammenhänge dieser Wirtschaftsordnung zurückzugehen. Die Verwendung bürgerlicher Statistik für eine marxistischen Analyse wird allerdings selbst von einem Teil der Marxistinnen und Marxisten in Frage gestellt. Zu diesem Zweck sind vier Punkte aufzuführen.

1.Durch die bürgerliche Statistik werden Preisgrößen zur Verfügung gestellt, die bei entsprechender Interpretation einen Zugang zu Wertgrößen der Marxschen Theorie ermöglichen.

2.Die bürgerliche Statistik fasst die Transaktionen der Volkswirtschaft zu Gesamtgrößen zusammen und ist dabei empirisch-statistischen Imperativen verpflichtet. Im Gegensatz dazu bringt es die bürgerliche Wirtschaftstheorie nur zu einer Systematisierung der erscheinenden Oberfläche der kapitalistischen Produktionsweise (2).

3.Schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde vom Projekt Klassenanalyse und danach auch von Stephan Krüger  das System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) zum Ausgangspunkt genommen, durch mehrere Schritte transformiert, fiktive Buchungen eliminiert und nicht-mehrwertproduzierende Sektoren (Staat und private Haushalte) von den mehrwertschöpfenden Tätigkeiten strikt getrennt. Das gilt auch für Tätigkeiten in Unternehmen, die nicht mehrwertschaffend sind, zum Beispiel Kauf und Verkauf, Werbung und Marketing.

4.Auf diese Weise ist es möglich, ökonomische Kategorien der Marxschen Theorie, zum Beispiel die Mehrwertrate, Profitrate etc., zu ermitteln und in ihrem Verlauf zu betrachten (Wertrechnung).

Die Entwicklungsphasen des Akkumulationsprozesses des BRD-Kapitals im Einzelnen.

Die Nachkriegsphase

Wir haben es nach dem 2.Weltkrieg mit der historisch zweiten Epoche eines langfristig beschleunigten Wachstums des Kapitals zu tun. Sie gründete sich auf dem sogenannten Fordismus, der seine Anfänge in den USA der 20er- Jahre des letzten Jahrhunderts besaß und durch neue Rationalisierungen im Produktionsprozess (Fließband, Elektromotor als Antrieb etc.) die Vorherrschaft Großbritanniens auf dem Weltmarkt beendete. Großbritannien war bis dahin in der 1.Phase beschleunigten Wachstums des Kapitals unumschränkter Herrscher auf dem Weltmarkt gewesen. Unter den USA als neuem Weltmarktführer entwickelte sich nach dem 2.Weltkrieg in der Bundesrepublik ein sogenanntes „Wirtschaftswunder.“ Der Kern der Entwicklung war eine schnelle Akkumulation des Kapitals, bei der der Widerspruch der Mehrwertproduktion eine ruhige Bewegungsform aufwies. Das heißt, die produktivitätsbedingte Abnahme der wertschaffenden produktiven Arbeit (Industriearbeit und wertschöpfende industrielle Dienstleistungen) wurde überkompensiert durch das schnellere Wachstum des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Das hatte zur Folge, dass zwar die durchschnittliche Profitrate (m/c+v) tendenziell sank, aber wegen des Zuwachses der beschäftigten Arbeitskräfte (v) die Masse des gesamtwirtschaftlichen Profits zunahm und damit das Wirtschaftswachstum gesteigert wurde (3). Diese Entwicklung wurde flankiert durch eine Politik, die durch sozialstaatliche Regeln und Interventionen die Konsumnachfrage steigerte und das Geld- und Währungssystem weiterentwickelte (Bretton-Woods-System). Diese Politik wirkte sich dämpfend gegenüber zyklischen Krisen aus und förderte den Wirtschaftsaufschwung in der Bundesrepublik und anderen kapitalistischen Ländern.

Der Übergang von der beschleunigten Kapitalakkumulation zu der chronischen Überakkumulation in den 70er Jahren.

Mithilfe der Marxschen Theorie und der sogenannten Wertrechnung lässt sich genauer erklären, was vielen damaligen Zeitgenossen nicht verborgen geblieben war. Es war sichtbar, dass die beschleunigte Kapitalakkumulation zum Ende gekommen war. Sie wurde aus marxistischer Sicht durch eine Überakkumulation von Kapital abgelöst, eine Überakkumulation, die nicht kurzfristig behoben werden konnte, sondern durch die Struktur des Kapitalismus bedingt war. Sie weist eine fallende Profitrate und  auch abnehmende Profitmasse auf, ist chronisch und tritt in allen Phasen des industriellen Zyklus auf. Der Zyklus ist seitdem charakterisiert durch einen Verdrängungswettbewerb der Kapitale, durch kürzere Aufschwünge und längere und tiefere Abschwünge sowie eine unzureichend wachsende Konsumnachfrage,

Die chronische Überakkumulation und ihre Phasen.

Am Beginn der ersten Phase stand die sogenannte Stagflation. Damit war gemeint, dass ein massives Ansteigen der Warenpreise mit einem ausbleibenden Wirtschaftswachstum zusammentraf. Das Ansteigen der Warenpreise war vor allem durch eine Steigerung der Rohstoffpreise (Erdöl) und durch noch ungebrochene Steigerungen der privaten und öffentlichen Konsumnachfragen hervorgerufen worden. Die stagnativen Tendenzen wurden auf der anderen Seite durch die beginnende chronische Überakkumulation des Kapitals hervorgerufen, das Strukturproblem des Kapitalismus also. An dieser Stelle hätten bereits Eingriffe in die Struktur des Kapitalismus vorgenommen werden müssen, z.B. Formen der Investitionslenkung und Relativierung des Profitstrebens. Dazu war man aber nicht bereit und beließ es bei einfacher Konjunkturstabilisierung mit Strohfeuereffekten als Ergebnis. Es kam nicht zu einer Steigerung der Profitmasse und damit auch nicht zu einer dynamischen Investitionsentwicklung. Im Gegenteil, die Geldakkumulation an den Finanzmärkten wurde angeheizt, gewissermaßen im Vertrauen auf Kurssteigerungen an den Börsen und spekulativen Geldanlagen. Die Zentralbanken schalteten auf die Inflationsbekämpfung um, wodurch die Steigerung der Warenpreise gebrochen werden konnte und den Interessen der Geldanleger Genüge getan wurde.

Die zweite Phase der chronischen Überakkumulation war gekennzeichnet durch die staatliche Angebotspolitik, das heißt, eine Umverteilung von Löhnen und sozialen Leistungen zu Profiten. Die Zentralbankpolitik war auf eine harte Stabilitätspolitik umgeschwenkt mit dem Ergebnis, dass besonders die Geldanlagen gesichert wurden. Die Profiterosion wurde gestoppt und günstige Voraussetzungen auch für Investitionsausweitungen im industriellen Sektor geschaffen. Die Angebotspolitik ging also zu Lasten der Lohnabhängigen und der Sozialleistungsempfänger und befeuerte auf der anderen Seite die Kurse an den Börsen und die Preise an den Immobilienmärkten. Es begann die goldene Zeit der Vermögensverwalter, zum Beispiel Black Rock ab 1988. Der Finanzsektor boomte und kreierte immer wieder neue Finanzprodukte.

In der dritten Phase hatte sich der Finanzkapitalismus durchgesetzt, eine anhaltende Konsumschwäche bei privaten Haushalten wirkte auch negativ zurück auf den industriellen Sektor. Dafür sorgten auch die Deregulierungen am Arbeitsmarkt, der Sozialabbau und die Umverteilungen von unten nach oben. Es zeigte sich, dass die Massennachfrage bei Konsumgütern und staatliche Ausgaben hochgefahren werden mussten. Die etablierte Politik setzte auf eine Steigerung der Konsumkredite, in den USA nannte man das „assed based wealth-driven-accumulation.“ Hinzu kam eine Steigerung der staatlichen Verschuldung. Diese Politik endete mit einer Immobilienblase und dem Beinahe-Zusammenbruch des Bank- und Finanzsystems 2007/2008. Er wurde gerade noch verhindert durch eine weitere Verschuldung des Staates und eine ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken. Es sollte eine weitere Verschuldung der Banken und privaten Haushalte abgefangen werden, um die Investitionen der Unternehmen und Nachfrageentwicklung der Haushalte wieder in Gang zu bringen. Dieses Unterfangen hatte nach der Finanzkrise nur mäßigen Erfolg, weil neben den Strukturproblemen des Kapitalismus und der neoliberalen Politik ( schwarze Null) die Verbreitung des Corona-Virus ab 2020 Maßnahmen erzwang, die die staatliche Verschuldung massiv in die Höhe treiben. Inzwischen warnt sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) vor dramatischen Folgen, die die Weltwirtschaftskrise der 1929/30er Jahre in den Schatten stellen könnten. Das betrifft im Augenblick vor allem die USA, wo sich inzwischen 17 Millionen AmerikanerInnen arbeitslos gemeldet haben und die Zahl der Nichtkrankenversicherten die 50 Millionenmarke überschritten hat. Die Zentralbank der USA (FED) hat Maßnahmen angekündigt, die in einer Kredithöhe von 2,3 Billionen US-Dollar resultieren könnte. Als Reaktion auf die Corona-Krise haben die meisten kapitalistischen Länder staatliche Hilfsprogramme aufgelegt, die auf ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung geschätzt werden. Das wird zu spürbar höheren Zinssätzen, massiver Geldschöpfung der Zentralbanken und möglicherweise zu einer Erosion des Geldsystems führen.

Kapitalismus oder sozialistische Marktwirtschaft?

Die bisher dargestellten Probleme des kapitalistischen Akkumulationsprozesses ergaben sich durch die Struktur des Kapitalismus, die neoliberale Politik und mit der Corona-Pandemie einer Ausnahmesituation. Es wurde keine neue beschleunigte Kapitalakkumulation erreicht, im Gegenteil, die Gesellschaft ist noch tiefer in eine krisenhafte Entwicklung getrieben worden. Die chronische Überakkumulation in Verbindung mit einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation haben die historische Begrenztheit der kapitalistischen Produktionsweise deutlich werden lassen. Die Stabilisierung der Massennachfrage und eine öffentliche Investitionspolitik könnte allerdings den Marsch in die Deflation und Depression verlangsamen.

Es geht in Zukunft um eine prinzipielle Alternative:

Entweder um eine umfassende Entwertung und Vernichtung des gesellschaftlichen Kapitalstocks mit dem Ziel, auf Dauer wieder ein höheres Niveau der gesellschaftlichen Durchschnittsprofitrate herzustellen oder um eine Überwindung der Dominanz kapitalistischer Produktionsverhältnisse, eine Relativierung der Entwicklung der Profitrate und eine Überwindung der Verselbstständigung der Akkumulation des Geldkapitals.  Das Letztere wäre ein Weg zu einer sozialistischen Marktwirtschaft und der Beginn des Aufbaus eines demokratischen Sozialismus. Hier müsste das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln das Wirtschaftsleben dominieren. Durch und gerade auf Basis der Marxschen Theorie lassen sich diese Verhältnisse näher beschreiben. Es muss klar werden, dass die Überwindung der Corona-Pandemie keine Rückkehr zu den alten Verhältnissen erlaubt, sondern an den Ansatzpunkten zu einer neuen Produktionsweise angeknüpft werden muss, die die kapitalistische Produktionsweise selbst bereitstellt. Das sind Anknüpfungspunkte hin zu einer Wirtschaftsdemokratie.

(1)Grundlage des Aufsatzes: Stephan Krüger, Die Entwicklung des deutschen Kapitalismus von 1950-2013, VSA-Verlag Hamburg, 2015 und verschiedene Aufsätze aus Sozialismus aktuell  aus dem Jahre 2020.

(2)Ausgenommen ist die Keynessche Theorie, die in besonderer Weise mit der Marxschen Theorie  kompatibel ist.

(3)m=Mehrwert, c=konstantes Kapital (Produktionsmittel), v=variables Kapital (Arbeitskräfte), m/c+v=Profitrate. Der Mehrwert stammt aus v.

Black Rock und die Corona-Krise

10. April 2020  Allgemein

Black Rock ist der weltweit zweitgrößte Vermögensverwalter aller Finanzunternehmen und Larry Fink ist der Chef des Ganzen. Bei Black Rock handelt es sich um einen 1988 in New York gegründeten Fonds, der etwa 7 Billionen US-Dollar an Vermögen verwaltet. Larry Fink hat sich in einem Brief an die Unternehmen bzw. Manager der Unternehmen, deren Vermögen Black Rock verwaltet, zur Corona-Krise und die Zeit danach geäußert. Er bringt seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass sich die Psychologie der Anleger ändern werde ebenso wie die Geschäftstätigkeit allgemein und das Verhalten der Konsumenten. Er stellt fest, dass die Zentralbanken und Regierungen augenblicklich massiv in das Wirtschaftsgeschehen eingriffen und geht davon aus, dass sich den Anlegern nach der Corona-Krise enorme Chancen böten. Die Anleger müssten, wie das Black Rock schon immer gemacht habe, langfristig denken. Black Rock habe schon im Januar des Jahres die Unternehmen aufgefordert, ebenfalls langfristig zu denken. Larry Fink droht den 15000 Unternehmen, an denen Black Rock beteiligt ist, seine Forderung ernst zu nehmen, ansonsten werde Black Rock in ihr Unternehmensgeschehen eingreifen und es würden eventuell Köpfe rollen. Es genüge heute nicht mehr, nur an kurzfristige Profitmaximierung zu denken, sondern es müsse auch an die Stakeholder (z.B. Belegschaften, Kunden und Lieferanten) gedacht werden. Larry Fink kündigte den Unternehmensleitern an, sie zur Verantwortung zu ziehen, falls sie den Interessen der Stakeholder nicht gerecht würden, nur so könnten optimalen Gewinne erzielt werden. Vor diesem Hintergrund sieht Fink die Corona-Krise als Chance für neue Finanzprodukte, die zum Beispiel die Umwelt und das Soziale stärker berücksichtigten.

Festzustellen ist aus Sicht fortschrittlicher politischer Kräfte, dass Black Rock nicht zu einem sozialen Unternehmen werden soll, sondern es darum geht, ein nachhaltiges und optimales Wachstum der beteiligten Unternehmen zu erreichen. Aus Sicht von Larry Fink scheiterten Regierungen heute daran, die Bürgerinnen und Bürger auf die Zukunft vorzubereiten.   Deswegen müssten Unternehmen in die Bresche springen und Aufgaben der Regierungen übernehme, aus Geschäftsinteresse versteht sich. Das macht deutlich, dass Larry Fink weiter ein überzeugter Anhänger der privaten Kapitalverwertung ohne große politische Regulierungen ist. Reformen, wie sie sich Larry Fink vorstellt, sind langfristige Sicherungen der Verwertung des privaten Kapitals oder eine Reparatur des Kapitalismus im Sinne von Milliardären.

Fortschrittliche Reformen im Sinne der Bevölkerungsmehrheit müssen anders aussehen. Die Corona-Krise hat deutlich werden lassen, dass jetzt genau die öffentlichen Institutionen fehlen bzw. unzureichend ausgestattet sind, wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, die zur Überwindung der Corona-Krise notwendig sind. Die neoliberale Sparpolitik hat ein soziales Desaster hinterlassen. Das gilt auch und gerade für die USA und die Politik Donald Trumps. Zu den gesellschaftlichen Defiziten zählt auch die Prekarität der Lohnarbeit, so dass Regierungen Kredite an Unternehmen und Private in unglaublicher Höhe vergeben müssen, obwohl die Verschuldung schon heute historische Höchststände erreicht hat. Die massiv zunehmende Arbeitslosigkeit wird das Verschuldungsproblem noch weiter verschärfen. Gerade jetzt wird es die Aufgabe fortschrittlicher politischer Kräfte sein, nicht die Reformen großen Vermögensverwaltern zu überlassen, sondern durch Reformen einen komplett anderen Weg hin zu einer alternativen Politik und einer alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einzuschlagen.

(1)Siehe zu dem Aufsatz: www.Handelsblatt.com/finanzen/märkte/ und weitere Links vom 17.1.19 und Sozialismus Aktuell vom 1.4.20. ffffffff

Digitalisierung im Kapitalismus

23. Februar 2020  Allgemein

                         DIE DIGITALISIERUNG IM KAPITALISMUS (1).

Im Kapitalismus konnten bisher zwei Betriebsweisen unterschieden werden. Die erste Betriebsweise begann im 19.Jahrhundert und war dadurch gekennzeichnet, dass auf Basis der großen Industrie eine beständige Revolutionierung der technischen und organisatorischen Gestalt des Produktionsprozesses stattfand. Sie löste damit die Manufakturperiode ab, die noch auf der engen technischen Basis des Handwerks fußte. Die große Industrie hatte durch eine industrielle Maschinerie und gesteigerte Arbeitsteilung innerbetrieblich und außerbetrieblich eine überlegene Produktivität entwickelt. Sie drängte das Handwerk in seiner Bedeutung zurück. Damit verbunden waren neue Transport -und Kommunikationsmittel, die den Umkreis der engen Binnenwirtschaft überschritten. All diese ökonomischen und technischen Umwälzungen waren im 19.Jahrhundert mit Fabrikgesetzgebungen (10-Std.-Tag), neuen Bildungseinrichtungen bis zu Veränderung von Familienstrukturen verbunden, ein neuer Gesellschaftsmechanismus, den Marx als neue gesellschaftliche Betriebsweise bezeichnete.

Der Vorreiter dieser Entwicklung war im 19.Jahrhundert Großbritannien. Bis zum 1.Weltkrieg und besonders in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts war verstärkt in den USA die industrielle Rationalisierung weitergetrieben worden. Diese neue Betriebsweise ging als zweite industrielle Betriebsweise unter dem Namen Fordismus in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte ein. Sie war gekennzeichnet durch standardisierte Einzelteile in der Produktion, Antrieb durch Elektromotoren und Etablierung der Fließbandproduktion.  Umgesetzt wurde die neue Betriebsweise zuerst in den Ford-Werken „Highland Park“ und „River Rouge“ in den 1920er Jahren. Der Fordismus hatte als Hauptziel, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Kostensenkung bei standardisierter Massenproduktion führten. Die Bedeutung der Gewerkschaften und anderer Organisationen der Arbeiterbewegung nahm zu und es konnte im Laufe des Jahrhunderts der Staat, nach langen und mühevollen Klassenkämpfen, zum Sozialstaat mit Sozialversicherungen und gesteigerten Geld- und Realtransfers weiterentwickelt werden.

Mit der Bezeichnung „Industrie 4.0“ und einer Digitalisierung und Entwicklung einer künstlichen Intelligenz deutet sich heute eine neue technische Revolution an. Mit „Industrie 4.0“ ist die 4. industrielle Revolution gemeint, nach der Mechanisierung (1.0), Elektrifizierung (2.0), Automatisierung (3.0) und nun Vernetzung (4.0). Aus marxistischer Sicht ist zu fragen, ob gerade eine umfassende ökonomisch-soziale Veränderung, eine dritte industrielle Betriebsweise also, stattfindet. Es ist notwendig, eine genaue Einschätzung des digitalen Kapitalismus vorzunehmen.

Die Grundvoraussetzung der Digitalisierung vieler Lebensbereiche sind ständig erweiterte Datenverarbeitungskapazitäten auf Basis der Mikroelektronik. Damit verbunden ist ein weltweites Datennetzwerk über das Internet, das eine Kommunikation und Interaktion zwischen Personen, Unternehmen und Institutionen national und international ermöglicht. Die Durchführung der Aktionen erfolgt über Plattformen verschiedenster Art, die eine Hierarchie aufweisen. Es gibt sogenannte Meta-Plattformen, die international etablierte Betriebssysteme und darauf bezogenen Endgeräte setzen. Diese Meta-Plattformen werden von amerikanischen oder chinesischen Internetunternehmen betrieben, Alphabet (Google) und Apple (Microsoft) amerikanisch und Alibaba und Baidu chinesisch. Diesen Meta-Plattformen stehen eine Vielzahl von Anwenderplattformen gegenüber, die den Zugang der Benutzer zu unterschiedlichen Aktionen ermöglichen. Solche Anwenderplattformen sind zum Beispiel Facebook, Amazon, Zalando und Paypal. Die Meta-Plattformen sind zu beschreiben als Eigentümer einer Plattform und einer Betriebssoftware bei gleichzeitigem Angebot von bestimmten Endgeräten. Der Rest, das heißt die Produktion der sonstigen Hardware mit Servern, Übertragungsnetzen etc. ist das Geschäft von bestimmten Unternehmen der materiellen Produktion und die Netzbetreibung von Telekommunikationsunternehmen. Die Anwendungsplattformen sind demgegenüber hauptsächlich als Vermieter, Händler, Finanzdienstleister und Kommunikationsforen tätig. Bei der Vermietung geht es um Gebrauchswerte, die zeitlich begrenzt bestimmten Nutzern überlassen werden. Marxistisch gesehen handelt es sich bei den vermieteten Sachen um die Form von zinstragendem Kapital in Warenform, das bezahlte Entgelt ein Mietzins. Der Mietzins muss die Verwertung des Eigentumstitels und die Kosten für die Instandhaltung der Mietsache für den Vermieter beinhalten. Im Gegensatz zur plattformgestützten Vermietung einer Sache, übernimmt der Plattformbetreiber beim Handel in der Regel nicht das Eigentum an der Sache, sondern fungiert nur als vorgeschalteter Marktplatz. Er ist Vermittler und übernimmt dabei auch verschiedene Händlerfunktionen.  Als weitere Anwendungsbereiche der Plattformökonomie haben sich soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, WhatsApp etc. herausgebildet, die den Nutzern ermöglichen, gehaltvolle Mitteilungen oder vielfach Belangloses zu übermitteln.

In allen aufgeführten Bereichen, der Vermietung, dem Handel und der Kommunikation gelangt der Plattformbetreiber an persönliche Daten des Nutzers. Der Plattformbetreiber kann diese Daten sammeln und als Zusatzgeschäft verwerten. Die Entwicklungsperspektive all dieser Dienstleistungen, sofern sie zu Bezahldiensten werden, besteht in Zukunft darin, dass sie den Plattformbetreibern exorbitante Gewinne und hohe Marktkapitalisierungen ermöglichen. Manche Internetunternehmen weisen inzwischen sehr viel höhere Börsenwerte auf als große Unternehmen aus dem Bereich der materiellen Produktion.

Schon Marx hatte festgestellt, dass im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung allgemeine Produktionsbedingungen möglich sind, die nicht vom Staat sondern auch als privates Geschäft betrieben werden können. Das gilt auch in der heutigen digitalen Welt, in der Infrastrukturen wie zum Beispiel Server oder Übertragungsnetze von privaten Unternehmen erstellt werden. Damals wie heute war die Voraussetzung, dass die Erstellung der Infrastrukturen einen ausreichenden Profit abwerfen. Auf diese Weise ordnet sich die Plattformökonomie in die heutige gesellschaftliche Arbeitsteilung ein. Zuerst waren Netzwerke Partnerschaften zwischen Unternehmen, die gemeinsame Entwicklungsprozesse organisierten. Die Plattform-Infrastrukturen werden inzwischen zum Träger einer schnellen Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Zwar war die schnelle Entwicklung der Produktivkräfte schon immer ein Merkmal des Kapitalismus, jedoch ermöglichen die aus der Mikroelektronik entspringenden Produktivkräfte eine neue Qualität, weil nun die Vernetzung selbstständiger Kapitale national und international vorher bestehende Grenzen des Fordismus überwindet. Während früher die Konzerne Mischkonzerne waren, die ganz unterschiedlichen Waren produzierten mit häufig nicht optimalen Kosten, werden heute durch die Aufspaltung von Betriebsteilen zu Profitcentern Marktbeziehungen zwischen ihnen etabliert. Das führt zu Kostensenkungen und Kostenentlastungen des Gesamtunternehmens. Dadurch werden Mittel für die Produktivkraftentwicklung frei und kann die Optimierung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung weitergetrieben werden.

Diese neue Entwicklung wäre keine kapitalistische, wenn sie nicht durch Deformationen überlagert würde, wodurch die positiven Produktivitätseffekte vermindert oder möglicherweise ganz aufgehoben würden. Wenn Marktakteure miteinander konkurrieren, dann entstehen auch Abhängigkeitsverhältnisse. Das gilt bei Vorlieferanten, die die Preise von ihren Abnehmern diktiert bekommen. Das gilt insbesondere auch bei Internet-Plattformen, wenn eine Meta-Plattform ihre Marktmacht gegenüber Anwenderplattformen ausspielt. Auf diese Weise werden Entwicklungspotentiale der neuen Rationalisierung ausgehöhlt. Trotz alledem schaffen Netzwerkstrukturen im Kapitalismus Kosteneinsparungen und Verbesserungen der Verwertung des Kapitals, weil vorhandene Produktionsmittel von verschiedenen Kapitalen gemeinsam genutzt werden und dadurch der Fall der durchschnittlichen Profitrate abgebremst werden kann.                                                                                                                                    Die Plattformökonomie als gemeinschaftliche Produktionsbedingung der Kapitale wirkt zurück auf die innerbetriebliche Arbeitsteilung. Die Veränderung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung durch die Bildung von Unternehmensnetzwerken ermöglicht neue Formen der Automatisierung. Das betrifft sowohl die einfachen Arbeiten aber darüber hinaus inzwischen auch dispositive Tätigkeiten. Die Steuerung von Einkauf, Lagerhaltung, Fertigung und Absatz wird weiter vervollkommnet. Auch produktionsbezogene Dienstleistungen und komplizierte Tätigkeiten werden automatisierbar. Zudem dringt die Digitalisierung noch weiter in die privaten Haushalte ein, zum Beispiel durch Telemedizin, autonom fahrende KFZ, Robotereinsatz bei Haushaltstätigkeiten etc.

Es könnte jetzt der Gedanke entstehen, die Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Automatisierung könnten so weit getrieben werden, dass gesellschaftliche Arbeit überflüssig werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein noch so ausgeklügelter Algorithmus die Spezifik menschlicher Arbeit nicht zu ersetzen vermag. Sie besteht nicht nur in der Wahrnehmung der Außenwelt, sondern auch in der schöpferischen Zwecksetzung und der geistigen Vorwegnahme ihrer Ergebnisse. Marx hatte zu seiner Zeit den Vergleich einer Biene mit einem Baumeister gewählt. Der Baumeister hat im Unterschied zur Biene das Resultat seiner Tätigkeit schon im Kopf bevor er es in die Tat umsetzt. Das gilt heute und in Zukunft in Bezug auf kreative und allgemeine wissenschaftliche Entwicklungsarbeit. Die komplexe Arbeit hat in Zukunft trotz Automatisierung eine wichtige wertschöpfende Qualität.

Bevor es jedoch zu einer weitgehenden Automatisierung der Arbeit kommt, sind die bereits heute zu registrierenden Auswirkungen der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz zu betrachten.

1.Durch das Internet über eine oder mehrere Plattformen vernetzte Arbeitsprozesse wird die Entgrenzung der Arbeit befördert, zum Beispiel bei Cloud- und Clickworkern. Es kommt zu Fragmentierungen der Belegschaften.

2. Das Homeoffice spart herkömmliche Arbeitsplätze ein. Die dort Beschäftigten verlieren den direkten Kontakt zu den KollegInnen. Wenn keine Regulierung ihrer Arbeit stattfindet, besteht die Gefahr der Selbstausbeutung.

3.Eine Entgrenzung der Arbeit muss zu einer erweiterten Mitbestimmung der Beschäftigten führen im Rahmen einer neuen Betriebs- und Unternehmensverfassung. Hier liegt die Notwendigkeit, die Beschäftigten am Produktivkapital zu beteiligen, um die Regulierungen abzusichern.

4.Die neue Netzwerkökonomie wird durch den Verwertungszwang des Kapitals beeinträchtigt und die Produktivkraftentwicklung sogar konterkariert. Es entsteht die Frage, welche Auswirkung auf die allgemeine durchschnittliche Profitrate dadurch gegeben ist und ob es wieder eine langfristige Phase der beschleunigten Akkumulation des Kapitals geben kann?

Festzustellen ist zuerst, dass es wie bei jeder Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus auch bei der Netzwerkökonomie zur Einsparung von Arbeitskräften kommt und Kostensenkungen erreicht werden sollen. Die gemeinschaftliche Nutzung von privatkapitalistischen Infrastrukturen steigert die allgemeine Mehrwertrate, vermindert den Vorschuss beim fixen Kapital und senkt auch die Kosten der unproduktiven Lohnarbeiter des Kapitals in der Zirkulations-phase des Kapitals. All das sind Gegenkräfte gegenüber dem Fall der allgemeinen durchschnittlichen Profitrate. Die steigende Kapitalintensität der Arbeitsplätze, das heißt, dass pro Arbeitsplatz mehr Kapital aufzuwenden ist, bedeutet jedoch eine Verstärkung des tendenziellen Falls. Es zeigte sich allerdings inzwischen, dass das Drehen an der Verteilungsschraube zu Gunsten der Profite bestenfalls zur Stabilisierung der Profitrate auf dem Niveau der Zeit des Fordismus geführt hat. Der Versuch, über Kreditoperationen der Zentralbank abermals eine Stabilisierung des Kapitalismus zu erreichen wird auf Dauer zu einer Kernschmelze des Kredit- und Bankensystems führen. Das gilt auch und gerade für die US-Wirtschaft, die auch durch protektionistische Politik nicht zu stabilisieren sein wird. Die Weltwirtschaft befindet sich wieder an einem historischen Knotenpunkt: neue Produktivkräfte, zum Beispiel im Rahmen der Digitalisierung, sind vorhanden, die kapitalistischen Produktionsverhältnisse hemmen jedoch durch den Fall der Profitrate ihre weitere Entwicklung und damit auch die Etablierung einer neuen Betriebsweise. Es kommt hinzu, dass auch weltpolitisch weder die USA, noch China und die EU als hegemoniale Kräfte eine den neuen Produktivkräften entsprechende Betriebsweise entwickeln können. Die Herausbildung einer neuen Betriebsweise wird nur möglich sein, wenn die kapitalistischen Produktionsverhältnisse reguliert und auf Dauer ganz zurückgedrängt werden. Das bedeutet, die Abhängigkeit der Akkumulation von der Maximierung der Profitrate zu vermindern und eine Steuerung des Wirtschaftslebens durch eine gesellschaftliche Strukturpolitik und erweiterte Mitbestimmung der Beschäftigten durchzusetzen. Es ist die Einsicht zu verallgemeinern, dass sich die Trennung der Arbeitskräfte von den Produktionsmitteln und der gesellschaftlichen Infrastrukturentwicklung überlebt hat.

  • Die Grundlage des Aufsatzes ist der Text von J. Bischoff u.a.: Die Anatomie und Zukunft der bürgerlichen Gesellschaft, VSA-Verlag Hamburg 2018, S.127-150.

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Der gesellschaftliche Richtungswechsel und die Linkspartei

14. Februar 2020  Allgemein

DIE LINKSPARTEI UND DER GESELLSCHAFTLICHE RICHTUNGSWECHSEL.

Über die strategischen Aufgaben und einen politischen Richtungswechsel gilt es in der Linkspartei näher zu diskutieren. Joachim Bischoff u.a. haben dazu Thesen vorgelegt, die in diesem Aufsatz zusammengefasst werden (1). Die Autoren gehen davon aus, dass wir zu Beginn der 2020er Jahre in einer Scheidewegsituation stehen, in der es zu einer Zuspitzung der Widersprüche neoliberaler Politik kommt. Der Kapitalismus steht vor gravierenden Problemen.

1.Das Auseinanderdriften der Verteilungsverhältnisse von Einkommen und Vermögen kann von der neoliberalen Politik kaum noch beherrscht werden. Schlüsselbereiche des gesellschaftlichen Lebens wie die Lohnverhältnisse, die Wohnung, die Bildung, die Pflege und die Gesundheit können nicht mehr gewährleistet werden. Daraus folgen auch Spannungen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse und die Migrationsproblematik.

2.Der Finanzsektor mit seinen Exzessen wird durch den Klimawandel und die unkontrollierte Naturaneignung zu einer globalen Existenzkrise gesteigert. Die Produktivitätsentwicklung der Wirtschaft verläuft schleppend, das Wirtschaftswachstum geht in die falsche Richtung.

3.Der Nationalismus wird wiederbelebt und zerstört die internationale Friedensordnung. Kriege als Mittel der Konfliktlösung erhalten immer größere Akzeptanz.

4.Die herrschenden Eliten sorgen mit ihrer Selbstbereicherung dafür, dass sie als korrupt wahrgenommen werden. Das trägt zur Erosion demokratischer Strukturen bei. Die herrschende Politik verliert das Vertrauen, die gesellschaftlichen Probleme lösen zu können.

Auf dieser Basis werden von verschiedenen sozialen Bewegungen, Initiativen und Gewerkschaften Alternativen zur neoliberalen Politik gefordert. Ein ökonomischer, sozialer und politischer Richtungswechsel ist angesagt. Die Frage ist allerdings, wie der Richtungswechsel genau aussehen soll.

Seit 2005 wurde versucht mit dem „Weiter so“ die Zukunft zu gestalten, das war das Prinzip der politischen Koalitionen bis heute. Die rechten Kräfte wollen demgegenüber eine Politik, die Schutz für die jeweils nationale Bevölkerung gewährt bei einer immer aggressiver und menschenverachtender Politik nach außen. Ein autoritärer Kapitalismus ist dort das Ziel. Eine dritte Option beginnt inzwischen zu entstehen, das sind demokratische Gegenkräfte und alternative Bewegungen, zum Beispiel Fridays for Future, Demonstrationen gegen rechte Bewegungen, eine Bewegung zur Enteignung von Wohnungskonzernen oder für die Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Partei Die Linke hat hier die Aufgabe, als integrierende und mobilisierende Kraft zu wirken im Sinne eines sozialen und ökologischen Richtungswechsels und einer umfassenden Transformation der Gesellschaft. Eingeschlossen darin ist eine neue internationale Friedenspolitik.

All das kann die Linkspartei allerdings nur mit den Kräften der Zivilgesellschaft, die sich einer sozialen Emanzipation  verschrieben haben und mit einer Kooperation mit fortschrittlichen Teilen der SPD und den Grünen erreichen. Mit den Regeln der EU ist dann zu brechen, wenn sie der sozialen und ökologischen Transformation diametral entgegenstehen. Die Partei „Die Linke“ hat dazu beizutragen, dass ein zukunftsorientiertes Gesamtprojekt entsteht. Einzelne Forderungen müssen somit Teil eines sozialökologischen Gesamtprojektes sein, das glaubhaft vertreten wird, nachvollziehbar sein und mehrheitsfähig werden muss. Die Forderung nach Demokratisierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse ist ein Richtungswechsel, der den autoritären Kapitalismus frontal angreifen muss.  Die Weichen für einen sozialen und ökologischen Richtungswechsel zu stellen muss das zentrale Ziel der Linkspartei für die Bundestagswahl 2021 sein. Der Parteitag 2020 in Erfurt ist dabei von großer Bedeutung. Die Autoren um Bischoff u.a. machen zum Wahlkampf drei Vorschläge:

1.Die Partei Die Linke befördert einen breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess, aus dem ein politisches Handlungsprogramm entstehen sollte. Die Prioritäten des Programms sollten in dem Prozess herausgefiltert werden. Die finanzielle und rechtliche Machbarkeit sollte wissenschaftlich abgesichert sein.

2.Dieses Handlungsprogramm sollte auch zum Wahlprogramm der Partei Die Linke werden, ohne dem Parteiprogramm entgegengesetzt zu sein. Das Programm wird nur glaubwürdig sein, wenn es als sozialökologisches Zukunftsprogramm entwickelt wird, durch eine Investitionsoffensive untersetzt und mit Umverteilung und Umgestaltung verbunden wird.

3.Die Partei Die Linke sollte bereit sein, ihre Listen mit aussichtsreichen Plätzen für Vertreter sozial-ökologischer Organisationen, der Friedensbewegung und solidarischen regionalen und kommunalen Konzepten zu öffnen. Dadurch wird die Breite der Bewegung für einen Politikwechsel für die Wählerinnen und Wähler sichtbar gemacht.

(1) Siehe hierzu: Joachim Bischoff u.a. Zeitschrift Sozialismus Heft 2/2020 S.32-34 ffff

Der Brexit

03. Februar 2020  Allgemein

           DER BREXIT- WIE ES DAZU KAM UND WOHIN DIE REISE GEHT (1).

Am 23.6.2016 entschied sich die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Großbritannien für den Austritt aus der EU. Vorher abgelaufen war bereits die Stärkung des Einflusses der EU-feindlichen UKIP (UK Independence Party), die 2014 bei den Wahlen zum EU-Parlament 27,5% der Stimmen und bei den Unterhauswahlen 2015 12,6% erhalten hatte. Angesichts des wachsenden Drucks entschloss sich Premierminister Cameron die Flucht nach vorne anzutreten und die Bedingungen für Großbritannien in der EU neu zu verhandeln. Ein EU-Gipfel in Brüssel räumte Großbritannien einen verstärkten Sonderstatus ein. Das bedeutete:

1.Es konnten „Schutzmechanismen“ bei Sozialleistungen angewendet werden, wenn der Zustrom von Arbeitskräften aus der EU ein Land überfordert.

2.Kindergeld konnte gekürzt werden, wenn Kinder aus EU-Ländern nicht in Großbritannien wohnten, die Eltern aber in Großbritannien arbeiteten.

3.Der Sonderstatus des Finanzplatzes London sollte gestärkt werden.

4.Großbritannien brauchte sich nicht an einer weiteren politischen Integration der EU beteiligen.

Der eingeräumte Sonderstatus führte allerdings nicht dazu, dass der Brexit abgewendet werden konnte.52% der Britinnen und Briten, die an der Brexit-Abstimmung teilnahmen, stimmten für den Brexit, inzwischen auch unterstützt durch Boris Johnson und andere konservative Politikerinnen und Politiker. Eine Analyse des Abstimmungsergebnisses ergab, dass je älter die Menschen waren desto stärker sie für den Brexit stimmten. Bei den 18-24-Jährigen stimmten 27% für den Brexit, bei den 24-34-Jährigen 38% und bei den über 55-Jährigen beinahe 60%. In Wales wollten 53% der Befragten die EU verlassen, in London nur 40%, in Nordirland 44% und Schottland 38%. Es zeigte sich, dass neben der tiefen sozialen und geografischen Kluft innerhalb der britischen Bevölkerung auch eine altersbedingte hinzukam. Sowohl Premierminister Cameron aber vor allem Boris Johnson trugen dazu bei, dass es Nigel Farage, dem Chef der UKIP, gelang, Xenophobie zum beherrschenden Thema in Großbritannien zu machen. Das Schüren von Angst war also maßgeblich für den Ausgang der Brexit-Abstimmung. Die britische Rechte hatte es geschafft, ihre Argumente gegen Migration, das Establishment und vor allem die EU mehrheitsfähig zu machen, ohne dass die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde.

In diesem Zusammenhang muss diskutiert werden, welche Position britische Gewerkschaften und auch die Labour Party zum Brexit einnahmen. Es ist festzustellen, dass die Gewerkschaftsbewegung vor dem Brexitvotum gespalten war, allerdings die überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftsorganisationen sich für einen Verbleib in der EU aussprach. Das gilt auch für Jeremy Corbyn von der Labour Party. Er konnte sich aber mit seiner Position „Bleiben und reformieren“ nicht durchsetzen. In dem Wählervotum für den Brexit bündelten sich schließlich viele Elemente. Da war die Frustration über die politischen Eliten, das gilt auch für New Labour unter Tony Blair. Dazu einige Fakten zur Situation zu Beginn des Jahrzehnts:

1.Die Schrumpfung des Durchschnittslohns um 8% zwischen 2008 und 2014.

2.Streichung von vielen Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, verstärkt ab 2015 durch die Tories.

3.Zunahmen der Zero-Hour-Jobs, das sind Lohnverträge ohne feste Arbeitszeiten und ohne Arbeitsgarantie. Wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gebraucht werden, werden sie beschäftigt andernfalls gibt es nur null Stunden Arbeit.

4.Ausblutung des Nationalen Health Service (NHS)

5.Krasse Wohnungsnot in Ballungszentren

6.Hohe Fahrpreise des privatisierten Nahverkehrs

Für all diese Probleme wurde nicht die britische neoliberale Politik verantwortlich gemacht, sondern für Brexit-Befürworter lag die Schuld vor allem bei den EU-Behörden. Deklassierte Lohnabhängige und die verunsicherte Mittel-schicht stimmten ähnlich ab wie die WählerInnen der Front National in Frankreich, der FPÖ in Österreich, der „Partei für die Freiheit“ in den Niederlanden und der AFD in Deutschland. Orientierungslosigkeit griff um sich, die Theresa May als Nachfolgerin von David Cameron und ihre Regierung nicht in der Lage waren aufzufangen und den Menschen eine sichere Lebensperspektive zu bieten. Es gelang ihr ebenfalls nicht, einen ausgehandelten Austrittsvertrag mit der EU durch das britische Parlament zu bringen. Sie hatte versucht, durch eine Appeasement- Strategie gegenüber der antieuropäischen Rechten den Nationalismus zu befriedigen, um auf dieser Basis eine große Mehrheit bei den Neuwahlen 2017 zu gewinnen. Da ihr das nicht gelang, entstand ein sogenanntes „Hung Parliament“, das heißt, ein Parlament ohne absolute Mehrheit einer Partei. Theresa Mays naheliegende Option wäre nun gewesen, einen Brexit-Vertrag mit Unterstützung von Labour durchs Parlament zu bringen. Sie setzte aber darauf, die Konservativen zur Akzeptanz ihres Austrittsabkommens zu bringen, was ebenfalls misslang. Erst ab März 2019 versuchte sie Labour einzubeziehen. Auch hier war sie ohne Erfolg, u.a. deshalb, weil Labour bestimmte neoliberale Inhalte des Vertrages nicht akzeptieren konnte.  So trat sie als Premierministerin zurück und überließ Boris Johnson und den Ultra-Rechten das Feld. Die EU-Parlamentswahlen im Mai 2019 kannten nur ein Thema, die Vollendung des Brexits. Johnson brachte nun zusammen mit den Hardlinern bei den Tories die Partei auf einen harten Rechtskurs. Bei den Neuwahlen 2019 wurde dem rechtspopulistischen Flügel die Regierungsgewalt übertragen. Johnson als Führer der Konservativen hatte mit einem Erdrutschsieg sein Ziel erreicht, den Brexit zu vollenden. Am 31.1.2020 war es dann soweit, Großbritannien verließ die EU.

Die Frage ist nun: Wie wird es weiter gehen? Das Brexit-Chaos ist zwar beendet, aber es bleibt eine weitgehende Unsicherheit. Wie soll die britische Wirtschaft neu geordnet werden und wie verlaufen die Verhandlungen über die Zukunft Großbritanniens mit der EU in der Übergangszeit bis Ende 2020?

Dass in der Übergangszeit eine Verhandlung einer Vielzahl von Handelsverträgen gelingt ist unwahrscheinlich, insbesondere dann, wenn nicht nur der Warenhandel, sondern auch Dienstleistungen, Forschung, Bildung, Sicherheit, Polizei und Verteidigung neu geregelt werden sollen. Boris Johnson will auch gezielt von EU-Standards abweichen, um Wettbewerbsvorteile für Großbritannien zu erreichen. Da ist es kein Wunder, dass die Vorsitzende der EU-Kommission harte Verhandlungen ankündigte. Wenn keine Einigung zustande kommen sollte, droht wieder ein Austritt Großbritanniens ohne Abkommen. Faire bilaterale Beziehungen zu Großbritannien sind allerdings auch im Interesse der EU, weil es weitgehende gegenseitige Abhängigkeiten gibt. Das gilt auch und gerade für die Bundesrepublik, was das IFO-Institut in München 2017 schon sehr genau in einer Studie herausgearbeitet hat (2). Die Warenexporte nach Großbritannien betragen etwa 2,6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Bundesrepublik, wenn man die Dienstleistungen hinzu nimmt etwa 3,7 %. Dabei dominieren der Fahrzeugbau, die Pharmaindustrie und der Maschinenbau. Die Lieferung von Vorleistungen ist sowohl für Deutschland als auch Großbritannien von großer Bedeutung, jeweils von beiden Seiten im Dienstleistungssektor. Der Brexit wird allerdings deutlich teurer für Großbritannien als für die Bundesrepublik. Im Falle eines Freihandelsabkommens nach dem Vorbild des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), zum Beispiel wie bei Norwegen, würde das BIP in Großbritannien um 0,4 % sinken in Deutschland nur um 0,06%. Durch den Brexit nimmt der Industriesektor in Großbritannien deutlich Schaden, in manchen Sektoren wie im KFZ-Bereich und Flugzeugbau vermutlich bis zu 10%, bei Chemieprodukten eventuell bis zu 18%. Auch der Dienstleistungssektor in Großbritannien wird wahrscheinlich leiden, vor allem im Finanz- und Versicherungsbereich.

Neben den neu zu ordnenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU kommt auf die konservative Regierung Johnson ein massiver Reformbedarf des Landes zu. Sie hat bereits Zusagen bezüglich der Finanzierung des National Health Service (NHS), Straßenbaus und des Bildungswesens gemacht, insgesamt in Milliardenhöhe. Wie die Finanzierung bewerkstelligt werden soll, haben die Konservativen bisher offengelassen. Mit dem Brexit lassen sich keineswegs schnell Mittel freischaufeln, die der Verbesserung der Lebensbedingungen dienen könnten. Auch eine rigorose Einwanderungspolitik kann weitere Turbulenzen auslösen, weil Engpässe im NHS dadurch verschärft werden können. Die Labour-Partei verfolgt demgegenüber eine linke Perspektive, zum Beispiel die Verstaatlichung von Eisenbahngesellschaften sowie Energie- und Wasserversorgern, Steuerhöhungen bei Besserverdienern und eine Umverteilungspolitik. Die Einschränkung der Unternehmensfreiheit galt nicht wenigen Wirtschaftsvertretern in Großbritannien als schlimmeres Szenario als  der Brexit, auch wenn er ein harter Brexit werden sollte. Das Neuordnungsprogramm von Labour wurde allerdings auch von einem großen Teil der BürgerInnen nicht unterstützt, obwohl der Wirtschaftstrend schon länger nach unten zeigt, Unternehmen bei Investitionen zögern und die Arbeitsproduktivität kaum vorankommt. Die Regierung Johnson muss dringend gegensteuern. Sie strebt jedoch einen umfassenden Freihandelsvertrag mit den USA an, was nur Erfolg haben wird, wenn die Regierung europäische Agrar- und Umweltstandards lockert. Die Tories favorisieren eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik mit Steuersenkungen und Deregulierungen. Viele Bürger und Bürgerinnen, auch die im Dienstleistungsbereich tätigen, werden mit Sicherheit überrascht werden. Es wurde zwar der Brexit durchgesetzt, aber sie werden bald wieder durch eine weitere angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und den Folgen des Brexits zu den Verlierern der Umgestaltung gehören.

  1. Der Aufsatz basiert auf Aufsätzen in Sozialismus aktuell und bei Linksnet.
  2. Studie des IFO-Instituts: Ökonomische Effekte eines Brexits, München vom 1.6.2017

Sozialistische Marktwirtschaft

19. Januar 2020  Allgemein

              DIE SOZIALISTISCHE MARKTWIRTSCHAFT ALS ALTERNATIVE (1).

Wirtschaftliche Knappheit und Marktsteuerung.

Im Rahmen einer linken Politik ist es von großer Bedeutung, eine Sozialismus-Konzeption für entwickelte kapitalistischen Gesellschaften vorstellen zu können. Dabei sind vier Abgrenzungen vorzunehmen. Erstens ist die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie im „Kapital“ als Ausgangspunkt zu nehmen. Hier werden auch für unsere heutigen Verhältnisse die Bewegungsgesetze des Kapitalismus korrekt dargestellt, bei aller notwendigen Ergänzung vor allem was den heutigen Finanzsektor betrifft. Einzubeziehen in die Darstellung sind die Erkenntnisse von J. M. Keynes, insbesondere seine wirtschaftspolitischen Vorschläge. Zweitens ist das Missverständnis des sogenannten realen Sozialismus zu beenden, eine marktwirtschaftliche Steuerung der Wirtschaft und der Aufbau des Sozialismus seien unvereinbar. Im realen Sozialismus wurde davon ausgegangen, es sei ein möglichst umfassender zentraler Volkswirtschaftsplan zu erstellen, u.a. mit konkreten Mengen- und Preisvorgaben für die Betriebe. Waren- und Geldverhältnisse sollten möglichst schnell beseitigt werden. Drittens ist es Aufgabe der Linken, wenn eine zukünftige Sozialismus-Konzeption vorgestellt wird, die Ursachen des Scheiterns der realen Sozialismus rigoros zu benennen, insbesondere die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ursachen. Viertens muss die Linke beim Kampf um die politische Hegemonie einen Minimalkonsens zwischen verschiedenen fortschrittlichen Parteien und Bewegungen herzustellen versuchen mit dem Ziel, die Dominanz der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu überwinden. Dabei gilt es der Wahlbevölkerung eine glaubwürdige Alternative zu den heutigen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verhältnissen vorzustellen und mehrheitsfähig zu machen.

Auf Basis dieser vier Abgrenzungen müssen die marktwirtschaftliche Steuerung des Wirtschaftslebens und der Aufbau des Sozialismus miteinander verbunden werden. Es ist auszugehen von der kapitalistischen Gesellschaft, wie sie seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts existiert. Diese ist gekennzeichnet durch eine chronische Überakkumulation von Kapital, das heißt, einem Überfluss an produktiven Kapazitäten im Verhältnis zur zahlungsfähigen Nachfrage in der Gesellschaft. Da im Kapitalismus nur dann Investitionen vorgenommen werden bei entsprechender Kapitalrendite, haben wir es mit einem Verteilungsproblem zu tun. Das bedeutet, es ist im ersten Schritt eine Verminderung der Diskrepanz zwischen den Produktionskapazitäten  und der zahlungsfähigen Nachfrage vorzunehmen. Da die gesellschaftlichen Bedürfnisse nur teilweise befriedigt werden können, stellt sich das Problem der Knappheit der Ressourcen auch im Kapitalismus. Diesem Problem hat man sich insbesondere beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu stellen. Wenn man nicht den Weg beschreiten will, dass eine gesellschaftliche Planungsbehörde die zu erfüllenden Bedürfnisse bestimmt und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern aufgeherrscht werden, bleibt nur die Alternative, eine dezentrale Allokation von Warenangebot und zahlungsfähiger Nachfrage über den Markt vorzunehmen. Gerade Marx hatte bereits darauf hingewiesen, dass es ein zivilisatorischer Fortschritt des Kapitalismus sei, dass den Arbeiterinnen und Arbeitern im Unterschied zu Arbeitenden in vorbürgerlichen Gesellschaften der Lohn in Geld ausgezahlt werde, wodurch für Arbeiterinnen und Arbeiter trotz quantitativer und qualitativer Beschränkungen eine gewisse Wahlfreiheit am Markt gegeben sei. Hinter diesen zivilisatorischen Fortschritt darf beim Aufbau einer nachkapitalistischen Gesellschaft nicht zurückgegangen werden. Wie sensibel die Bevölkerung auf qualitative Ausschlüsse reagiert, insbesondere bei Mangelsituationen oder behördlich verordneten Bedürfnissen, hat man deutlich im realen Sozialismus gesehen. Die Missachtung bestimmter bürgerlicher Freiheiten, unter anderen der Wahlfreiheit am Markt, hat dazu beigetragen, dass sich der reale Sozialismus gegenüber den kapitalistischen Marktwirtschaften nicht durchsetzen konnte. Nur unter unentwickelten gesellschaftlichen Verhältnissen oder in historischen Ausnahmesituationen kann ein zentral-administrative Zuweisung von Ressourcen und eine zentrale Planung des Wirtschaftsgeschehens erfolgreich sein. Das war zum Beispiel in der Sowjetunion der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts der Fall sowie in den ersten Jahren der chinesischen Revolution. Trotzdem stellte sich auch hier die Frage, ob es im Rahmen der damaligen Industrialisierungsdebatte auch andere dezentrale und marktgesteuerte Alternativen gegeben hätte. Klar ist auf jeden Fall, dass bei fortschreitender Ausdifferenzierung der Branchen- Produkt- und Konsumstruktur zentrale Planvorgaben immer weniger zu einem reibungslosen Verlauf der wirtschaftlichen Reproduktion führen. Die Widersprüche offenbaren sich in Versorgungsproblemen, im Aufkommen von grauen und schwarzen Märkten, Liefer- und Transportproblemen, langsamerer technischen Entwicklung etc. Das Ergebnis ist die Erkenntnis: Es gibt kein harmonisches Nebeneinander von zentral-administrierter Volkswirtschaftsplanung und markwirtschaftlicher Steuerung des Wirtschaftslebens. Die Widersprüche sind nur dadurch zu lösen, dass unter Knappheitsbedingungen in einem entwickelten System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und differenzierter Bedürfnisse die Marktsteuerung das Primat haben muss. Andernfalls entsteht eine Schattenwirtschaft und als Folge eine Bereicherung und Korruption bestimmter Teile der Gesellschaft, insbesondere bei Betriebsleitern und Parteifunktionären.

Der systemspezifische Charakter des Sozialismus.

Viele Marxisten vertreten immer noch die Meinung, dass der sozialistische Charakter der Wirtschaft durch eine zentrale Planung von Produktion, Verteilung und Konsum gegeben sei und Ware- und Geldbeziehungen charakteristisch für den Kapitalismus seien und deswegen beim Aufbau des Sozialismus abzuschaffen seien. Im Gegensatz dazu hatte bereits Marx herausgestellt, dass Warenproduktion und Warenzirkulation Phänomene unterschiedlicher Produktionsweisen seien, wenn auch im unterschiedlichen Umfang. Das bedeutet, dass Warenproduktion und Warenzirkulation nicht den Charakter einer Produktionsweise bestimmen. Der wird bestimmt durch die Stellung des Produzenten zu den Produktionsmitteln. Das bedeutet für den Kapitalismus, dass die Arbeiterin bzw. der Arbeiter von den Produktionsmitteln getrennt sind und ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen. Der Kauf bzw. Verkauf der Arbeitskraft als Ware ist nur der einleitende Akt des Produktionsprozesses, in dem die Arbeiterinnen und die Arbeiter den Wert und Mehrwert erzeugen. Die Produzenten befinden sich in einem Herrschaftsverhältnis, in dem die Aneignung des Mehrwertes durch den Kapitalisten und der Eigentumsausschluss der Arbeitenden erfolgt. Auf diese Weise werden die Produktionsmittel zu Kapital. Der systemspezifische Charakter der Produktionsverhältnisse wird durch die Verausgabung der Arbeit im Produktionsprozess hergestellt und beständig reproduziert. Um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse im Sinne der Produzenten zu verändern gilt es, an die Bedingungen des sozialstaatlich modifizierten Kapitalismus anzuknüpfen und schrittweise das Konzept der Wirtschaftsdemokratie zu verwirklichen. Zur Befestigung wirtschaftsdemokratischer Strukturen ist das aus dem Privateigentum an den Produktionsmitteln abgeleitete Subordinationsrecht des Kapitalisten gegenüber dem Arbeitenden anzugreifen und zurückzudrängen. Dazu ist auch eine Vergesellschaftung des Eigentums an den Produktionsmitteln notwendig, welche sich allerdings in verschiedenen Eigentumsformen ausdrücken kann. Auf diese Weise kann die Trennung des unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln schrittweise aufgehoben werden.

Das Bewusstsein der Produzenten.

Die wirtschaftlichen Akteure sind im Kapitalismus in Verhältnisse eingebunden, die sie als persönlich unabhängige und freie Individuen erscheinen lassen. Diese Sichtweise ist bedingt durch die Form des Arbeitsproduktes als Ware und den Warenaustausch, vor allem durch den einleitenden Akt des Verkaufes der Ware Arbeitskraft. Dieser persönlichen Unabhängigkeit unterliegt aber das kapitalistische Herrschaftsverhältnis in der Produktion. Das Herrschaftsverhältnis wird vermittelt und zugleich versteckt durch die Verwandlung des Werts der Arbeitskraft in den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn vergütet scheinbar die verausgabte Arbeit und es wird die Teilung des Arbeitstages in die notwendige und Mehrarbeitszeit verschleiert. Es wird nicht unmittelbar sichtbar, dass in der notwendigen Arbeitszeit der Gegenwert für die Arbeitskraft und in der Mehrarbeitszeit der Mehrwert produziert wird. Die Aneignung des Mehrwertes durch den Kapitalisten, die eigentliche Ausbeutung, wird beständig überdeckt durch die Warenzirkulation. Sie erscheint als der Hort von Freiheit und Gleichheit. Je nachdem ob der kapitalistische Prozess kontinuierlich oder krisenhaft verläuft werden die widersprüchlichen Momente des Bewusstseins nach der einen oder anderen Seite verstärkt. Das heißt allerdings noch nicht, dass die Krise automatisch Klassenbewusstsein erzeugt. Es bleibt die Gefahr der Herausbildung von Klassenvorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und rassistischen Anschauungen. Gewinnt aber die Einsicht in den kapitalistischen Charakter der Krise größere Verbreitung und greift die Verteidigung von Schutzrechten weiter aus hin zu entwickelten Formen der Negation der kapitalistischen Produktionsverhältnisse können mannigfache Formen von Alternativstrukturen entstehen. Das können zum Beispiel Genossenschaften und Kooperativfabriken, Belegschaftseigentum, Branchenfonds und verschiedene Formen öffentlichen Eigentums sein. Der Mangel all dieser Alternativformen ist ihre Nischenexistenz, der kapitalistische Sektor und damit die Gesetze der Kapitalakkumulation dominieren weiter an allen Teilmärkten der Gesamtwirtschaft (Arbeits- Waren- und Finanzmarkt). Das bedeutet, dass die Überwindung kapitalistischer Verhältnisse nicht auf wenige Einzelfälle beschränkt werden darf. Wirtschaftsdemokratische Verhältnisse müssen in allen Unternehmen verwirklicht werden, gesetzlich vorgeschrieben und meistens durch die Vergesellschaftung des Eigentums unterlegt. Das ist zu kombinieren mit einer wirksamen makroökonomischen Steuerung der Märkte.

Der Kredit und die Marktsteuerung. 

Marx weist dem Kredit Eigenschaften zu, die „zur Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise in der kapitalistischen Produktionsweise“ führen. Damit bezieht sich Marx auf Aktiengesellschaften oder auf die Entwicklung des Bankensystems mit einer Zentralbank. Dabei ist es wichtig, dass zuerst das sogenannte zinstragende Kapital betrachtet wird. Es war in früheren Produktionsweisen eine parasitäre Kapitalform (Wucherkapital), die im Kapitalismus den Bedingungen und Anforderungen des industriellen Kapitals untergeordnet wird. Es ist zu differenzieren zwischen dem zinstragenden Kapital einerseits und dem Kredit als Instrument zur Übertragung eines Eigentumstitels für eine begrenzten Zeit vom Verleiher zum Kreditnehmer andererseits. Das Bankwesen und die Finanzmärkte für Anleihen und Aktienemissionen sind die Institutionen, durch die eine Verteilung des zurzeit unbeschäftigten Geldkapitals vollzogen wird. Dadurch ergeben sich gewaltige Steuerungsmöglichkeiten für die Entwicklung der Volkswirtschaft. Die Bedingung ist allerdings die Ausschaltung der Spekulation an den Börsen und die Verwandlung des Zinses in einen politisch kontrollierten Preis. Der Kredit kann dann zur Steuerung der Wirtschaft bei strukturpolitischen Vorgaben genutzt werden unter der Voraussetzung, dass die Geschäftspolitik der Banken und die Zentralbank wirksam eingesetzt werden. Wenn es einen Sektor der Volkswirtschaft gibt, in dem für eine alternative Wirtschafts- und Geldpolitik eine möglichst umfassende Überführung in öffentliches Eigentum notwendig ist, dann ist es der Bankensektor und das Börsengeschehen. Eine strikte Regulierung, ein Verbot spekulativer Geschäfte, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und die Einführung einer wirksamen Finanztransaktionssteuer sind dringend erforderlich.

Die Pluralität der Eigentumsformen und der öffentliche Sektor.

Eine sozialistische Marktwirtschaft besteht aus drei Pfeilern: Wirtschaftsdemokratische Unternehmensführung, gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln und eine umfassende Steuerung der Märkte. Mit gesellschaftlichem Eigentum können unterschiedliche Grade der Mitwirkung der Beschäftigten bei Unternehmensentscheidungen verbunden sein. Marx selbst hatte für nachkapitalistische Gesellschaften genossenschaftliche Eigentumsformen favorisiert. Vor diesem Hintergrund war das im sogenannten realen Sozialismus hochgepriesene Staatseigentum ein Irrweg. Für uns heute ist staatliches Eigentum am ehesten für die strukturpolitische Steuerung, zum Beispiel überregionale Infrastrukturen, von Bedeutung. Das gilt ebenso für Banken mit Spezialaufgaben. Kommunales Eigentum dagegen ist angebracht für dezentrale Infrastrukturen und lokale Versorgungsdienste. Auch private Eigentumsformen können weiter eine Bedeutung haben bei Personengesellschaften und eigentümergeführten Unternehmen, sofern wirtschaftsdemokratische Vorgaben eingehalten werden. Genossenschaftliche Eigentumsformen schließlich sind bei Aktiengesellschaften im Belegschaftsbesitz möglich. Insgesamt gilt, dass immer ein Bereich mit gesellschaftlich Eigentum den anderen Bereichen ihren Rang zuweist, damit eine wirksame Steuerung der Märkte erfolgen kann.

Neben den verschiedenen Eigentumsformen im produktiven Sektor existieren mit den Gebietskörperschaften, Sozialversicherungen und Privatorganisationen ohne Erwerbscharakter drei Bereiche, die in der sozialistischen Marktwirtschaft wichtige Aufgaben zu übernehmen haben. Bei der Sozialversicherung sollte die Integration aller Zweige zu einer Bürgerversicherung erfolgen. Ein integraler Sozialhaushalt muss das Ziel haben, eine solidarische Umverteilung vorzunehmen. Die Aufgaben der dezentralen und gemeinwirtschaftlichen Organisationen mit sozio-kulturellen Dienstleistungen können statt vom Staat auch durch zivilgesellschaftliche Organisationen übernommen werden. Die ökonomische Basis bleibt weiter die Erhebung von Steuern und Gebühren.

Strukturpolitik, Ware und Geld und makroökonomische Steuerungsinstitutionen.

Im Kapitalismus gelten die staatliche Finanzpolitik und die Geldpolitik der Zentralbank als die wichtigsten ökonomischen Politikbereiche. Die Strukturpolitik gilt nur als untergeordneter Politikbereich, die nur bei sektoralen und regionalen Strukturkrisen zum Einsatz kommt (Bergbaukrise und Werftenkrise). Die sozialistische Marktwirtschaft hat dagegen den Anspruch, über die Strukturpolitik das gesamtwirtschaftliche Geschehen zu steuern. Durch gesellschaftlich abgestimmte Vorgaben soll dem blinden Marktgeschehen entgegengewirkt werden. Es gilt eine Marktordnung zu entwickeln, die dezentrale Unternehmensentscheidungen ermöglicht. Die Überschusserzielung bleibt Ziel der marktwirtschaftlich operierenden Unternehmen neben weiteren gesellschaftlichen Aufgaben, die die Mitarbeiter bzw. ihre Repräsentanten und andere gesellschaftliche Gruppen, die in Aufsichtsgremien der Unternehmen vertreten sind, zu überwachen haben. Für die Produktion der Konsumgüter gilt, dass die Konsumenten die Freiheit der Wahl haben müssen und die Unternehmen ihre Entscheidungen eigenständig zu treffen haben. Anders ist das bei der Produktion von Investitionsgütern. Hier kommt die strukturpolitische Steuerung zum Tragen. Wenn auch die Regulation durch Marktkräfte bestehen bleibt, werden hier Steuerungsinstrumente eingesetzt. Dabei handelt es sich um öffentliche Beteiligungsgesellschaften, Kreditinstitute mit Sonderaufgaben und öffentliche Managementagenturen. Wenn diese strukturpolitische Steuerung nicht ausreicht, kann die Übernahme von Unternehmen in öffentliches Eigentum in Frage kommen. Dass die Strukturpolitik mit der Geld- und Finanzpolitik abzustimmen ist muss als selbstverständlich angesehen werden.

Die kommunistische Vision.

Eine sozialistische Marktwirtschaft bleibt eine Knappheitsökonomie und gilt als niedere Phase einer kommunistischen Gesellschaft. Es wird die Produktivkraft der Arbeit gesteigert, die auf zusätzliche Waren- und Dienstleistungen und frei verfügbare Zeit verteilt werden kann. Es kann schrittweise die Schranke der Zahlungsfähigkeit zur Bedürfnisbefriedigung aufgehoben werden, der Anteil der freien Güter ausgeweitet werden. Namentlich Realtransfers, öffentlich oder gemeinwirtschaftlich erbracht, können als freie Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Es werden so nach und nach kommunistische Verteilungsprinzipien etabliert, also nach dem Prinzip „Jeder nach seinen Bedürfnissen.“ Geld spielt weiterhin eine Rolle, wird doch auch im Sektor freier Güter der Ressourcenbedarf durch Geldzahlungen der produktiven Sektoren finanziert. Ob es in Zukunft möglich sein wird, dass ohne Geld im gesamtgesellschaftlichen Umfang produziert und zugeteilt wird, kann von heute aus nur spekulativ beantwortet werden.

(1)Es handelt sich um die Zusammenfassung des Aufsatzes „Sozialistische Marktwirtschaft“ von Stephan Krüger. Er erschien im Text „Aufhebung des Kapitalismus“ der Marxistischen Abendschule, Argument-Verlag 2015, S.93-119. store 01

Österreichs schöne neue Welt

06. Januar 2020  Allgemein

IST DIE ÖSTERREICHISCHE ALTERNATIVE EIN VORBILD FÜR DIE BUNDESREPUBLIK?

Sebastian Kurz, der Chef der rechtspopulistischen „Neuen Volkspartei“ In Österreich, hat mit den Grünen in Österreich einen Koalitionsvertrag ausgehandelt. Er meint, es sei gelungen, „das Beste aus beiden Welten zu vereinen.“

Was Ist unter dieser schönen neuen Welt zu verstehen?

Kurz geht davon aus, beim Koalitionsvertrag zwischen seiner Partei und den Grünen Österreichs liege kein klassischer Kompromiss vor, sondern es würde jeder Partei der Bereich überlassen, der ihr besonders wichtig sei. Die Grünen könnten sich dem Klimaziel widmen und die Volkspartei setze sich für Steuersenkungen und für den Kampf gegen illegale Migration ein.

Bei genauerer Betrachtung muss festgestellt werden, dass die Welt der Volkspartei komplett umgesetzt werden soll. (1) Eine Rückkehr von Migrantinnen und Migranten in ihre Herkunftsländer soll möglichst schnell passieren. Dazu sollen dienen eine Betreuungsagentur und Rückkehrzentren, eine vorbeugende Sicherungshaft sowie die Ausweitung von Verboten für Migrantinnen und Migranten. Das Regierungsprogramm 2020-2024, das auch grüne Schwerpunkte verdeutlicht, enthält verkürzt folgende Punkte:

Entlastung für arbeitende Bürgerinnen und Bürger

Bekämpfung des Klimawandels

Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit

Konsequenter Kurs bei Migrantinnen und Migranten

Ausgeglichener Staatshaushalt

Bildung

Transparenz im öffentlichen Bereich

Armutsbekämpfung und soziale Sicherheit

Insgesamt überwiegt die neoliberale Ausrichtung des Regierungsprogramms, so dass gesagt werden kann, dass die Positionen der Volkspartei, gerade auch im Hinblick auf die Asylpolitik, den deutlichen Schwerpunkt setzen. Aus der Welt der Grünen wurde die Nachhaltigkeit in der Klimapolitik und Europapolitik übernommen. Von der Bekämpfung der Armut und sozialen Verbesserungen ist kaum etwas zusehen. Dass die Volkspartei das Schwergewicht bildet zeigt sich zudem an der Aufteilung der Ministerien. Die Kurzminister besetzen das Innere, die Finanzen, die Verteidigung und die Außenpolitik. Die Grünen den Klimaschutz, die Energie, die Mobilität und Technologie vereint in einem Ministerium.

Die politische Asymmetrie zwischen den beiden Parteien erlaubt den Schluss, dass die Grünen unter die Räder kommen werden. Ein Schritt nach vorn wird auch deshalb nicht zu erwarten sein, weil der Status der Verteilung von Vermögen und Einkommen unangetastet bleiben sollen. Insoweit kann das österreichische Experiment auch kein Vorbild für die bundesdeutsche Politik sein. Dem österreichischen Szenario sollte bei uns mittelfristig eine linke Reformpolitik entgegengesetzt werden. Dazu bedürfte es allerdings einer Beendigung der Austeritätspolitik, einer Strukturpolitik, die grundlegende ökonomische Strukturen des Kapitalismus verändert und einer Stabilisierung schwächerer Volkswirtschaften in der EU. Es muss ein evolutionärer Prozess in Richtung eines demokratischen Sozialismus erfolgen. Linkspartei, Grüne und Sozialdemokraten müssten es schaffen, in ihren eigenen Reihen einen Konsens für ein linkes Reformbündnis herzustellen. Die Ausgangssituation in der Bundesrepublik sieht allerdings so aus, dass bisher keine Hegemonie für eine linke Reformalternative besteht. Im Gegenteil, der Rechtspopulismus hat ein besonderes Gewicht erlangt. Trotzdem ist festzustellen, dass in der Bevölkerung ein großes Unbehagen über die tiefe soziale Spaltung im Lande vorhanden ist. Daran ist anzuknüpfen und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines grundlegenden Politikwechsels gegenüber der bisherigen Politik, für grundlegende Veränderungen in der Einkommens- und Vermögenssituation weiter Bevölkerungsteile sowie der Entwicklung einer nichtkapitalistischen Wirtschaftsordnung zu schaffen. Es muss in der Bevölkerung die Überzeugung Platz greifen, dass nur so eine Veränderung zum Besseren zu erreichen ist. Es gilt kurz- und mittelfristige Maßnahmen zu ergreifen, die in einem Gesamtpaket die kritische Schwelle zu einem Politikwechsel überschreiten. Der Kapitalismus ist an seiner Systemgrenze angelangt, die nach dem Aufbau eines demokratischen Sozialismus verlangt. Eine solche Politikwechsel muss in einem linken Reformbündnis glaubwürdig vertreten werden. Das ist eine Alternative, die in eine grundlegend andere Richtung geht als die, die in Österreich eingeschlagen wird.

  • Siehe : Sozialismus aktuell vom 4.1.2020