Die Konjunkturrakete?

06. Juni 2020  Allgemein

DAS KONJUNKTURPAKET DER GROSSEN KOALITION-EINE KONJUNKTURRAKETE?

Die Bundesregierung hatte bereits im März mit 1,2 Billionen Euro das bisher größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht. Nun, knapp 3 Monate später, stellt der Koalitionsausschuss der Bundesregierung fest, dass es jetzt darauf ankomme, nicht nur Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten und soziale Notlagen zu vermeiden, sondern die Wirtschaft auf einen Wachstumskurs zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die Koalitionsregierung aus CDU/CSU und SPD auf ein 57-Punkte-Programm verständigt, das den Staat 130 Mrd. Euro kosten soll, getragen mit 120 Mrd. Euro durch den Bund.

Das Programm gilt es näher zu durchleuchten.

1.Das Programm zielt auf Konsumimpulse und auf die Förderung von Zukunftsinvestitionen. Als Kernpunkt wird die Senkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 16% bzw. 7% auf 5% angesehen. Bei den Stromkosten sollen die Bürgerinnen und Bürger durch die Absenkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostromes entlastet werden. Außerdem einigten sich die Koalitionäre auf einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind.

Insgesamt geht es darum, die Haushaltseinkommen zu steigern und dadurch den privaten Konsum zu beleben. Ob das gelingt ist allerdings fraglich, wenn gesehen wird, dass die Sparquote der Haushalte insgesamt am Ende des vergangenen Jahres 9,7% betrug, inzwischen aber auf knapp 20% angestiegen ist. Die mangelnde Konsumbereitschaft ist natürlich Ausdruck der Beschränkungen, die den Bürgerinnen und Bürgern aufgrund der Corona-Krise auferlegt wurden. Bei vielen Menschen fehlen das Vertrauen und aber auch die finanziellen Möglichkeiten und Sicherheit, die einen Konsumstart auslösen könnten. Es kommt hinzu, dass die Senkung der Mehrwertsteuer nur dann den Konsum beflügeln kann, wenn die Entlastung auch über niedrigere Preise tatsächlich weitergegeben wird. Die Bundesregierung belässt es bei Appellen an die Unternehmen, eine durchgreifende Steigerung der Konsumausgaben wäre wahrscheinlich durch direkte Maßnahmen des Staates, zum Beispiel durch Konsumschecks, erfolgreicher gewesen.

2. Ein weiterer Schwerpunkt des Programms liegt bei der Unterstützung der schwer getroffenen Kommunen. Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen sollen durch eine Gemeinschaftsaktion von Bund und Ländern ausgeglichen werden. Ferner sollen die Unterkunftskosten in der Grundsicherung durch den Bund übernommen werden. Fraglich ist jedoch, ob die Hilfe für die Kommunen nachhaltig ist, angesichts der Tatsache, dass die Kommunen Altschulden zu bedienen haben und die CDU/CSU sich weigerte, eine Streichung der Altschulden ganz oder teilweise vorzunehmen.

3. Die Koalitionsspitzen einigten sich auf eine zusätzliche Unterstützung der Branchen, die von der Corona-Krise besonders belastet sind. Es wurde ein Programm für sogenannte Überbrückungshilfen von maximal 25 Mrd. Euro für kleine und mittelständische Unternehmen aufgelegt. 50 Mrd. Euro sollen als „Zukunftspaket“ ausgegeben werden, mit einer sogenannten „Innovationsprämie“ für Elektroautos. Zur Unterstützung im Bereich Mobilität soll die KFZ-Steuer stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet werden und die Elektroautos ganz von der KFZ-Steuer befreit werden. Ein Elektroauto mit einem Listenpreis von netto 40000 Euro soll nun mit 6000 Euro gefördert werden, Kaufprämien für Verbrenner werden nicht gewährt.

4.Der Bund beteiligt sich mit 1 Mrd. Euro pro Jahr zusätzlich am Eigenkapital der Deutschen Bahn. Im Bereich der Schifffahrt wird der LNG-Antrieb, das heißt die Verflüssigung von Erdgas als Kraftstoff, gefördert. Flugzeugflotten sollen gezielt gefördert werden, wenn die Flugzeuge 30% weniger CO2 emittieren.

Neben diesen Schwerpunkten des Programms, gibt es noch viele Einzelmaßnahmen, was den Koalitionären die Kritik eingebracht hat, nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen. Offen bleibt, ob die beabsichtigte Wirkung des Programms erzielt wird und offen ist weiter die Finanzierung. Der erste Nachtragshaushalt sieht eine massive Neuverschuldung des Staates vor, ein weiterer Nachtragshaushalt wird nötig sein. Da keine soziale Steuerpolitik zu erwarten ist, wird auch hier eine weitere Neuverschuldung in den Fokus genommen. Wenn man nicht gerade zu blinden Vertretern der Modern Monetary Theory (MMT) gehört, wird man auf Dauer einen sukzessiven und sozialen Rückbau der Verschuldung erwarten müssen. Die Regierung selbst geht davon aus, dass in diesem Jahr die Wirtschaftsleistung um mindestens 6,3% einbrechen wird. Eine schnelle Erholung im nächsten Jahr muss als unwahrscheinlich angesehen werden, eine Konjunkturrakete ist nicht zu erwarten und auch nicht ein „Wumms“ aus der Krise, wie der Finanzminister Scholz meint. Das Problem in der Eurozone war bis zur Corona-Krise, dass zwar schon eine lockere Geldpolitik der EZB gefahren wurde (Quantitative Easing), aber diese durch die Sparpolitik der Eurostaaten und vor allem durch die Schuldenbremse der Bundesregierung konterkariert wurde. Die Konsequenz war, dass massiv Gelder auf die Vermögensmärkte (Börsen und Immobilien) flossen mit der Gefahr des Zusammenbruchs dieser Märkte. Die Regulierung der Finanzmärkte nach der Finanzkrise 2007/2009 blieb bescheiden und Banken konnten ihre spekulativen Geschäftsmodelle weiterführen. Die privaten und öffentlichen Haushalte wiesen schon damals eine hohe Verschuldung auf, eine soziale Steuerpolitik, eine höhere Belastung von Besserverdienern und Vermögenden, wäre notwendig gewesen. Durch die Corona-Krise hat sich die Situation insoweit geändert, als nun die Austeritätspolitik wegen des gewaltigen wirtschaftlichen Einbruchs vorerst auf Eis gelegt wurde und alle finanzpolitischen Dogmen quasi über Nacht über den Haufen geworfen wurden.

Die Frage ist nur, ob die etablierte Politik nach der Corona-Krise wieder in altes Fahrwasser zurückkehrt. Dann würde sie, wie vorher auch, in einem Dilemma stecken:

Entweder die EZB und die Zentralbanken allgemein steigen aus der lockeren Geldpolitik aus zur Bekämpfung einer Vermögensblase an den Finanzmärkten und es kommt zu einer neuen Etablierung der Austeritätspolitik mit der Gefahr weiterer ökonomischer Einbrüche, oder aber die EZB und weitere Zentralbanken setzen die lockere Geldpolitik fort bei massiver Neuverschuldung der Staaten und der Gefahr eines Zusammenbruchs der Finanzmärkte. Ein solcher Zusammenbruch kann zur Erosion des Geldsystems, der führenden Repräsentativwährungen und zur Rückbindung des Geldes an das Gold führen. Keynes nannte diese Situation einst den Rückfall in chaotische Goldzeiten. Wenn aber eine Emanzipation von all diesen Problemen erreicht werden soll, ist eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise, die an ihre Systemgrenze gestoßen ist, notwendig. Eine strenge Regulierung des Finanzsektors, eine Relativierung des privaten Profits im realen Sektor (Industrie und kapitalistische Dienstleistungen), eine internationale Einebnung der ökonomischen Ungleichgewichte in einer nichtkapitalistischen, wirtschaftsdemokratischen Wirtschaftsordnung muss das Ziel sein. Dazu bedarf es eines nachvollziehbaren Programms der demokratischen Linken, das auch mehrheitsfähig ist und glaubwürdig zu vertreten ist.