Die Freiburger Diskurse und die Staatsverschuldung.

15. März 2021  Allgemein

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

DIE FREIBURGER DISKURSE UND DIE VERSCHULDUNG DES STAATES.
Die Freiburger Diskurse e.V. haben im März 2021 ein Webinar zu dem Thema Staatsverschuldung veranstaltet. Eingeladen waren die Wirtschaftsprofessoren Prinz und Beck sowie die Vertreter der Modern Monetary Theory (MMT) Steinhardt und Paetz. Die Moderation hatte Heinrich Roeder von den Freiburger Diskursen übernommen. Insgesamt muss gesagt werden, dass das Webinar zu einem Insidergespräch von Experten auszuarten drohte, mit wenig Erkenntnismöglichkeiten für Nichtökonomen. Heinrich Roeder ist allerdings zugute zu halten, dass er ab und zu versuchte, das Gespräch in eine allgemeinverständliche Richtung zu lenken.
Die zentrale These der MMT-Vertreter war, dass ein Staat in einer Fremdwährung zahlungsunfähig werden könnte (Originalton Pleite gehen) aber nicht in der eigenen Währung. Das heißt, dass dem Staat bei seinen Staatsausgaben und seiner Verschuldung in eigener Währung keine Grenzen gesetzt seien. Im Ernstfall wäre die Zentralbank in der Lage und auch Willens den Staat unbegrenzt mit finanziellen Mitteln zu versorgen, um die Existenz des Staates nicht zu gefährden. Dieser These wurde von Prof. Prinz und auch Prof. Beck widersprochen, indem beide darauf hinwiesen, dass in den USA bestimmte Teilstaaten durchaus zahlungsunfähig geworden seien und die Zentralbank (FED) nicht eingesprungen sei. Wichtig in der Diskussion war außerdem, dass insbesondere Prof. Prinz auf Rückwirkungen einer unbegrenzten Ausgaben- und Verschuldungspolitik des Staates auf den Wirtschaftsprozess hingewiesen hat. Inflationäre Entwicklungen seien dann möglich, wenn Kapazitätsgrenzen des realen Sektors (Industrie und Dienstleistungen) und auch institutionelle Grenzen durch die Staatsverschuldung überschritten würden. Dem stimmte Prof. Beck zu und bezeichnete die MMT als stinknormalen Keynesianismus und nicht als eine neue revolutionäres Theorierichtung. Richtig ist allerdings der Einwurf von Steinhardt, dass der Euroraum augenblicklich eher mit deflationären Tendenzen als mir inflationären Problemen zu schaffen habe. Einig waren sich alle Diskutanten, dass zu einer erfolgreichen Krisenbekämpfung kein Systemwechsel also keine Abwendung vom Kapitalismus notwendig sei.
An dieser Stelle setzt der marxistische Ansatz einen deutlichen Kontrapunkt. Im Rahmen der Marxschen Theorie wird von der warenproduzierenden kapitalistischen Gesellschaft ausgegangen mit dem Geld als Fundamentalkategorie. Es wird der Weg von der Geldware Gold, über das konvertierbare Repräsentativgeld mit Golddeckung bis zum heutigen inkonvertiblen Zentralbankgeld und Buchgeld bei Zentralbanken und Banken nachgezeichnet. Dieser Weg muss in verständlicher Form dargestellt werden. Im Gegensatz zur MMT und auch den Diskutanten der Freiburger Diskurse ist Geld nicht einfach als Kreation des Staates aufzufassen, sondern es ist aus der Warenproduktion und Warenzirkulation abzuleiten und erhält erst im Laufe der Geschichte seine staatliche Befestigung. Da die Vertreter der MMT und auch die Wirtschaftsprofessoren diesen Weg nicht beschreiten, können sie erklären, dass der Staat und die Zentralbanken mit ihrer Fiskal- und Geldpolitik den Kapitalismus nach Belieben und umfassend steuern können. Marxisten stellen dagegen dar, dass die Grundlage der staatlichen Politik und der Geldpolitik der Zentralbanken die Gesetze der privaten Kaptalverwertung sind und dass im Zuge einer tiefen Wirtschaftskrise ein katastrophaler Zusammenbruch des Geld- und Währungssystems möglich ist und eine Zerstörung der Funktion der Zentralbanken als „Lender of last resort.“ Es würde dann keine Verschuldungspolitik mehr möglich sein und die beteiligten Nationen drohten in eine Barbarei zu versinken. Eine schrittweise Abkehr von den Gesetzen der privaten Kapitalverwertung ist deswegen notwendig, ein Weg, den die Diskutanten gar nicht im Fokus haben, weil sie den Zusammenhang von realem Sektor (Mehrwertproduktion) und dem Finanzsektor mit seiner Verselbständigung nicht ableiten können. Insoweit sitzen die Vertreter der MMT und die diskutierenden Professoren im gleichen Boot. Es werden die ökonomischen Grenzen einer expansiven Geldpolitik „vergessen“. In der Zeit der Prosperität, bis etwa zur Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, schlägt die massive Geldschöpfung in inflationäre Prozesse um, was von Prinz und Beck gesehen wird. Im Überakkumulationszyklus danach mit dem Fall der gesellschaftlichen Profitrate stößt der Kapitalismus an seine Systemgrenze. Die expansive Geldpolitik kollidiert mit den Verwertungsbedingungen des privaten Kapitals, einer Abnahme der Kreditnachfrage der Unternehmen und den Einkommensgrenzen der privaten Haushalte. Die sinkende Profitrate im realen Sektor versuchen viele Unternehmen zu umgehen durch Umlenkung ihrer Gelder auf die Finanzmärkte. Die Spekulation an Börsen und Immobilienmärkten wird Trumpf. Dieser Rückbezug auf die Bedingungen der privaten Kapitalverwertung, die Einschätzung des veränderten Zyklusmusters und der Einbezug der Volkswirtschaft in die internationale Konkurrenz fehlt bei den Diskutanten komplett. Es wird in der Finanzsphäre verblieben, mit fatalen Fehleinschätzungen was die Entwicklungsfähigkeit des Kapitalismus angeht. Insoweit war das Webinar der Freiburger Diskurse e.V. ein Lehrstück für die Mangelhaftigkeit der traditionellen Volkswirtschaftslehre einschließlich der Vorstellungen der MMT.
Das Fazit aus marxistischer Sicht muss lauten: Staatsverschuldung ja, aber im Rahmen einer öffentlichen Strukturpolitik, ausgewogenen Finanz- und Geldpolitik und neuer Steuerungsinstrumente im Rahmen einer transformatorischen nicht-kapitalistischen Wirtschafts- Geld- und Finanzpolitik.