Die Grünen und die Schwarze Null

11. Juni 2019  Allgemein

DIE GRÜNEN UND DIE SCHWARZE NULL. (1)

Die Europawahlen und die Wahlen zur Bürgerschaft in Bremen haben massive Veränderungen im politischen System der Bundesrepublik deutlich gemacht. Die eigentlichen Gewinner der Wahlen waren die Grünen, während die CDU/CSU und die SPD einen Niedergang erlebten und die Linkspartei widersprüchliche Ergebnisse erzielte. Inzwischen sind die Grünen auf dem besten Weg, zur stärksten politischen Kraft zu werden und eine politische Führungsrolle zu übernehmen, neben der Klimapolitik auch in der Sozialpolitik und bei der Abwehr des Rechtspopulismus. Die Grünen haben im März dieses Jahrs einen Zwischenbericht ihrer Programmdebatte verabschiedet, der Eingang in ihr Grundsatzprogramm finden soll. Es soll die Wirtschafts- und Sozialpolitik stärker akzentuiert werden, Robert Habeck hat inzwischen seine Vorschläge für den Sozialstaat des 21.Jahrhunderts eingebracht. Die Grünen sehen deutlich, dass eine Spaltung zwischen Arm und Reich, zwischen Mittelklassen und führenden Eliten und auch zwischen den Regionen in der Bundesrepublik und Europas eingetreten ist. Außerdem auch, dass erkämpfte Bürger-Umwelt-und Arbeitsrechte in Frage gestellt werden und niedrige Löhne, Steuerdumping sowie die Auslagerung sozialer Kosten zum Alltag von Unternehmen gehören.

Die Frage ist allerdings, welche Alternativen die Grünen dieser Entwicklung entgegensetzen wollen und wie sie diese verwirklichen wollen?

In diesem Punkt bleiben die Grünen in ihrem Zwischenbericht vage und wie eine sozial-ökologische Wende zu finanzieren ist ebenso. Verschiedene Vertreter der Grünen traten bisher als vehemente Vertreter der Schuldenbremse auf, die 2009 im Grundgesetz festgeschrieben wurde. Demgegenüber meinen die beiden grünen Bundestagsabgeordneten Danyal Bayaz und Anja Hajduk in einem Positionspapier, dass für sie staatliche Investitionen wichtiger seien als die sogenannte Schwarze Null. Sie stellen fest, dass heute der Handlungsspielraum der Politik weniger durch zu hohe Schulden und mehr durch eine marode Infrastruktur und zu geringe staatliche Investitionen beschränkt sei. Die Diskussion über die staatliche Verschuldung habe dazu geführt, dass öffentliche Investitionen einen erheblichen Substanzverlust erlitten hätten, was sich sowohl beim Bund als auch bei den Bundesländern und vor allem Kommunen zeigen lasse. Trotz allem wollen Bayaz/Hajduk nicht ganz auf die Schuldenbremse verzichten. Sie wollen einen „klugen Weg“ finden, der den Staat zu solidem haushalten und gleichzeitig zu einer vernünftigen Investitionspolitik führe.

Wie soll aber der „kluge Weg“ aussehen?

Bayaz und Hajduk schlagen vor, eine Investitionsregel aufzustellen, die sich am Wertverlust der Infrastruktur orientiert. Staatliche Investitionen sollten immer so hoch sein, dass der Kapitalstock konstant gehalten werde. Eine andere Möglichkeit wäre, einen öffentlichen Investitionsfonds zu schaffen, der durch Kreditaufnahme gespeist würde. Die Schuldenbremse solle dann nur noch auf konsumtive Staatsausgaben begrenzt werden.

Es ist zwar lobenswert, dass bei den Grünen nun nach einem Weg gesucht wird, die Schuldenbremse zumindest teilweise zu umgehen. Trotzdem ist nicht einleuchtend, dass prinzipiell an der Schuldenbremse festgehalten werden soll. Eine alternative Steuerpolitik, bei der Besserverdienende und Vermögende stärker belastet werden, wird offensichtlich nicht als Teil des Lösungsweges angesehen. Massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur werden nur möglich sein, wenn Eingriffe in die Verteilungsstrukturen stattfinden, zum Beispiel eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Einführung einer wirksamen Finanztransaktionssteuer. Auch eine Ausweitung der Staatsverschuldung, also ein Ende der Schuldenbremse, wäre beim augenblicklichen Zinsniveau zu verkraften. Darüber müsste mit den Grünen vonseiten der SPD und der Linkspartei näher gesprochen werden. Da die Grünen die neue Positionsbestimmung als Beitrag zur Debatte verstehen, wären die SPD und die Linkspartei gut beraten, dieses Diskussionsangebot aufzugreifen und in zukünftige Verhandlungen über eine rot-rot-grüne Regierungspolitik mit einzubeziehen. Mittel- bis langfristig muss es dabei um grundlegende Strukturveränderungen unserer Wirtschaftsordnung hin zu einem demokratischen Sozialismus gehen.

(1) Grundlage des Kurzaufsatzes: B. Müller in Sozialismus aktuell vom 9.6.2019 c