Die grüne Wende?

25. November 2020  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

                  BRINGEN DIE GRÜNEN DIE POLITISCH-SOZIALE WENDE?

Die Grünen haben das erste Mal einen komplett digitalen Parteitag durchgeführt. Es ging um die Verabschiedung eines neuen Grundsatzprogramms. Der Entwurf war schon seit Ende Juni der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Wie Annalena Baerbock betonte, soll es ein Programm für „die Breite der Gesellschaft“ sein. Die Grünen wollen neue Antworten auf die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen geben. Die Frage ist allerdings, wie die neuen Antworten aussehen sollen und mit wem sie sie verwirklichen wollen?              Festzuhalten ist erst einmal, dass nach den jüngsten Umfragen die Unionsparteien mit 36% klar vor den Grünen mit etwa 18% liegen. Die SPD stagniert bei 16% und ebenso die Linke bei 8%. Die AFD rutscht inzwischen unter die 10% Marke und die FDP kommt über die 6% nicht hinaus. Anna Baerbock stellt zu Recht fest, dass eine neue Politik bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung die Bereitschaft erfordert, diesen Weg mitzugehen. Das ist mit der Pandemie nicht einfacher geworden. Die Suche nach Wählerschichten über die alte Wählerbasis hinaus erweist sich als schwierig.

Im 2. Kapitel des Grundsatzprogramms geht es u.a. um eine neue Wirtschaftsordnung, die sozial-ökologisch orientiert ist. Diese Wirtschaftsordnung müsse Klimaneutralität, Vorsorge und soziale Gerechtigkeit gewährleisten. Das zu erreichen könne nur gelingen, wenn es einen starken, handlungsfähigen und effektiven Staat gebe, der klare Leitplanken aus Steuern, Abgaben und Ordnungsrecht vorgebe. Das setzte aber voraus, dass alle oder viele Mitgliederinnen und Mitglieder der Gesellschaft die Bereitschaft mitbrächten, zu Gunsten einer ökologisch-sozialen Gesellschaft auf die Durchsetzung von Sonderinteressen zu verzichten. Robert Habeck sieht klar, dass unsere Gesellschaft augenblicklich extrem polarisiert ist und die politische Rechte einen starken Auftrieb erlebt. Er warnt vor einer Entwicklung wie in den USA unter Trump. Die zunehmende Spaltung, Radikalisierung, und Verquickung der rechten Szene mit den sogenannten „Querdenkern“ ist allerdings auch bei uns Teil des Alltags geworden. Deswegen fordern die Grünen den Schulterschluss mit dem fortgeschrittenen Teil der Wirtschaft und Industrie, mit Geringverdienern und Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. Von Bürgerinnen und Bürgern mit höherem Vermögen und Einkommen wird ein stärkerer Einsatz für zukünftige gesellschaftliche Investitionen gefordert. Das heißt, höhere Steuern für Vermögende und reiche Erben, eine progressive Besteuerung und eine effektive Bekämpfung von Steuerverhinderung und Steuerhinterziehung. Ansgar Graw nennt das die Position eines unauffälligen Antikapitalismus und für einen Staat mit hoher Umverteilung. Dass in der Umverteilungsfrage Wirtschaftsverbände eine beinharte Ablehnung formulieren wird niemand erstaunen. Ob ein Koalitionspartner CDU/CSU bei den Positionen der Grünen mitgehen würde, ist ebenfalls unwahrscheinlich, von der FDP ganz zu schweigen.Es wäre nun auch Aufgabe der Grünen, SPD und der Linken für eine grün-rot-rote Bundesregierung zu werben, damit es gelingt, bis zum Herbst nächsten Jahres eine politische Machtverschiebung zu erreichen. Von den augenblicklichen Mehrheitsverhältnissen her gesehen, sieht das jedoch eher düster aus. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin noch ein Wandel möglich ist.

Aus linker Sicht geht es darum, durch eine fortschrittliche Regierungskoalition und entsprechende politische Maßnahmen in der Frage der Verteilung, des Sozialstaats und der Ökologie für eine Mehrheit der Wahlbevölkerung die Lebenslage entscheidend zu verbessern und das Vertrauen in eine linke Mehrheit zu schaffen und zu erweitern, sowohl durch die inhaltliche Politik als auch durch ein glaubwürdiges Personal. Es muss die Einsicht reifen, dass die bürgerlich-kapitalistische Form des Wirtschaftens nur eine Durchgangsform zu einer wirtschaftsdemokratischen Gesellschaft darstellt. Nicht mehr das Eigentum an den Produktionsmitteln in der Hand von einzelnen Kapitalisten bzw. Aktiengesellschaften darf in Zukunft das gesellschaftliche Leben bestimmen, sondern die Grundlage muss das Eigentum der „assoziierten Produzenten“, also der Beschäftigten der Unternehmen,  und eine demokratische Steuerung der gesamten Wirtschaft sein. Das erst wird die entscheidende politisch-soziale Wende in der Gesellschaft erbringen.