Probleme der Sanktionspolitik

18. Mai 2022  Allgemein

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

PROBLEME EINER VERSCHÄRFTEN SANKTIONSPOLITIK GEGENÜBER RUSSLAND (1)
Im Zentrum der medialen Debatte stehen neben der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine die Importe fossiler Energieträger aus Russland. Die Europäische Union (EU) bezieht täglich für 800 Millionen US-Dollar russisches Öl und Gas. Der größte Kunde ist die Bundesrepublik gefolgt von Italien. Die EU-Länder verhandeln inzwischen darüber, in welcher Weise es möglich ist, ein Ölembargo gegenüber Russland durchzuführen. Allerdings tat sich die EU bei diesem Vorhaben sehr schwer, weil bei Beschlüssen ein einstimmiges Votum notwendig war. Vor allem Ungarn und die Slowakei bremsten in dieser Frage, denn sie sind zwischen 75 und 100 Prozent von russischem Erdöl abhängig. Noch problematischer ist für die EU, wenn auch russische Gasimporte in die Sanktionspolitik einbezogen werden. Die Regierung Scholz versucht deswegen, den Anteil der russischen Gasimporte von 55 auf 35 Prozent zu senken. Wirtschaftsminister Habeck verkündete, bis 2024 solle der Anteil auf 10 Prozent gesenkt werden. Ob das realistisch ist, ist jedoch die große Frage. Einerseits laufen viele Verträge der deutschen Gasimporteure nicht vor 2030 aus und andererseits ist es volkswirtschaftlich riskant, schnell aus den russischen Gasimporten auszusteigen, da sich dieser Import nicht ohne weiteres schnell ersetzen lässt. Es kommt hinzu, dass auch die Verbraucher nicht so schnell auf einen anderen Energieträger wechseln können.
Der russische Staatskonzern Gazprom hat aktuell seine Gaslieferung an Polen und Bulgarien eingestellt und außerdem stoppt die Ukraine den Transit russischen Öls über die Sojus-Pipeline. Dadurch wird augenblicklich aber keine Bedrohung der europäischen Versorgung ausgelöst. Allerdings verrät ein Blick auf die Struktur des russischen Exports, dass Russland von dem Export seiner Öl- und Gasmengen sehr stark abhängig ist. Russlands Aufbau des Kapitalismus nach der Zeit des „realen Sozialismus“ hat gezeigt, dass dieser Aufbau mit einer sehr starken Extraktion von Rohstoffen verbunden war, Rohstoffe die weitgehend für den Export bestimmt waren. Parallel dazu wurde ein autoritäres politisches System mit besonderem Gewicht weniger Oligarchen aufgebaut, was verbunden war mit extremer sozialer Ungleichheit und weitgehender Rechtlosigkeit der Lohnabhängigen. Die Unternehmen, die international tätig sind, sind in der Regel Rohstoffkonzerne in privater Hand.
Die Politik der EU geht nun in die Richtung, die Geldtransfers nach Russland zu stoppen, um die russische Politik im Ukraine-Krieg zum Einlenken zu zwingen. Das scheint deshalb erfolgversprechend, weil 60 Prozent der russischen Ölexporte in die EU gehen. Die Sanktionspolitik der EU schädigt somit den Staatshaushalt Russlands, hält sich aber doch in Grenzen, weil die russische Politik sich vom Petrodollar unabhängig machen will. Außerdem stellt das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche fest, dass der kriegsbedingte Rückgang der Wirtschaftsleistung Russlands 2022 nur 9 Prozent betragen wird. Da der Erdölmarkt angespannt ist und der Erdölpreis in die Höhe getrieben wird, hat ein Ölembargo gegen Russland nur begrenzte Wirkung, zumal die Einnahmen aus dem Ölgeschäft wegen der Preisentwicklung eher steigen werden. Außerdem sucht Russland nach Auswegen und versucht, Verluste in der EU durch Exporte nach Asien, vor allem Indien und China, zu kompensieren. Zu bedenken ist auch, dass ein Ölembargo nach Aussage von Robert Habeck auch uns selbst schaden wird. Das ergibt sich vor allem durch die Steigerung der Energiepreise und ein weiteres Antreiben inflationärer Tendenzen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen. Das wird, wie immer, zu Lasten einkommensschwächerer Haushalte gehen, was nach letzten Umfragen inzwischen von vielen Haushalten als größeres Problem notiert wird als die eigentlichen Kriegshandlungen in der Ukraine. Der Wirtschaftskrieg könnte zwar die Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Energien befördern, das ist allerdings ein langfristiger und kein kurzfristiger Prozess. Die Ablösung fossiler Stoffe durch Energieformen, die weniger Treibhausgase freisetzen, wäre zudem eine Aufgabe von gigantischer Größenordnung. Ein Gasboykott wäre aber laut Habeck in diesem Jahr verkraftbar, wenn wir zum Jahresende volle Speicher hätten und deutlich an Energie gespart würde. Die Reaktion der russischen Politik besteht u.a. darin, dass Russland die Firma Gaz-prom Germania und andere Tochterunternehmen sanktioniert und Gaslieferungen stoppt. Der Stopp von Gaslieferungen schlägt jedoch besonders durch bei den Ländern, die besonders abhängig von russischem Erdgas sind, zum Beispiel Estland, Finnland, Lettland, Slowakei, Österreich und Ungarn.
(1)Die Grundlage des Aufsatzes ist ein Aufsatz der Redaktion Sozialismus in Sozialismus aktuell vom 12.5.22