Was ist ein Doppel-Wumms und welche Folgen hat er?

04. Oktober 2022  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

 DIE LINKE FREIBURG

WAS iST EIN „DOPPEL-WUMMS“ UND WELCHE FOLGEN HAT ER? (1)

 Der Bundeskanzler gebrauchte eine Bezeichnung, die an ein
Konjunkturpaket erinnert, das aus der Corona-Krise 2020 führen sollte. Damals
wollte er mit einem „Wumms“ aus der Krise herauskommen. Heute spricht
Bundeskanzler Scholz von einem „Doppel-Wumms“ und meint damit einen
Abwehrschirm von insgesamt 300 Mrd. Euro, um die Folgen der Energiekrise für
die BürgerInnen und Unternehmen abzumildern. Eingerechnet bei dieser Summe sind
alle bisher vorgelegten Entlastungspakete. Bemerkenswert ist, dass selbst Bundesfinanzminister
Lindner (FDP) dem Paket zustimmt, um auf den „Energiekrieg um Wohlstand und
Freiheit“ zu reagieren. Dahinter dürfte die Sorge stehen, dass eine weitere
Verschärfung der höchst ungleichen Verteilung der Vermögen, des Eigentums und
der Einkommen zu schweren sozialen Unruhen führen könnte. Eine weitere Politik
für Reiche und Besserverdienende im Sinne Lindners wäre dann in Frage gestellt.
Dass die Sorge Lindners nicht unberechtigt ist, das machen die Ergebnisse einer
großen Umfrage der Bundesregierung im Rahmen des Jahresberichts des
Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD) deutlich:

-Nur 39% der Ostdeutschen sind zufrieden mit der Demokratie,
die Westdeutschen nur noch zu 59%.

-PolitikerInnen haben das Wohl des Landes im Auge, das
meinen nur 32 % der Ostdeutschen und nur 42% der Westdeutschen.

-Mit der Politik der Bundesregierung sind nur 26% der
Ostdeutschen zufrieden, bundesweit sind es nur 35%.

– Sozialen Gerechtigkeit sehen nur 23% der Ostdeutschen
verwirklicht und 33% der Westdeutschen.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Distanz vieler
BürgerInnen zur politischen Klasse erheblich ist. Insoweit ist verständlich,
dass die offizielle Politik durch einen „Doppel-Wumms“ die Situation
entschärfen will. Folgende Maßnahmen sollen ergriffen werden:

1.Eine Gaspreisbremse, die privaten Verbrauchern und
Unternehmen einen temporären Schutz bieten soll.

2.Der Gasverbrauch soll reduziert werden, indem nur ein
Grundverbrauch subventioniert werden soll und für einen höheren Konsum
Marktpreise gelten sollen.

3.Für Unternehmen, die Gasimporteure sind, soll es eine
Auffanglösung geben, wodurch die heftig diskutierte Gasumlage entfällt.

4.Es soll eine Strompreisbremse geben, die durch sogenannte
Zufallsgewinne von Nicht-Gas-Kraftwerken zu finanzieren ist. Dadurch sollen
BürgerInnen und Unternehmen entlastet werden.

5.Unternehmen, die von der Gaspreisbremse und
Strompreisbremse nicht erfasst werden, sollen die Möglichkeit erhalten,
Eigenkapital- und Liquiditätshilfen zu bekommen

Die Frage ist allerdings, wie all die Maßnahmen zu
finanzieren sind?

Herangezogen werden soll der Wirtschaftsstabilitätsfonds
(WSF), der bereits zur Unterstützung von Unternehmen in der Corona-Krise
geschaffen wurde. Er wird mit einem Kreditvolumen von 200 Mrd. Euro
ausgestattet und die verfassungsmäßig festgelegte Schuldenbremse mithilfe einer
Ausnahmeklausel umgangen. Da Finanzminister Lindner aber weiterhin auf der
Schuldenbremse beharrt, unterscheidet er nun zwischen der Krisenbekämpfung
einerseits und der stabilitätsorientierten Haushaltspolitik andererseits. Der
Ausnahmezustand, das heißt die weitere Staatsverschuldung oberhalb der
verfassungsmäßigen Obergrenze, muss nach Lindner 2023 beendet werden.  Mit dieser Position Lindners ist schon jetzt
ein weiterer politischer Konflikt absehbar. Der wird aber auch kommen wegen der
noch nicht geklärten Einzelfragen, die mit dem Wirtschaftsstabilitätsfonds
verbunden sind. Erstens ist die Tilgung der gigantischen Neuverschuldung nicht
geregelt. Ferner ist weiter offen, wie die Gas- und Strompreisbremse genau
ausgestaltet werden soll, ebenso wie es gelingen soll, eine Ausweitung des
Energieangebotes zu erreichen. Unklar ist außerdem, wie ein beschleunigter
Ausbau der regenerativen Energie vonstattengehen soll. Über einen EU-weiten
Gaspreisdeckel, der von verschiedenen EU-Ländern gefordert wird, ist noch keine
Einigung erzielt worden, insbesondere deshalb, weil bei importiertem Gas es
Ausnahmen für die EU-Länder geben muss, die besonders von Erdgasimporten aus
Russland abhängig sind.

Insgesamt zeigt sich also, dass es nicht nur um eine
nationale und internationale Energiekrise geht, sondern auch um einen Kampf um
grundlegende Eingriffe und Korrekturen in die Wirtschafts-Sozial- und
politische Ordnung geht. Diesen Kampf gilt es von Seiten der Linken im
Interesse der Lohnabhängigen, EmpfängerInnen von sozialen Leistungen und
Menschen ohne jede soziale Absicherung und gegen dominierende Kapitalinteressen
mit ihrer neoliberalen Orientierung zu führen.

(1)Die Grundlage dieses Aufsatzes ist der Aufsatz von J.
Bischoff in Sozialismus Aktuell vom 30.9.22