Die Zukunft der russischen Gesellschaft und ihrer Machtelite

17. Mai 2023  Allgemein

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

WIE GEHT ES WEITER MIT DER RUSSISCHEN GESELLSCHAFT UND IHRER        MACHTELITE? (1)

Es ist der Administration von W. Putin bisher nicht gelungen, die strukturellen Widersprüche des russischen Kapitalismus wirklich anzugehen. Diese Widersprüche bestehen in der sozialen Ungleichheit, den regionalen Disparitäten sowie den separatistischen Bestrebungen in der russischen Föderation. Es besteht weiterhin eine Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten. Proteste der Bevölkerung, die vor allen in den Jahren 2013 und 2014 stattfanden, führten zu einer starken staatlichen Repression und einer politischen Entwicklung weit nach rechts. Der sogenannte Krim-Konsens 2014 wurde allerdings von einer Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert, das heißt, Russland sollte wieder eine Weltmacht werden, imperiale Bestrebungen der Machtelite wurden unterstützt und es herrschte das Gefühl, Russland werde von außen bedroht. Die Position Putins wurde auf diese Weise gestützt. Da aber eine Abkehr vom Modell der Rohstoffabhängigkeit und ein wirklicher Bruch mit der neoliberalen Tradition seit Jelzin nicht stattfand, steht die Herrschaft Putins und seiner Machtelite aufgrund der miserablen Lebensverhältnisse auf wackligen Füßen. Eine weitgehende Reindustrialisierung steht auf der Tagesordnung.

Bedeutender als die künftige Wirtschaftspolitik Russlands ist die Sanktionspolitik der USA und der EU und ihre sozialen Folgen. Eine Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche wird dadurch kaum möglich sein.  Felix Jaitner stellt in diesem Zusammenhang die Frage, was von der Perestroika Gorbatschows übriggeblieben ist und wie die Zukunft Russlands aussehen wird? Er stellt fest, dass eine Vielzahl von Fragen, die damals aufgeworfen wurden, auch angesichts des Ukraine-Krieges zu beantworten wären.

1.Der russische Multikulturalismus sei gescheitert. Bis heute werde die Russische Föderation von Moskau aus regiert, in den einzelnen Regionen stünden oftmals regionale Größen an der Spitze, die die autoritäre Regierungspraxis Moskaus unterstützten.

2.Eine intensive Auseinandersetzung mit dem repressiven Charakter der damaligen Sowjetunion und des Stalinismus sei unterblieben. Die herrschenden Eliten Russlands hätten sich dieser Diskussion immer verweigert, weil eine tiefgreifende Demokratisierung des Landes nicht in ihrem Interesse liege, insbesondere wegen der kriminellen Methoden, mit denen staatliches Eigentum in privates Eigentum verwandelt worden sei.

  1. Die Modernisierung der russischen Wirtschaft sei ungelöst. Eine Demokratisierung erfordere eine Revision des Privatisierungsprozesses, wozu weder Staatsbürokratie, Regierung und Oligarchie bereit seien. Diese Machtelite wolle an ihrem Rohstoffmodell festhalten. Die Hoffnung, dass die Machtelite eine liberal repräsentative Demokratie schaffen könnte, sei unbegründet. Es werde bei einer autoritären Form des Kapitalismus bleiben.

4.Das Scheitern der Perestroika Gorbatschows sei deshalb so dramatisch, weil damals die Chance verpasst worden sei, die grundlegenden Probleme der russischen Gesellschaft zu lösen.  Der augenblickliche Machtblock löse kein Problem und die Machtpolitik im postsowjetischen Raum mache weitere Konflikte in der Zukunft wahrscheinlich.

(1) Dem Kurzaufsatz liegt der Text von Felix Jaitner, Russlands Kapitalismus, VSA-Verlag, Hamburg 2023, S.170-173 zugrunde.