Grundsicherung ist Altersarmut – Anstieg um 30 Prozent

18. Dezember 2014  Allgemein, Anfragen, Berichte

Altersarmut und Grundsicherung in Karlsruhe
Stellungnahme der Stadtverwaltung zur Anfrage vom 16.12.14

1. Wie viele ältere Bürger/-innen ab 65 Jahren waren vor zehn Jahren in Karlsruhe als in Armut befindlich zu bezeichnen?

Als Indikator für Altersarmut wird der Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) herangezogen.


Erste belastbare Zahlen liegen wegen der Hartz-IV-Reform erst für das Jahr 2006 vor.
Personen, die den Bedarfssatz der Grundsicherung nach dem SGB XII nur geringfügig überschreiten und als armutsnah gelten, können in einer Größenordnung von ca. 5 Prozent bezogen auf die Anzahl der Leistungsbeziehenden angenommen werden.

2. Wie viele davon fielen in die Grundsicherung?
Im Jahr 2006 bezogen 1 973 Bürgerinnen und Bürger ab 65 Jahren Grundsicherung nach dem SGB XII.

3. Wie viele Bürger/-innen ab 65 Jahren können heute in Karlsruhe als in Armut befindlich bezeichnet werden?
Siehe Ziffer 1 (Definition).

a) davon wie viele Frauen, wie viele Männer?

Sowohl in der Gesamtbevölkerung wie auch bei den Leistungsbeziehenden im Rahmen der Grundsicherung nach dem SGB XII kann in der Altersgruppe 65 Jahre und älter von einer Quote 60 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer ausgegangen werden (siehe Ziffer 4).

Diese Werte können auch bei den armutsnahen Personen angenommen werden.
(bitte jeweils in Zahlen und Prozentanteilen/Gesamtbevölkerung)

4. Wie viele dieser Bürger/-innen beziehen Grundsicherungsleistungen?

Zum Stichtag 31. Dezember 2013 bezogen 2 663 Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahre Grundsicherung nach dem SGB XII.
Davon waren

Frauen: 1 608 Personen 60,4 % Gesamtbevölkerung: 58,1 %

Männer: 1 055 Personen 39,6 % Gesamtbevölkerung: 41,9 %

5. Wie hoch schätzt die Stadtverwaltung die Dunkelziffer von älteren Bürgerinnen und Bürgern ein, die grundsicherungsberechtigt sind, dies aber nicht beantragen, weil sie entweder nicht dazu in der Lage sind oder sich davor scheuen?
Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht jeder dem Grunde nach Leistungsberechtigte seine Ansprüche geltend macht. Angaben zur Anzahl der Betroffenen wären rein spekulativ.

6. Wie hoch liegt derzeit der Satz der Grundsicherung (ohne Miet- und Heizkosten)?

Der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 (erwachsene, alleinstehende Person mit eigenem Haushalt) beträgt derzeit 391 Euro monatlich. Ab 1. Januar 2015 steigt der Regelsatz auf 399 Euro. Rechtsgrundlage hierfür ist die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassene Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV).

7. Wie viele der Bürger/-innen in Grundsicherung bekommen in Karlsruhe die Miet- und Heizkosten nicht voll erstattet?

In Karlsruhe erhalten 13 Personen im Bereich der Grundsicherung die Kosten der Unter-kunft nicht in voller Höhe als Bedarf anerkannt.

a) aus welchen Gründen?

Bei der Neuanmietung einer sozialhilferechtlich unangemessen teueren Wohnung wurde durch diese Leistungsbeziehenden erklärt, dass der die angemessene Miete übersteigende Betrag auf andere Weise (in der Regel durch Angehörige) gedeckt wird.

8. Kann man nach Auffassung der Stadtverwaltung davon ausgehen, dass für Bür-ger/-innen in Grundsicherung ein kaputter Herd oder Kühlschrank, eine neue Brille usw. aus dem Einkommen der Grundsicherung nur zu leisten ist, wenn an anderer notwendiger Stelle entsprechend „gespart“ wird, z. B. der Ernährung?

Die Regelleistung umfasst Anteile für regelmäßig anfallende Bedarfe (wie z. B. Ernährung) und Pauschalen für unregelmäßig anfallende Bedarfe (wie z. B. Haushaltsgeräte). Zur Fi-nanzierung größerer Ersatzbeschaffungen sind aus den Anteilen für unregelmäßige Bedarfe Rücklagen zu bilden.
Bei individuellen wirtschaftlichen Notlagen besteht zusätzlich die Möglichkeit der Unter-stützung aus Spendenmitteln.

9. Die Sozialverbände fordern für Grundsicherungsbezieher/-innen die Wiederein-führung von Einmalleistungen – wird das von der Stadt Karlsruhe unterstützt?

Die Pauschalierung einmaliger Bedarfe hat das Ziel, die Selbständigkeit und Selbstverant-wortung der Leistungsbeziehenden zu stärken und eine eigenverantwortliche Verwaltung des monatlichen Budgets zu ermöglichen. Die Abkehr vom Pauschalprinzip und eine Rück-kehr zur Antragspflicht und Bedarfsprüfung bei einmaligen Beihilfen kann unter diesen Aspekten nicht unterstützt werden.

10. Welche Hilfsangebote kann die Stadt Karlsruhe älteren Bürgerinnen und Bürgern in Grundsicherung derzeit anbieten?

Die Stadt Karlsruhe bietet seit 2009 (unter anderem) für ältere Menschen bei Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII den Karlsruher Pass an. Das bisherige Leistungsangebot soll ab 1. Januar 2015 für ältere Menschen ab 60 Jahren erweitert werden. Zusätzlich sollen dann auch armutsnahe Bürgerinnen und Bürger zum Erhalt des Karlsruher Passes berechtigt sein. Zu den Einzelheiten wird auf den Beschluss des Sozial-ausschusses vom 16. Juli 2014 verwiesen.

11. Wie viele eigene Haushaltsmittel werden dafür pro Jahr (die letzten fünf Jahre) durchschnittlich aufgewendet?

Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2013 betrugen die Aufwendungen für den Karlsruher Pass jährlich 1.545.776 Euro.
Die Aufwendungen für den Karlsruher Pass beliefen sich 2013 auf 1.751.367 Euro. Auf den Personenkreis der über 60-Jährigen entfielen hiervon ca. 308.000 Euro.

12. Kann die Stadt Karlsruhe bzw. können die Kommunen auf Dauer nach Ansicht der Stadtverwaltung die v. a. von den Sozialverbänden prognostizierte massen-hafte Altersarmut so kompensieren, dass diesen Bürgerinnen und Bürgern ein Altern in Würde und angemessener materieller Versorgung gewährleistet ist?

Die Leistungen der Grundsicherung werden seit 2014 zu 100 Prozent vom Bund erstattet. Die Stadt Karlsruhe ist hier im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung tätig. Ein Anstieg der Fallzahlen hat hinsichtlich der Transferleistungen keine finanziellen Auswirkungen auf die Stadt Karlsruhe.

13. Wenn nein, was wäre nach Auffassung der Stadtverwaltung dazu erforderlich?

Die nachhaltige und ganzheitliche Bekämpfung von Altersarmut ist das Ziel der 2012 vom Gemeinderat der Stadt Karlsruhe verabschiedeten „Leitlinien gegen Altersarmut“. Die materielle Versorgung zur Existenzsicherung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfordert auch zukünftig gezielte Maßnahmen. In einem ersten Schritt zur Umsetzung der „Leitlinien gegen Altersarmut“ wurden der Kreis der Bezugsberechtigten sowie das Angebotsspektrum des Karlsruher Passes erweitert.


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