Aktion gegen Kriegsverbrecher-Denkmal am Haydnplatz

06. Mai 2015  Allgemein, Anfragen, Berichte, Position

Am Freitag den 8. Mai 2015 um 18 Uhr wird das Kriegerdenkmal im Grünstreifen Hildapromenade beim Haydnplatz in Karlsruhe verhüllt werden. Es ist ein Ehrenmal für Kriegsverbrecher, es wurde anlässlich der 3. Wiedersehensfeier ehemaliger Angehöriger der 35. Infanterie-Division am 31. Mai 1964 eingeweiht. Diese Verhüllungsaktion wird durchgeführt von DFG-VK Karlsruhe, Friedensbündnis Karlsruhe und der Initiative für ein Friedensdenkmal in Karlsruhe.

Im Folgenden einige Informationen zu den Greueln und Verbrechen der in Karlsruhe aufgestellten 35. Infanterie-Division, die Anlass für diese Aktion sind.

STELLUNGNAHME der Stadt zur Anfrage Stadträtin Sabine Zürn (Die Linke) Stadtrat Niko Fostiropoulos (Die Linke):

Beseitigung des Ehrenmals für Kriegsverbrecher (35. Infanterie-Division) an der Hildapromenade

1. Wann, von wem und zu welchem Anlass oder Zweck wurde das Gefallenendenkmal für die 35. Infanterie-Division an der Hildapromenade errichtet?

Das Denkmal wurde anlässlich der 3. Wiedersehensfeier ehemaliger Angehöriger der 35. Infanterie-Division am 31. Mai 1964 eingeweiht.

2. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass im von der Deutschen Wehrmacht (9. Armee) betriebenen Lagerkomplex Osaritschi zwischen dem 12. und dem 19. März 1944 ca. 9.000 Menschen ums Leben kamen bzw. umgebracht wurden?

3. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass die 35. Infanterie-Division an der Ermordung dieser 9.000 arbeitsunfähigen Zivilisten des Lagers südlich von Bobrujsk in Weißrussland beteiligt war?

4. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass der Lagerkomplex Osaritschi in einem Sumpfgebiet eingerichtet wurde, ohne Gebäude oder sanitäre Einrichtungen, in das von Anfang März bis 12. März 1944 schließlich 46.000 arbeitsunfähige Zivilisten getrieben wurden?

5. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass bis zum Eintreffen der Roten Armee am 19. März 1944 bereits 9.000 dieser Menschen zu Tode gekommen waren?

6. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass der Divisionskommandeur Generalleutnant Johann-Georg Richert dafür im Minsker Prozess 1946 zum Tode verurteilt wurde?

7. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass der Historiker am Münchener Institut für Zeitgeschichte, Dieter Pohl, dies als „eines der schwersten Verbrechen der Wehrmacht gegen Zivilisten überhaupt“ bezeichnet?

8. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass es – nach der Zwangsrekrutierung von arbeitsfähigen Zivilisten – Ziel dieser Aktion der Deutschen Wehrmacht war, „Seuchenkranke, Krüppel, Greise und Frauen mit mehr als zwei Kindern unter zehn Jahren und sonstige Arbeitsunfähige“ loszuwerden bzw. nicht mehr versorgen zu müssen?

9. Ist der Stadtverwaltung die folgende Auswertung der „Erfassungsaktion“ im Lager Osaritschi bekannt: “Die Erfassungsaktion hat für das gesamte Gefechtsgebiet eine wesentliche Erleichterung gebracht. Die Wohngebiete wurden erheblich aufgelockert und für Truppenunterkünfte frei. Für nutzlose Esser wird keine Verpflegung mehr verbraucht. Durch Abschieben der Seuchenkranken wurden die Infektionsherde bedeutend verringert.“?

10. Ist der Stadtverwaltung folgendes Zitat bekannt (aus: Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland 1941 bis 1944, Hamburg 2000, Seite 1088): „Nicht nur auf dem Transport, sondern auch nach erfolgter Internierung schossen die Wachmannschaf-ten der 35. Infanterie-Division, oft beim geringsten Anlass oder ganz ohne Grund, auch auf Kinder (…) sogar auf Versuche der Internierten hin, vom Sumpfwasser zu trinken“?

Die historischen Ereignisse und die Forschung dazu sind bekannt.

11. Schließt sich die Stadtverwaltung der Auffassung an, dass die Kenntnis der Kriegsverbrechen der 35. Infanterie-Division eine Konsequenz zwingend nahe-legt:
Das Gefallenendenkmal für die am 1. Oktober 1936 in Karlsruhe aufgestellte 35. Infanterie-Division innerhalb einer offiziellen, öffentlichen und aufklärenden Aktion der Stadt so rasch wie möglich zu beseitigen?

Das Denkmal ist als Kulturdenkmal eingestuft. Es ist ein steingewordener Überrest eines Umgangs mit der NS-Geschichte, der einen nicht hinterfragten Soldatenmythos pflegte, in dem die Wehrmacht als ehrbare Institution erscheint, „sauber“ gegenüber der „verbrecherischen SS“. Das Denkmal stilisiert die Einsätze der Hitlerwehrmacht im Allgemeinen und der 35. Infanterie-Division im Besonderen zum Opfergang, entsprechend einem Umgang mit der NS-Geschichte jener Zeit, die einen Angriffskrieg und die begangenen Verbrechen verschwieg. Die Entnazifizierung war nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland rasch zum Erliegen gekommen und selbst belastete Funktionseliten des Nationalsozialismus wurden weitgehend wieder integriert. Der Kalte Krieg mit der Frontstellung gegen die Sowjetunion ließ den natio-nalsozialistischen Krieg gegen diese in den Jahren 1941 – 1945 unter Ausblenden seines bar-barischen Charakters auch nachträglich noch in einem gerechtfertigten Licht erscheinen.

Das Denkmal in der Hildapromenade veranschaulicht also auch den Umgang mit der NS-Geschichte in den ersten zwei Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland.

Statt einer Entfernung des kaum mehr im öffentlichen Bewusstsein stehenden Objektes favorisiert die Stadt Karlsruhe deshalb die Aufklärung und Information über die historischen Verbrechen und zugleich über den Umgang mit der eigenen Geschichte in der frühen Bundesre-publik. Der „Sarkophag“ sollte deswegen mit einer passenden Kommentierung konterkariert werden.

Die Stadtverwaltung bereitet derzeit ein vom Stadtarchiv organisiertes Symposium in diesem Jahr im Umfeld des 1. Septembers, dem 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, vor, das sich mit der 35. Infanterie-Division, dem Umgang mit der NS-Geschichte in der Bun-desrepublik sowie den „Mahnmalen“ befasst, die in jenem Kontext entstanden sind. Dies kann Impuls werden, eine geeignete Form der Kommentierung des Denkmals zu beschließen, z. B. durch die Errichtung einer Erinnerungsstele, ähnlich der zur Bücherverbrennung auf dem Schlossplatz sowie der zur Erschießung 14 französischer und belgischer Widerstandskämpfer 1944 in der Waldstadt.
Anfragen an namhafte Referentinnen und Referenten sind gestellt.

26.03.2014 Gremium: 61. Plenarsitzung Gemeinderat

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Wer sich noch weiter informieren möchte:

http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Osaritschi

http://de.wikipedia.org/wiki/35._Infanterie-Division

 


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