Freiräume für kreative Initiativen und Szenen in Karlsruhe

21. November 2016  Allgemein, Anfragen

Anlässlich der Raumprobleme des Bandprojekts Karlsruhe haben wir die Stadt grundsätzlich nach Reserven an Freiräumen für kreative Initiativen gefragt. Die Antwort der Stadt ist sehr erfreulich ausführlich, die dargestellten Spielräume bleiben übersichtlich.
 

I. Im Kulturkonzept 2025 der Stadt Karlsruhe wird die Förderung kreativer Räume und Szenen als besondere Aufgabe formuliert. Unter anderem wird dabei folgende Maßnahme aufgeführt: „Sofern sich Grundstücke beziehungsweise Gebäude für spezielle kulturelle Nutzungen eignen, sollte die Stadt Karlsruhe auch den Kauf von Immobilien beziehungsweise den Nichtverkauf entsprechend geeigneter städtischer Grundstücke und Gebäude in Erwägung ziehen.“

 

1. Wurden diesbezüglich schon Schritte unternommen? Welche Gebäude hat dies betroffen?

 
Zahlreiche Gebäude auf dem Kreativpark Alter Schlachthof sind zu nennen:
 
Gegenwärtig beraten die Fachausschüsse und der Gemeinderat über die Realisierung des Wachstums- und Festigungszentrums. Entstehen sollen Räumlichkeiten, die für junge wachstumsorien-tierte Unternehmen mit größerem Platzbedarf ebenso interessant sind wie für Firmen, die aus dem Existenzgründerzentrum Perfekt Futur herauswachsen. Für das Gebäude 01 (ehemaliges Kesselhaus und Schweineschlachthaus) werden derzeit Überlegungen zum Umbau zu einem „Haus der Produk-tionen“ für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaftsteilbranche „Darstellende Künste“ initiiert. (Siehe Kulturausschuss vom 4.12.2015, TOP 1).
 
Die ehemalige Großmarkthalle wird derzeit zu einem Ateliergebäude mit Werkstattnutzungen für das Kunsthandwerk umgebaut. Das 2013 eröffnete Existenzgründerzentrum Perfekt Futur ist zentraler Baustein für die Entwicklung des Kreativstand-orts Karlsruhe, mit der Zielsetzung der Schaffung zukunftsorientierter Arbeitsplätze und der Zusam-menführung des Technologie- und Kreativsektors.
 
Seit 2014 stehen im Atelierhaus (ehemaliger Zerle-gebetrieb) Atelierflächen für freiberufliche Künstlerinnen und Künstler bzw. Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker zur Verfügung. Die Fleischmarkthalle bietet seit 2007 temporären Bespielungsraum für öffentliche kulturelle und künstlerische Veranstaltungen. Auch die beiden Pförtner-häuschen dienen momentan als temporäre Ausstellungsflächen für Kunst und das Kunsthandwerk.
 
Das neu gebaute Büro-Gebäude wurde von der Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs- KG (KFE) erworben, um auch mit den Neubauten eine beständige Ausrichtung des Areals für die Kul-tur- und Kreativwirtschaft zu gewährleisten.
 
Kulturamt, Wirtschaftsförderung und Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft (HGW) und andere Dienststellen haben sich um Ausweichflächen für die Künstlerinnen und Künstler hinterm Hauptbahnhof bemüht. Es ging um Arbeits- und Lagerflächen zu günstigen Mietpreisen. Im Blick waren städtische Objekte (Ämter und Gesellschaften), aber auch Flächen von privater, kirchlicher oder gewerblicher Seite. Grundlage waren neben den eigenen Objekten unter anderem die Objektdaten-bank der Wirtschaftsförderung und der Atelierbestand des Kulturamtes. In diesem Zusammenhang vermietete HGW die ehemaligen Sozialräume des Tiefbauamtes in der Augustastraße an Künstler hinterm Hauptbahnhof als Lager- und Atelierräume.

 

Das Kulturamt/Kulturbüro vermittelte Anfang 2016 Teilflächen des im Bundeseigentum stehenden Dammerstockbunkers als Lagerflächen für Hauptbahnhof-Künstler. Ebenso sorgte es für Kontakt zwischen Künstlerinnen und Künstlern und den neuen Eigentümern der Hinteren Kaiserpassage zur Nutzung des dortigen Leerstandes. Damit die seit mehr als 10 Jahren dort angesiedelte Tanzetage ihre Räume auch weiterhin finanziell halten kann, trat auf Vermittlung des Kulturbüros die Volkshochschule in eine Mitnutzung und damit Mitfinanzierung der Seminarräume ein.
 
Die Fächer GmbH hat dem Verein „die Anstoß“ einen leer stehenden Gewerberaum in der Fritz-Erler-Straße zur kulturellen Projektarbeit überlassen. Das Kulturamt ist im Gespräch mit der Evangeli-schen Kirche wegen der kulturellen Nutzung von Gemeindehausflächen, unter anderem als zukünftigem Probenort des Jugendorchesters Stadt Karlsruhe. Die Stadt hat die bis Ende 2014 vom Luftwaffenmusikcorps genutzte ehemalige Dragonerkaserne an der Kaiserallee als neues Domizil des Badischen KONServatoriums erworben.Nach der notwendigen Sanierung werden dort die Nutzungen des KONS an einem Standort zusammengefasst.

 

Die Ortsverwaltung Grötzingen hat eine studentische Untersuchung zur kulturellen und künstlerischen Nutzung des Areals „Farrenstall“ in Auftrag gegeben. Die Entwürfe wurden Ende September vorgestellt. Die weiteren Entscheidungen hierzu bleiben abzuwarten.
 
2. Welche weiteren konkreten Schritte unternimmt die Stadtverwaltung derzeit zur Schaf-fung von Räumen für freie und unabhängige Kultur?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung dazu auf dem Gelände „Rund ums Heiz-kraftwerk“ hinterm Hauptbahnhof?
 
In einer Ideenwerkstatt machten sich im Juli 2016 mehr als 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Immobilienwirtschaft, Kunst, Kultur, Politik, Verwaltung und Bürgerschaft Gedanken zur zukünftigen Nutzung des Areals der ehemaligen Ateliers hinterm Hauptbahnhof. Gefragt waren Ideen zur zukünftigen Nutzung, zur städtebaulichen Situation und zur möglichen Betreiberschaft. Deutlich wurde, dass das ehemalige Kesselhaus das Herzstück des Areals bildet.

 

Sowohl wirtschaftliche, gastronomische als auch kreative oder veranstaltungsgeprägte Nutzungen wurden angeregt. Grundsätzlich geht die Verwaltung in Übereinstimmung mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 28. Juli 2015 von einer schwerpunktmäßig künstlerisch-kulturellen Nutzung aus. Dabei ist die wirtschaftliche Vertretbarkeit zu berücksichtigen; gewerbliche und gastronomische Zwecke sind ebenfalls möglich.Weitere Entscheidungen des Gemeinderates hierzu bleiben abzuwarten.
II. In vielen Gewerbe- und Industriegebieten ist eine kulturelle Nutzung im Bebauungsplan ausgeschlossen.
 
4. In welchen Gewerbe- und Industriegebieten im Stadtgebiet Karlsruhe ist eine kulturelle Nutzung gemäß der Ausnahmeregelungen §§ 8,9 (3) 2 BauNVO BW erlaubt?

 

Seit 1985, dem Jahr des Inkrafttretens des Bebauungsplanes 614, der Nutzungsarten für das gesamte Stadtgebiet festsetzt und in Gewerbe- und Industriegebieten Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke ausschließt, wurden ca. 230 Bebauungspläne beschlossen.

 

Ein erheblicher An-teil davon enthält auch Gewerbegebiete. In welchen dieser Pläne Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke zulässig sind, ist mit vertretbarem Aufwand nicht festzustellen, zumal auch in Wohngebieten, Mischgebieten, Kerngebieten und Sondergebieten diese Anlagen zulässig oder ausgeschlossen sein können. Im Bebauungsplan Hauptbahnhof Süd (Kerngebiet) sind sie zulässig.
 
5. Welche Gründe führten zum Ausschluss der Ausnahmenutzung für kulturel-le/soziale/kirchliche Zwecke aus dem Bebauungsplan von 1985?

 

Die Verwaltung geht davon aus, dass mit „dem Bebauungsplan von 1985“ der Bebauungsplan Nr. 614 – Nutzungsartfestsetzung (ehemals Bauordnung der Stadt Karlsruhe) gemeint ist. Dort ist die in der Baunutzungsverordnung vorgesehene ausnahmsweise Genehmigungsmöglichkeit für Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke in Gewerbe- und Industriegebieten ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Festsetzung ist Folge der Zielsetzung des Bebauungsplanes. Er soll die städtebauliche Ordnung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens aufrechterhalten, so wie sie zuvor durch die damals durch Zeitablauf außer Kraft getretene Bauordnung vom 11.02.1958 geprägt worden war.
 
Es ist zu vermuten, dass seinerzeit der Ausschluss dieser Nutzungen Konflikte mit der Gewerbe- und Industrienutzung vermeiden sollte. Die Gewerbe- und Industriegebiete sollten möglichst ausschließlich der vorgesehenen Hauptnutzungen dienen. Störungen aus der gewerblichen und industriellen Nutzung gegenüber anderen, ebenfalls zulässigen Nutzungen (Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke) und umgekehrt sollten ausgeschlossen sein.

 

6. Was spricht aus heutiger Sicht gegen eine Zulassung der Nutzung für soziale/kulturelle/kirchliche Zwecke in diesen Gebieten?
 
Im Grundsatz bestehen heute wie damals Konfliktpotentiale zwischen den angesprochenen Nutzungen. Es ist im Einzelfall bei der Erarbeitung des jeweiligen Bebauungsplanes anhand der konkreten städtebaulichen Lage und Zielsetzung zu entscheiden, welche Nutzungsarten in einem bestimmten Gebiet kombinierbar sein sollen.
 
III. Das Fraunhofer-Institut hob in seiner Studie „Potenzialanalyse Kreativpark Karlsruhe“ (2010) die Rolle von Selbstorganisation für die Kreativwirtschaft hervor: „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Netzwerke in der Kreativwirtschaft zu einem hohen Grad selbstorganisiert agieren und die Unterstützung sich auf die Bereitstellung von Freiräumen für die Selbstorganisation konzentrieren sollte.“ (S. 17)
 
7. Wird diese Empfehlung umgesetzt, wenn ja wie?
 
2012 wurde von Wirtschaftsförderung und Kulturbüro des Kulturamts das K3 Kultur- und Kreativwirtschaftsbüro ins Leben gerufen. Die dauerhafte Installation eines „Kümmeres“ war ebenfalls eine zentrale Forderung der Fraunhofer-Studie zum Kreativpark. Ein zentrales Ziel des K3-Büros ist die Förderung und Entwicklung der professionellen Kultur- und Kreativwirtschaftsszene in Karlsruhe. Die Stärkung und Einbindung vorhandener selbstorganisierter und der Aufbau von neuen, insbesondere branchenübergreifenden Netzwerken ist dabei eine wichtige Aufgabe.

 

Zusammen mit der KFE betreut das K3-Büro das Existenzgründerzentrum Perfekt Futur. Es bietet unter anderem Netzwerkveranstaltungen, Workshops und Seminare rund um das Thema Existenzgründung sowie kostenlose persönliche Beratungsgespräche für Karlsruher Kreativunternehmen an.

 

Zum Selbstverständnis des K3-Büros gehört die Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken und Initiativen wie ausgeschlachtet e.V., Filmboard Karlsruhe e.V., MEKA e.V., FabLab e.V. oder das Architekturschaufenster e.V., darüber hinaus sind im landes- und bundesweiten Kontext die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, das Netzwerk Kreativwirtschaft Baden-Württemberg und das Kompetenzzentrum des Bundes für Kreativwirtschaft wichtige Partner. Ein wichtiges Anliegen des K3-Büros ist die Unterstützung von selbst or-ganisierten Plattformen und Projekten aus der Kreativszene oder den Hochschulen

 

8. Auf welchen Gebieten im Stadtgebiet Karlsruhe wird diese Empfehlung umgesetzt
 
(z.B.: Alter Schlachthof)?
 
Der Kreativpark Alter Schlachthof ist ein herausragendes Kreativquartier in Karlsruhe, auf dem mittlerweile über 100 Kreativschaffende, Unternehmen, Initiativen und Kultureinrichtungen verortet sind. Die kommunalen Akteure, Karlsruher Fächer GmbH, K3-Büro, Kulturamt und Wirtschaftsförderung sind dabei stets bemüht, auch Netzwerkeinrichtungen bei der Vergabe von Räumlichkeiten zu berücksichtigen.

 

Auch der Nachfrage nach Flächen für Veranstaltungen und zeitlich befristete Nutzungen wird – im Rahmen eines wirtschaftlich tragfähigen Gesamtkonzepts – Rechnung getragen. So stehen die Flächen im Kreativgründerzentrum Perfekt Futur (Workshop-Container, Veranstaltungsbereich, Café Alina) für temporäre Nutzungen auch für Nichtnutzerinnen und –nutzer des Areals in einem begrenzten Maße zur Verfügung.

 

Darüber hinaus soll die alte Fleischmarkthalle ertüchtigt werden und als wichtiger Aktionsraum zur Verfügung stehen. Im geplanten Wachstums- und Festigungszentrum sind Räume für Meetings, Seminare, Workshops, aber auch ein Co-Working-Bereich vorgesehen, die auch von Externen und Netzwerkeinrichtungen genutzt werden können.
Der Aspekt der „Frei- und Kreativräume“ für die Kultur- und Kreativwirtschaftsszene wird auch bei der weiteren Untersuchung des Geländes „Rund um das Heizkraftwerk“ hinter dem Hauptbahnhof berücksichtigt werden (vergleiche Frage 3).

 

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister

 

25.10.16

 


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