„Wir brauchen eine offensive im Bereich des bezahlbaren und sozialen Wohnraums“ – Mathilde Göttel zum Sachstandsbericht „Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe“

25. November 2019  Allgemein, Position, Rede

Rede von Mathilde Göttel, Fraktion DIE LINKE, am 19.11.2019 im Karlsruher Gemeinderat zum Thema:

Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe ´97 – Elfter Sachstandsbericht

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Wohnung zu sein, bedeutet den Zugang zu den elementarsten Bedürfnissen verwehrt zu bekommen. Zu allen Lebensbereichen wie Arbeit, Bildung, gesunder Ernährung und Hygiene. Ein Leben am Rande der Gesellschaft. Ein Leben Ohne Sicherheiten, Schutz. Insofern ist es mehr als zynisch, dass die Polizeigesetzgebung eine Beseitigung auf Grund der Störung der öffentlichen Sicherheit verlangt.

Keine Wohnung zu haben, bedeutet vielfach auch ein Leben ohne angemessene Gesundheits-versorgung in einer überaus gesundheitsgefährdenden Umgebung. Eine angemessene Wohnung ist ein Menschenrecht, das heißt jeder Fall, in dem ein Mensch ohne Zuhause da steht, ist ein Versagen von uns als Gesellschaft. Und dieses Versagen führt uns der aktuelle Sachstandsbericht deutlich vor Augen.

1401 Personen mussten im letzten Jahr betreut werden – gegenüber 740 im Jahr 2008. Das bedeutet nahezu eine Verdoppelung. Seit Jahren stagnieren die Zahlen auf viel zu hohem Niveau – wobei jeder einzelne Fall einer zu viel ist. Gleichzeitig bleiben Formen der Wohnungslosigkeit unsichtbar: wenn etwa Menschen ohne Wohnung bei Verwandten oder Freunden unterkommen

Der Bericht spricht auch von der wertvollen Arbeit der Träger, die Menschen in dieser schwierigen Situation unterstützen, Wohnungslosigkeit versuchen durch präventive Arbeit zu verhindern sowie Menschen in Wohnungslosigkeit die Rückkehr in ein Mietverhältnis ermöglichen. Gerade im Wiedererlangen einer Wohnung besteht der zentrale Punkt, aus dem Kreis auszubrechen und zurück in ein selbstbestimmtes Leben und sozialer Teilhabe zu finden. Aber Fachstellen können nur Ansetzen, wenn es bereits (fast) zu spät ist – wenn also der Verlust der angestammten Wohnung bevorsteht.

Der Kern des Problems, und das zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht, ist der Mangel an preisgünstigem Wohnraum. Jahrelang hat die Stadt im Sozialen Wohnungsbau geschlafen. Das Ergebnis ist, dass einer viel zu geringen Anzahl an geförderten Wohnungen, eine zu große Anzahl Bürger*innen mit Wohnberechtigungschein gegenüber steht. Der angespannte Markt und der drastisch gesunkene Bestand an Sozialwohnungen bedeutet für einkommensschwache Haushalte und insbesondere obdachlose Menschen eine Konkurrenz untereinander und erhöht damit die Gefahr obdachlos zu werden beziehungsweise zementiert diese. Gerade bei Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet „HartzIV“ schnell, dass die Finanzierung der bisherigen Wohnung ein echtes Problem wird, aber eine günstigere Wohnung ist wiederum nur schwer zu finden. Gleichzeitig wird auch die Arbeit der Träger erschwert: Wo viel zu viele Menschen mit Wohnbezugschein um viel zu wenige Wohnungen konkurrieren, haben Wohnungslose einen besonders schweren Stand.

Was wir brauchen, ist eine Offensive im bezahlbaren Wohnraum und vor allem im Bereich des sozialen Wohnraums eine Entstigmatisierung von Obdachlosigkeit und eine bedingungslose Grundsicherung unabhängig von Krankheitseinsicht und mitwirkungsplicht-konformem Verhalten.“


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