Personalmangel bei der AVG – „Politisches und gesamtgesellschaftliches Problem“

23. Januar 2018  Allgemein, Anfragen, Presseecho

Das Zitat oben aus der Antwort der Stadtverwaltung auf unsere Anfrage trifft den Nagel eher unbeabsichtigt auf den Kopf: Die Arbeitenden werden von der Wirtschaft zu immer mehr Mobilität gezwungen. Die neoliberal ausgezehrte öffentliche Hand gerät in Schwierigkeiten, die entsprechend notwendige Optimierung des ÖPNV zu stemmen und arbeitsgerechte Löhne zu zahlen. Dazu kommen offensichtlich gravierende Planungsfehler, die bei einer unserer vorherigen Anfragen seitens der AVG noch bestritten wurden (d.e.):

Wie erklärt die AVG die massiven Zugausfälle in der ersten Dezemberhälfte 2017 –
(der KVV meldete „Personalbedingte Fahrtausfälle“)?

Die personalbedingten Zugausfälle im Dezember 2017 sind in erster Linie auf kurzfristige, krankheitsbedingte Personalausfälle zurückzuführen. Aufgrund der Kurzfristigkeit und der Tat-sache, dass es aufgrund des in der Tat noch bestehenden personellen Unterbestands und des dringend notwendigen Abbaus angehäufter Überzeiten und Urlaubstage nicht immer möglich ist alle Reservedienste, die eigentlich im Falle von kurzfristigen Krankheiten Fahrtausfälle verhin-dern sollen, zu besetzen, ist es in diesen Fällen leider zu Fahrtausfällen gekommen.

Wenn nicht am Fahrpersonal gespart wurde:
a) Wie kam es dann zu dem Fehlbestand von 60 Fahrern Mitte 2015?
b) Warum gelingt es dann der AVG bis heute nicht, einen durchgängig verlässlichen Zugverkehr zu gewährleisten?

Der Fehlbestand zum damaligen Zeitpunkt (vor 2014/2015) war Ergebnis einer unter falschen Annahmen erfolgten Personalbedarfsrechnung sowie der damals nicht im erforderlichen Um-fang durchgeführten Nachsteuerung.

Wie hat sich die Zahl des Fahrpersonals bei der AVG von 2015 bis heute entwickelt? Wie sieht die Planung für die nächsten beiden Jahre aus?
Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung des Personalbedarfs- und –bestandes:

 

Dez 2015   Juni 2016  Dez 2016   Juni 2017  Dez 2017

 

Soll in P                       379             377,5       377,5           375,9        375,9

Fehlbestand in P          -75             -53,8        -38,8            -27,3         -35,9

 

Der Anstieg des Fehlbestandes zum Dezember 2017 hat zwei Gründe; zum einen die wichtige Nachbesetzung von Stellen in der Leitstelle, die ein wichtiger Weiterentwicklungsschritt für
Mitarbeiter aus dem Fahrdienst sind und die bewusste Übernahme von Leistungen des AVG-Subunternehmens DB Regio AG im Raum Heilbronn, da die DB hier noch weitaus größere Personalprobleme hat als die AVG.

Wie beurteilt die Stadt die Kritik des südpfälzischen MdB Dr. Thomas Gebhart im
Dezember 2017 am unzuverlässigen Bahnverkehr der AVG zwischen Germersheim, Wörth und Karlsruhe?

Wie im Gesamtnetz so ist auch die Verbindung Karlsruhe – Wörth – GER von einzelnen Zugausfällen betroffen.

In der Bilanz des Jahres 2017 (Januar – November, der Dezember befindet sich noch in der Auswertung) wurden auf den Linien S 51 und S 52 (Germersheim – Karlsruhe) 98,4 % aller Zug-km-Leistungen erbracht.

Im Anteil der ausgefallenen Zug-km sind bereits alle Ursachen enthalten (also auch Wetter-, Fahrzeug- sowie infrastrukturbedingte Ausfälle, zu nennen bspw. die Folgen der Güterzug-entgleisung im Bahnhof Wörth im Mai 2017).

Der erreichte Wert entspricht noch nicht unserem Zielwert von 99 % und soll selbstverständlich verbessert werden.

Wie beurteilt die Stadt die Kritik des Pfinztaler Kreisrats Frank Hörter im Oktober 2017, die Zahl der Fahrtausfälle bei der AVG seien nicht hinnehmbar, andernfalls müsse man über eine mögliche Kürzung der Zuschüsse nachdenken?

Bei der S 5 (Wörth – Pfinztal – Bietigheim-Bissingen) liegt der Wert (Januar – November 2017) bei 98,58 %.

Zur Kürzung der Zuschüsse ist zu ergänzen, dass hierzu Regelungen in den Verkehrsverträgen mit den SPNV-Aufgabenträgern enthalten sind. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen AVG erhält für nicht erbrachte Leistungen keine Zuschüsse. Zusätzlich sowie im Falle von Verspätungen werden Pönale fällig.

Welche Mittel und Maßnahmen sind nach Auffassung der Stadt Karlsruhe erforderlich, um die Zuverlässigkeit des Karlsruher ÖPNV, die einmal ein Markenzeichen war, wieder herzustellen?

Die AVG hat folgende Personalmarketingmaßnahmen massiv ausgebaut und weiterentwickelt. In den Bahnen und an den Stationen plakatiert sie seit Längerem und wirbt für die angebotenen Ausbildungs- und Arbeitsplätze; online wirbt sie mit eigenem Webauftritt und Werbevideo. Seit einigen Wochen hat die AVG ein „Infomobil“ hergerichtet, mit dem sie auf sämtlichen Ausbildungs-, Job- und Verbrauchermessen der Region und darüber hinaus präsent ist; außerdem überall dort, wo bei größeren Unternehmen Stellen abgebaut werden.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen wurde und wird bei der AVG erarbeitet und ergriffen, um mit dem personellen Unterbestand umzugehen. Zum einen sind derzeit die von ihren Mit-arbeitern abzuleistenden Fahrschichten derart verlängert, dass sich die zur Erbringung der Fahr-planleistungen benötigte Menge an Mitarbeitern reduziert. Die Leistungsmenge wird also auf weniger Köpfe verteilt als eigentlich vorgesehen: die Mitarbeiter bauen Überzeiten auf. Zur Abgeltung greift ein entsprechendes Prämiensystem.

 

Des Weiteren will die AVG die Dienstplanung und -einteilung sowie die Personaldisposition effizienter machen. Im Planungsbereich nimmt sie hierfür derzeit ein neues Softwaresystem des bekannten und erfolgreichen Anbieters IVU aus Berlin in Betrieb, für welches sie eine nicht unerhebliche finanzielle Summe in die Hand nimmt. Dieses soll ihr dabei helfen, die Dienstpläne zu optimieren; gleichzeitig nimmt sie ein komplett neues Konzept der Diensteinteilung in Betrieb. Hierfür hat sie bei der Personaldisposition auch neue Stellen geschaffen und die Disziplin damit aufgewertet.

Des Weiteren wurden zum Ende des Jahres 2017 alle Mitarbeiter im Fahrdienst mit Tablet-PC‘s ausgestattet. Auf diese Weise will sie den Arbeitsplatz attraktiver gestalten und gleichzeitig die Meldewege sowie die Disposition beschleunigen und effizienter gestalten.

Wir haben es auch und insbesondere mit einem politischen und gesamtgesellschaftlichen
Problem zu tun.

Wie stellen wir die Versorgung aller wichtigen Branchen mit der benötigten Menge an Fachpersonal sicher? Wie können wir wieder für das Berufsbild des Lokführers, aber auch des Leitstellendisponenten oder des Zugbegleiters werben? Wie stellen wir funktionierende Personalübergänge bei Betreiberwechseln sicher – insbesondere in Zeiten eines grundsätzlichen und bei allen Betreibern bestehenden Unterbestands? Aktuell werden wir mit Prämienzahlungen anderer Gesellschaften konfrontiert, die auf diese Weise aktiv und aggressiv Personal abwerben.

Dies ist auch der Grund, weshalb wir mit der Bitte um eine übergeordnete und politische Unter-stützung auf die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) sowie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur in Stuttgart zugegangen sind. Es ist zu wenig, wenn jeder Betreiber für sich Konzepte erarbeitet und Personalmarketing betreibt.

 

Verkehrsminister Hermann in Stuttgart hat nun für 2018 eine groß angelegte Personalkampagne für den SPNV-Bereich angekündigt. Wir erhoffen uns hiervon Rückenwind an der „Personalfront“ und den Eingriff einer ordnenden Hand vonseiten des SPNV-Aufgabenträgers gerade im Hinblick auf die Unruhe, die mit den Betreiberwechseln entstanden ist – und zwar nicht nur bei Alt- und Neubetreiber, sondern bei allen Gesellschaften im Land und darüber hinaus.

Welche Möglichkeit einer Entschädigung bietet die AVG bzw. der KVV für Nutzer/
Nutzerinnen an, die durch Zugausfälle Nachteile hinzunehmen haben?

Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe „Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr“ und der KVV-Regelungen werden AVG-seits Entschädigungszahlungen geleistet. Der KVV und weitere Verbünde bieten die freiwillige Mobilitätsgarantie.

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister, 23.01.2018

 

PRESSE-ECHO

 

Stadtzeitung 09.02.18

Zugausfälle bei der AVG
Die massiven Zugausfälle in der ersten Dezemberhälfte 2017 beruhen auf kurzfristigen Krankheitsausfällen teilte das Bürgermeisteramt der Linken mit. Reservedienste wurden zum Abbau von Überstunden und Urlaubstagen eingesetzt. Wegen falscher Personalbedarfsrechnung sowie nicht ausreichender Nachsteuerung fehlten vor 2014/15 rund 60 Fahrer. Gebraucht hätte man im Dezember 2017 exakt 375,9 Stellen, es fehlten 35,9. Zum einen wegen Nachbesetzung von Stellen in der Leitstelle und der Übernahme von Leistungen des AVG-Subunternehmers DB Regio AG im Raum Heilbronn, der noch größere Personalprobleme hat. Zwischen Germersheim, Wörth und Karlsruhe gab es 2017 einzelne Zugausfälle (Wetter, aber auch Folgen der Güterzugentgleisung im Mai) bei 98,4 Prozent erbrachter Leistungen, was verbessert werden soll. Für nicht erbrachte Leistungen gibt es keine Zuschüsse, Fahrgäste erhalten Entschädigungen. Die AVG wirbt mit allen denkbaren Mitteln um Personal, Dienstplanung und Disposition werden optimiert. Bei Betreiberwechseln müssen funktionierende Personalübergänge gesichert werden, wofür das Land um Unterstützung gebeten wurde.

 

 

Ka news 25.01.2018

Probleme auf der Schiene: Bekommt AVG ihren Personalmangel in den Griff?

„Personalbedingt kommt es zu Zugausfällen.“ Dieser Satz zeigte den Pendlern immer wieder an, dass das Ziel möglicherweise wieder etwas später erreicht wird. Da dies nun schon über einen längeren Zeitraum immer wieder vorkommt, hat der Ruf der Zuverlässigkeit der AVG gelitten.

Alles Anlässe, warum sich nun auch die Karlsruher Lokalpolitiker mit dem Thema auseinander setzen wollen und eine Anfrage im Gemeinderat an die Stadtverwaltung formuliert haben. Konkret wollen die Linken und die Kult wissen, wann sich die Situation wieder bessert und wie verhindert wird, dass sich diese Personalprobleme wiederholen.

Imagerettung für das einstige Aushängeschild im ÖPNV?

Warum überhaupt der massive Mangel im Bestand? „Der Fehlbestand zum damaligen Zeitpunkt, vor 2014/15, war Ergebnis einer unter falschen Annahme erfolgten Personalbedarfsrechnung sowie der damals nicht im erforderlichen Umfang durchgeführten Nachsteuerung.“

Und dann, wenn sich die Fahrtausfälle nur noch auf das Wetter- und die Technik beschränken, könnte das getrübte Imageproblem, das sowohl die Kult, als auch die Linken sehen, wieder aufpoliert werden. Denn „für die Passagiere ist die Zuverlässigkeit des regionalen ÖPNV ein hohes Gut“, so die Linke-Fraktion. Nur mit dieser könne das ehemalige Karlsruher Aushängeschild, der KVV, wieder glänzen.

 

ganzer Artikel unter:

https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/Karlsruhe~/Probleme-auf-der-Schiene-Bekommt-AVG-ihren-Personalmangel-in-den-Griff;art6066,2177587


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