Mietpreisbremse: Keine Informationen über zählbare Effekte

27. Juni 2019  Allgemein, Anfragen, Berichte

Dass Mietpreisbremsen nix bringen und die herrschende Politik damit nur ihr faktisches Nichtstun in Bezug auf einen sozialen Wohnungsmarkt kaschiert hat, ist mittlerweile bekannt. Bestätigt wird es noch einmal durch die Stadtverwaltung in den Antwort auf unsere Anfrage „Mietpreisbremse und Wohnungsleerstände in Karlsruhe“:

  1. Ist die im September 2015 erlassene Landesverordnung, die sog. Mietpreisbremse, derzeit noch für die Stadt Karlsruhe gültig oder nicht? 

Das Landgericht Stuttgart hat im Rahmen eines Zivilprozesses die Auffassung vertreten, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung aus formellen Gründen unwirksam ist. Das rechtskräftige Urteil bindet grundsätzlich nur die Parteien des Rechtstreits (vgl. § 325 ZPO) und wirkt daher grundsätzlich nicht gegenüber Dritten. Folglich hat die Mietpreisbegren-zungsverordnung Baden-Württemberg in Karlsruhe weiterhin Gültigkeit. Inwieweit sich die hiesige Rechtsprechung dem Urteil des Landgerichts Stuttgart anschließt, ist offen.

2. Welche zählbaren Effekte hat die Mietpreisbremse bis Ende 2018 in Karlsruhe gehabt?

Der Stadtverwaltung liegen hierzu keine Informationen vor.

3. Stimmt die Stadt der Aussage zu, dass mit der Mietpreisbremse kein neuer Wohnraum geschaffen wird?

Es war nie Ziel des Gesetzgebers, mit der Mietpreisbremse neuen Wohnraum zu schaffen.

4. Wie hoch ist derzeit die Anzahl leerstehender Wohnungen in Karlsruhe (absolut und in Prozent)?

Die Zahl der leerstehenden Wohnungen wird in keiner laufenden Statistik erhoben. Daher liegen hierzu keine aktuellen Angaben vor. Lediglich bei der Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2011 wurden zum Zeitpunkt der Erhebung leerstehende Wohnungen statistisch erfasst.

Zum Stichtag 9. Mai 2011 waren insgesamt 3.542 Wohnungen in Karlsruhe als leerstehend eingestuft. Bezogen auf den damaligen Gesamtwohnungsbe-stand (152.221 Wohnungen in Karlsruhe am 9. Mai 2011) entsprach dies einer Leerstandsquote von 2,3 %.

Neben Freiburg hatte Karlsruhe von allen baden-württembergischen Großstädten die niedrigste Leerstandsquote und lag noch unter der für einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt allgemein üblichen Fluktuationsreserve von 3 %. Diese Leerstandsquote dürfte noch als überhöht einzustufen sein, da auch Wohnungen als leerstehend erfasst wurden, die zum Beispiel aufgrund eines Mieterwechsels zum Erhebungszeitpunkt kurzfristig leer standen. Auch wurde nicht erhoben, wie lange eine Wohnung bereits leer stand.

Die Firma CBRE-empirica weist in ihrem Wohnungsmarktreport 2016 für Karlsruhe einen marktaktiven Leerstand im Geschosswohnungsbau von unter 1 % aus, bundesweit lag dieser bei 3 %.

5. Welcher mittelfristige Trend besteht im Hinblick auf den Leerstand von Wohnungen in Karlsruhe?

Die Leerstandsquote ist in Karlsruhe über Jahre hinweg leicht gesunken. Bereits 2011 lag der CBRE-empirica-Leerstandsindex bei unter 2 %, zuletzt 2016 bei unter 1 %. Aktuellere Daten liegen der Verwaltung nicht vor.

6. Wie lange wird es laut Auffassung der Stadt dauern, bis der Wohnungsmangel im Gebiet der Stadt Karlsruhe behoben sein wird?

Das Forschungs- und Beratungsinstitut empirica ag geht in einer Wohnungsbedarfsprognose für Karlsruhe aus dem Jahr 2018 davon aus, dass in Karlsruhe bis zum Jahr 2025 jährlich über 1.000 zusätzliche neue Wohnungen gebaut werden müssten, um die weiterhin hohe Nachfrage zu befriedigen. Erst ab 2026 sinkt der Prognose zufolge der jährliche Woh-nungsneubaubedarf in der Fächerstadt auf 600 bis 650 Wohnungen pro Jahr.

Ein Blick auf die Baufertigstellungen in Karlsruhe seit 2006 zeigt, dass trotz der großen Konversionsgebiete in der Südstadt, in Neureut und in Knielingen die Zahl der neu gebauten Wohnungen mit rund 700 Wohnungen pro Jahr deutlich unter den prognostizierten Bedarfen lag.
Daher ist mittelfristig bis zum Jahr 2025 nicht mit einer Entspannung auf dem Karlsruher Wohnungsmarkt zu rechnen. Erst wenn ab 2026 der Nachfragedruck nach neuen Wohnungen sinken wird, könnte sich in Karlsruhe die Anspannung abmildern.

7. Inwieweit rechnet die Stadt Karlsruhe in den nächsten Jahren mit einer Abwanderung von Einwohner/innen ins Umland, um steigenden Mieten zu entgehen?

Über Abwanderung aus Karlsruhe in Umlandgemeinden auf Grund zu hoher Mieten in der Fächerstadt liegen keine qualitativen Erkenntnisse vor. Aus einer Umfrage aus dem Jahr 2017 unter kürzlich umgezogenen Haushalten in der Region Mittlerer Oberrhein geht her-vor, dass neben dem Wunsch nach Wohneigentum vor allen veränderte Lebensumstände (Familienzuwachs, Auszug aus dem Elternhaus, berufliche Veränderung) ausschlaggebende Gründe für einen Wohnungswechsel sind.

Auch die Auswertung der Wanderungsstatistik zwischen Karlsruhe und dem Umland lässt nicht den Schluss zu, dass steigende Mietpreise in Karlsruhe Bevölkerung in größerem Um-fang zum Wegzug aus Karlsruhe in die Umlandgemeinden bewegen würde. Denn während in Karlsruhe zwischen 2012 und 2017 die Neuvertragsmieten für gebrauchte Immobilien im Mittel um +17,2 % anstiegen, war im selben Zeitraum kein signifikanter Anstieg der Wegzüge aus Karlsruhe ins Umland festzustellen.

Gegenüber 2012 (4.014 Wegzüge ins Umland) und 2017 (4.227 Wegzüge) erhöhte sich die Zahl der jährlich ins Umland abwandernden Personen um +5,3 % (ohne Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge).

Im Jahr 2018 lag die Zahl der aus Karlsruhe ins Umland Wegziehenden bei 4.204 Personen (ohne LEA). Hinsichtlich der Altersstruktur handelte es sich dabei – wie in den Vorjahren auch – vorwiegend um Familien mit Kindern.

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister, 25.06.2019



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