Hartz-IV – Stadt untersucht „bekannt gewordene prekäre Mietobjekte“

30. Mai 2018  Allgemein, Anfragen, Berichte

Seit Jahren  kursieren Informationen über Vermieter, die heruntergekommenen Wohnraum für Hartz-IV-Beziehende anbieten. Eine sichere Sache – die Miete wird vom Jobcenter überwiesen. -Auf unsere Anfrage teilt die Stadt nun mit, sie prüfe „bekannt gewordene Mietobjekte auf ihre Bewohnbarkeit“. Noch unbekannte Fälle aufzuspüren ist offenbar weiterhin kein Thema. (d.e.)

STELLUNGNAHME zur Anfrage

Wohnraum von Hartz IV-Beziehenden – Qualität und Qualitätskontrolle

Vorbemerkung:

Ein Mietvertrag stellt eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien, dem Vermieter und dem Mieter dar. Grundlage sind die Regelungen des § 535 ff. BGB. Das Jobcenter ist kein Vertragspartner und steigt auch nicht als Leistungsgewährer in das Vertragsverhältnis ein. Es herrscht im Rahmen des Rechtsverhältnisses Vertragsfreiheit zwischen den Mietparteien. Dies wird auch nicht durch die Sollobliegenheit der vorherigen Zustimmung des Jobcenters berührt. Das Jobcenter kann somit nicht in die Vertragsfreiheit eingreifen, was bei der Festlegung von Qualitätsmindeststandards der Fall wäre. Lediglich in einem Fall der Nichtbewohnbarkeit einer Wohnung kann das Jobcenter die Kostenübernahme der Kosten der Unterkunft verweigern. Die Regelungen und Möglichkeiten des Jobcenters sind im § 22 SGB II und der Richtlinie des Städte- und Gemeindetags Baden-Württemberg festgelegt.

1. Welche Qualitätsanforderungen gelten für den Wohnraum von Hartz IV-Beziehenden (Ausstattung, Dichtigkeit von Fenstern und Türen, Lärmschutz, Qualität des Heizungssystem usw.)?

Die gesetzliche Regelung des § 22 SGB II besagt, dass Kosten der Unterkunft übernommen werden, soweit sie notwendig und angemessen sind. Die Richtlinie des Städte- und Gemeindetags führt hierzu aus, dass sich die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft, vor allem nach dem Bedarf des/der Leistungsberechtigten und den örtlichen Verhältnissen bemisst. Die angemessene Höhe von Kosten der Unterkunft errechnet sich als Produkt aus der für die Bedarfs-gemeinschaft abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins, pro Quadratmeter (sog. Produkttheorie). Das bedeutet, dass nicht ein einzelner Faktor (Wohnfläche bzw. Miete in Euro je m²) herausgegriffen und als (un-) angemessen beurteilt werden darf, wenn der sich als Produkt ergebende Mietzins, insgesamt angemessen ist.

Der Hilfesuchende ist also grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er eine kleinere Wohnung in gehobener Wohnlage und/oder mit besserer Ausstattung zu einem hö-heren Preis je m² anmietet (BSG, Urteil v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; BSG, Urteil v. 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R). Eine Prüfung der Qualitätsanforderungen ist nicht gesetzlich normiert.

2. Wie wird die Einhaltung dieser Qualitätsstandards gesichtet, umgekehrt, wie wird in Karlsruhe verhindert, dass Hartz IV-Beziehende in Schrottimmobilien landen?

Mangels gesetzlicher Normierung kann keine Einhaltung von Qualitätsstandards geprüft werden. Das Jobcenter Stadt Karlsruhe hat jedoch damit begonnen, bekannt gewordene prekäre Mietobjekte auf ihre Bewohnbarkeit hin zu überprüfen und ggf. einer Anmietung nicht oder nur nach Überprüfung durch den Außendienst und ggf. unter Auflagen zuzustimmen. Die Überprüfung soll bis Jahresende abgeschlossen sein.

Im Rahmen der Besichtigung der prekären Mietobjekte (Wohnraum von privaten Anbietern) soll zu den Punkten:
-Bauzustand
-Erstausstattung
-Miethöhe
-Nebenkosten
eine Aussage getroffen werden. Zu den Besichtigungsterminen wird die Fachstelle Wohnungssicherung vertreten sein. Durch die zuständigen Stellen des Jobcenters und der Sozial- und Ju-gendbehörde wird dann das künftige Verfahren besprochen und festgelegt. Bei Bedarf werden weitere fachkundige Stellen wie zum Beispiel Bauordnungsamt oder Zentraler Juristischer Dienst mit eingeschaltet.

Des Weiteren ist das Jobcenter Stadt Karlsruhe in dem städtischen Arbeitskreis „Mietburgen“ vertreten. Hier werden prekäre Mietverhältnisse von Saisonarbeitern mit Schwerpunkt Wer-derplatz überprüft. Der betroffene Personenkreis ist in der Regel allerdings eher nicht im Leistungsbezug SGB II angesiedelt.

3. In welchen Zeitabständen wird die Qualität der Wohnräume für Hartz IV- Beziehende kontrolliert?

Mangels gesetzlicher Normierung kann keine Kontrolle der Qualitätsstandards erfolgen.
Bei der Fachstelle Wohnungssicherung der Sozial- und Jugendbehörde ist die Scharnierstelle zur Volkswohnung angesiedelt. Hier findet ein regelmäßiger Austausch statt. Somit können bekanntgewordene Probleme auf direktem Weg kommuniziert werden.

Eine Ausnahme stellt durch die Fachstelle Wohnungssicherung akquirierter Wohnraum dar. Hier wird vor Anmietung ein Mindeststandard durch die Fachstelle Wohnungs-sicherung sichergestellt, oder es erfolgt vor der Belegung eine Sanierung der Wohnung.

4. Wohnungsschäden:
a.) Wohin können sich Hartz IV-Beziehende wenden, wenn Sie sich mit dem Vermieter nicht über zu behebende Schäden in der Wohnung einig werden bzw. der Vermieter sich weigert Schäden zu beseitigen?

Da es sich um Forderungen auf dem Gebiet des Privatrechts handelt, können die zuständigen Gerichte (ggf. unter Inanspruchnahme der Prozesskostenhilfe) durch den Kunden angerufen werden. In bestimmten Fällen wird durch das Jobcenter Stadt Karlsruhe die temporäre Mitgliedschaft im Mieterbund in Karlsruhe bezahlt.

Eine entsprechende Vereinbarung wurde durch die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe unter Beteiligung des Jobcenters Stadt Karlsruhe mit dem Mieterbund ausgearbeitet.

b.) Wohin können sich Vermieter wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass ihre Mieter (Hartz IV-Beziehende) nicht sachgemäß mit der Wohnungseinrichtung umgehen?

Auch in diesem Fall handelt es sich um Vorgänge auf dem Gebiet des Privatrechts, welche der Vermieter ggf. im Rechtsstreit mit dem Mieter regeln muss. Das Jobcenter Stadt Karlsruhe wird durch die Gewährung der Kosten der Unterkunft keine Vertrags-partei. Es handelt sich bei der Bewilligung von Kosten der Unterkunft um eine Leistung des Jobcenters an den Kunden, aus der der Vermieter keine Rechtsansprüche gegen
das Jobcenter ableiten kann.

Ohne Einwilligung des Leistungsberechtigten ist auch eine Kommunikation des Jobcenter mit dem Vermieter über die Formalien der Kautionsbewilligung hinaus nicht möglich.

Selbst im Fall einer Kommunikationsmöglichkeit hat das Jobcenter keine Eingriffsmöglichkeit gegen den Kunden, so lange keine Pflichten aus dem SGB II (zum Beispiel die Sicherstellung der postalischen Erreichbarkeit oder die Änderung der Mietkosten ohne Information des Jobcenters) verletzt werden.

5. Hartz IV-Beziehende mit Behinderung:

Wie stellt die Stadt sicher, dass Hartz IV-Beziehende mit Behinderungen bzw. mit altersbedingten Mobilitätseinschränkungen in Wohnraum gelangen und dort verbleiben können, der ihren Einschränkungen gerecht wird?

Für bestimmte Personengruppen hat die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt
Karlsruhe in der Verfügung vom 1. Juli 2017 folgende Regelungen getroffen:

Zu beachten ist, dass Menschen mit Behinderungen aufgrund der von ihnen benötigten Hilfsmittel (Rollstuhl, Rollator und so weiter) einen höheren Platzbedarf haben können. Bei diesen Personen kann, nach entsprechender Einzelfallprüfung, eine Wohnung der nächsten Stufe (= höhere Quadratmeterzahl und höhere angemessene Bruttokaltmiete) als angemessen anerkannt werden.

 

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister, 15.05.2018


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