Armut in Karlsruhe – Trends

29. Januar 2019  Allgemein, Anfragen, Position

Wir haben der Stadtverwaltung verschiedene Fragen zur Entwicklung der Armut in Karlsruhe gestellt. Unten die Antworten. Über einen Antrag zum Doppelhaushalt haben wir immerhin erreicht, dass der Karlsruher Pass und der Kinderpass ausgeweitet wird. Damit wird Armut abgemildert. Zu ihrer Beseitigung müssen Weichenstellungen auf Bundesebene erfolgen: auskömmlicher Mindestlohn, auskömmliche Rente, höhere Löhne, durchgängige Tarifbindung, Wiedereinführung des sozialen Wohnungsbaus usw. usw. … (d.e.)


  1. Wie hat sich die Zahl der Einwohner/innen in den letzten 5 Jahren entwickelt, deren Einkommen plus aller Transferzahlungen unterhalb der Armutsgrenze (weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens) liegt?

Angaben zur Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, deren Einkommen (plus aller Transferleistungen) unterhalb der Armutsgrenze liegt, werden seitens der Statistik nicht für Städte erhoben. Um die Zahl der von Armut gefährdeten Personen zu kalkulieren, wird daher auf die Zahl der Personen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) sowie Grundsicherung im Alter (SGB XII) beziehen, zurückgegriffen.
Am 30. September 2017 bezogen insgesamt 17.841 Personen in Karlsruhe SGB II-Leistungen. Deren Zahl hat sich seit 2012 um 947 Personen (-5,0 Prozent) verringert (2012: 18.788 Personen mit SGB II-Bezug). Aktuellere Daten liegen derzeit der Statistikstelle nicht vor. Die Zahl der Personen, die 65 Jahre und älter sind und Grundsicherung beziehen (außerhalb von Einrichtungen), ist seit 2012 um 325 Personen (+14,4 Prozent) auf zuletzt 2.585 Personen am Jahresende 2017 angestiegen. Bezogen auf die Gesamtzahl der älteren Mitmenschen (im Alter von 65 und mehr Jahren) erhöhte sich damit der Anteil derer, die Grundsicherung im Alter beziehen, von 4,1 Prozent im Jahr 2012 auf zuletzt 4,6 Prozent am Jahresende 2017.

2. Wie hat sich die Zahl der Haushalte in den letzten 5 Jahren entwickelt, deren Einkommen plus aller Transferzahlungen unterhalb der Armutsgrenze liegt?
a) Einpersonenhaushalte
b) Einpersonenhaushalte mit Kind/ern
c) Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder
d) Mehrpersonenhaushalte mit Kind/ern

In den letzten fünf Jahren, das heißt zwischen 2012 und 2017, hat sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit SGB II-Bezug von 10.868 Haushalten im Jahr 2012 um 708 Haushalte (-6,5 Prozent) auf zuletzt 10.160 Bedarfsgemeinschaften verringert.

Im Folgenden die Entwicklungen der Haushaltstypen von 2012 bis 2017:

a) Einpersonenhaushalte: -501 Bedarfsgemeinschaften (-7,6 Prozent)
b) Alleinerziehende : -175 Bedarfsgemeinschaften (-8,3 Prozent)
c) Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder: +90 Bedarfsgemeinschaften (+7,6 Prozent)
d) Mehrpersonenhaushalte mit Kindern: -122 Bedarfsgemeinschaften (-12,7 Prozent).
Bei Grundsicherung im Alter handelt es sich um eine personenbezogene Leistung, weshalb keine Angaben zu Haushalten erfolgen können.

3. Wie hat sich die Zahl der Einwohner/innen in Karlsruhe entwickelt, deren Einkommen plus aller Transferzahlungen länger als 5 Jahre unterhalb der Armutsgrenze liegt?

Die Statistikstelle der Bundesagentur für Arbeit hat den Langleistungsbezug im SGB II ab 48 Monaten errechnet. Die Zahl der Personen, die länger als 48 Monate im Leistungsbezug SGB II sind, ist von 7.529 Personen im Jahr 2012 auf 7.449 Personen im Jahr 2017 gesunken (-80 Personen).

Die Zahl der Haushalte in Karlsruhe, die im Zeitraum 2012 bis 2017 länger als 48 Monte im SGB II-Bezug war hat sich wie folgt entwickelt:

a) Einpersonenhaushalte: +79 Bedarfsgemeinschaften (2012: 2.579 BG; 2017: 2.658 BG)
b) Einpersonenhaushalte mit Kind/ern: +300 Bedarfsgemeinschaften (2012: 1.943 BG; 2017: 2.243 BG)
c) Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder: -141 Bedarfsgemeinschaften (2012: 908 BG; 2017: 767 BG)
d) Mehrpersonenhaushalte mit Kind/ern: -315 Bedarfsgemeinschaften (2012: 1.866 BG; 2017: 1.551 BG).

4. Welche Erkenntnisse liegen der Stadt vor, die darauf hindeuten, dass die Kinder aus Karlsruher Haushalten mit geringem bzw. Armuts-Einkommen auch „geringere“ Bildungsabschlüsse erreichen?

Der Zusammenhang zwischen Bildungsarmut und materieller Armut ist in vielen wissenschaftli-chen Studien nachgewiesen. Dass familiäre Einkommensarmut einen Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder hat und somit zur Reproduktion von Ungleichheit beitragen kann, ist ebenso sozialwissenschaftlich gesicherte Erkenntnis. Allerdings ist dieser Zusammenhang für die Stadt Karlsruhe nicht eruierbar, da die jeweiligen Bildungsinstitutionen nicht die Einkommenssituation der Kinder bzw. der Jugendlichen und/oder deren Eltern erheben.

5. Welche Chance hat die Stadt als Kommune mit welchen Maßnahmen, hier steuernd einzugreifen, wo liegen die Grenzen ihrer Steuerungsmöglichkeiten?

Ganztagsschulen wurden als eine Maßnahme zur Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg eingerichtet. Sie bieten einen kostenlosen Zugang zu Bildungs- und Unterstützungsangeboten und Freizeitgestaltung. Seit dem Schuljahr 2018/2019 sind von 45 Grundschulen in Karlsruhe 21 Ganztagsschulen. Die Auswertung der Familienumfrage 2017 ergibt, dass Familien mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen und in prekären Erwerbs- und Familiensituationen überdurchschnittlich am kostenlosen Angebot der Ganztagsschule teilnehmen.

Nach dem Grundgesetz liegen die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen für die Bildungspolitik in den Händen der Bundesländer (Art. 30 GG). Diesbezüglich sind der kommunalen Steuerungsfähigkeit im Bildungsbereich Grenzen gesetzt. Die Stadt Karlsruhe versucht jedoch im Rahmen ihres kommunalen Handlungsspielraumes, mit Hilfe von vielen präventiven Maßnahmen, zur Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg beizutragen.

Als Beispiele seien hier nur genannt der Ausbau der Schulsozialarbeit, die Frühe Prävention oder Netzwerke wie das Bündnis für Familien, frühzeitige oder ergänzende Sprachförderung (einen Überblick bietet die vom Schul- und Sportamt aufgelegte Broschüre „Bildungs- und Beratungsangebote für neu zugewanderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene 2018/2019“).

6. Welche Maßnahmen übergeordneter Politikebenen sind aus Sicht der Stadt notwendig, um die Korrelation zwischen Höhe des Haushaltseinkommens und Bildungserfolg der Kinder abzuschmelzen?

Eine Maßnahme ist der im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vereinbarte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Je nach konkreter Ausgestaltung kann auch dies zu einem Mehr an Bildungsgerechtigkeit führen. Ergänzend wird auf die Antwort zu Ziffer 6 verwiesen.

7. Was hat die Stadt aus ihrer Sicht in Sachen Armutsbekämpfung in den letzten Jahren erreicht – was hat sie nicht erreicht bzw. wo liegen die Grenzen kommunalen Handelns aus Sicht der Stadt?

Die Kommune, so auch die Stadt Karlsruhe kann nicht die Ursachen von Armut bekämpfen, die in strukturellen Ungleichheiten der Finanz-, Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlagen begründet sind, die sich wiederum auf das Lohn- Beschäftigungs- und Rentenniveau der Bevölkerung auswirken.

Die Stadt Karlsruhe setzt sich im Rahmen ihrer kommunalen Handlungsmöglichkeiten jedoch engagiert dafür ein, Armut zu lindern beziehungsweise Folgen von Armut abschwächen.

Die 2010 vom Gemeinderat beschlossenen und derzeit fortgeschriebenen Leitlinien gegen Kinderarmut und auch die 2012 verabschiedeten Leitlinien gegen Altersarmut sind Beispiele für die Mehrdimensionalität der kommunalen Armutsbekämpfung, denn sie betreffen die materielle Versorgung, Bildung, soziale und kulturelle Teilhabe sowie Gesundheit. Mit den Leitlinien wurde somit ein Handlungsrahmen für eine nachhaltige und ganzheitliche Bekämpfung von Kinderarmut, familiärer Armut sowie Altersarmut in Karlsruhe vorgelegt.

Der Karlsruher Kinderpass ermöglicht es Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien an vielen (Bildung-)Angeboten kostenfrei oder ermäßigt teilzunehmen und trägt somit für ein Mehr an Chancengleichheit bei.

Sowohl der Karlsruher Pass als auch der Kinderpass wurden seit (Wieder-) Einführung in mehrerer Hinsicht erweitert. Zum einen wurde die Angebotspallette seit (Wieder-)Einführung deutlich vergrößert, zum anderen befähigt das Instrument im Sinne der Sozialregion über die Teilnahme von umliegenden Gemeinden zur Teilhabe über Ortsgrenzen hinweg.

Darüber hinaus ist der Zugang zum Karlsruher Pass für Personen mit geringen Einkünften, die knapp über dem Sozialhilfesatz liegen, erleichtert worden. Für die ältere Generation wurden zusätzlich Gutscheine 60 Plus eingeführt. Wie aus Antwort 2 b) und d) zu entnehmen ist, ist die Zahl der Kinder im SGB II-Bezug, entgegen des Bundestrends, in den letzten Jahren zurückgegangen.

Eine weitere effektive Maßnahme der Armutsbekämpfung ist der kommunal aufgelegte Soziale Arbeitsmarkt. Auch werden benachteiligte Personen mit Migrationsgeschichte über das Budget zur Umsetzung des Integrationsplanes in ihren Teilhabemöglichkeiten unterstützt.

In den seit 2007 stattfindenden regelmäßigen Abstimmungsrunden zur Armutsbekämpfung mit Vertreter/-innen der Stadt und der LIGA werden gemeinsam Strategien zur Armutsbekämpfung entwickelt. Nicht zuletzt dient auch die Armutsberichterstattung dazu, Entwicklungen sichtbar zu machen und liefert wichtige Informationen für konkrete Planungen und Entscheidungen auf örtlicher Ebene sowie für Handlungsstrategien und Lösungsansätze. Der Armutsbericht der Stadt Karlsruhe wird derzeit in einem partizipativen Prozess fortgeschrieben.

Stadt Karlsruhe
Der Oberbürgermeister, 11.12. 2018



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