„Wir fahren zusammen“ – Globaler Klimastreik mit FFF, Verdi und LINKE

18. September 2023  Allgemein

200 Menschen demonstriert am 15. September in Heilbronn für eine Politik, die dem Klimawandel begegnet. BusfahrerInnen und ihre Gewerkschaft Verdi waren ebenfalls dabei und sprachen auch zu den Anwesenden. Die Forderung nach besserem ÖPNV vertrat auch Stadtrat Konrad Wanner, dessen Rede wir hier dokumentieren:

Rede beim Globalen Klimastreik in Heilbronn, 15. September 2023
Liebe Zuhörende, liebe Klimabewegte, liebe HeilbronnerInnen,
wir freuen uns, heute bei diesem herrlichen Spätsommerwetter im T-
Shirt und Sommerkleider, mit Sonnenbrille und Sonnenhut
demonstrieren zu können. Hinter uns, rund ums Rathaus haben die
Weinstände geöffnet. Der eine oder die andere von uns wird heute
sicher noch ein Viertele trinken oder sich die Leckereien schmecken
lassen. Und die Heilbronner Wengerter sind mitten in der Lese, der
nächste gute Tropfen kann bald wieder aufgetischt werden.


In diese heile Welt kommen wir nun und fordern zum Globalen
Klimastreik auf. Ich sage ja, und das mit gutem Grund!
Ich darf mich kurz vorstellen: ich heiße Konrad Wanner und bin seit 2019
Stadtrat für DIE LINKE im Heilbronner Gemeinderat. Ich habe als
Maschinenbautechniker gearbeitet und bin jetzt Rentner. Mein
Hauptverkehrsmittel in Heilbronn ist das Fahrrad und seit 1. Juni nutze
ich als Inhaber des 49,-€-Tickets die Bahn noch stärker. In der Familie
nutzen wir auch das Auto und in unserem Haus müssen wir in den
nächsten Jahren die 35 Jahre alte Gasheizung austauschen. Es gibt also
auch privat noch eine Menge zu verändern.
Wer seinen Blick über den Kirchturm der Kilianskirche hinaus schweifen
läßt, wer in den letzten Tagen Augen und Ohren offen hatte, der bekam
mit, wie nah andere Zustände sind:
Am Dienstag 12.9. tobte über dem Weinort Worms-Leiselheim ein
heftiges Gewitter. Der Wengerter Markus Schmeikert sagte am Mittwoch
im Interview mit dem SWR:
Es ist eine Katastrophe. Gestern Abend um viertel nach sieben haben
sich die Tore der Hölle geöffnet und es hat angefangen zu hageln und
nicht mehr aufgehört. Wir haben jetzt noch Eiskörner im Hof, die immer
noch nicht weggeschmolzen sind. … Die Weinberge sind zerstört, die
Ernte ist eigentlich teilweise nicht mehr vorhanden. Das Schlimmste ist
eingetroffen, was irgendwie eintreffen kann. Blätter sind keine mehr
dran. Trauben sind eigentlich zu hundert Prozent zerstört. … es ist das
Schlimmste eingetroffen, was eintreffen kann. Wir hatten ja vor drei
Wochen schon mal Hagel, der uns massiv geärgert hat. Aber das war
alles nicht so schlimm wie jetzt.“
Im Sommer 2021 wurden im Ahrtal über 130 Menschen durch eine
zerstörerische Flut getötet. Bis heute sieht es in den betroffenen Dörfern
aus wie in einem Notstandsgebiet.
Worms-Leiselheim ist 120 km oder 2h weg von Heilbronn, das Ahrtal
etwa 280 km oder 4 Stunden.
Ganz andere Dimensionen hatten die Wetterkatastrophen in diesem
Sommer im Mittelmeerraum. Vor wenigen Tagen tobte in Libyen ein
infernalisches Unwetter. In der Stadt Darna (sie hatte 100.000
Einwohner) sind 30.000 Menschen obdachlos, Tausende gestorben – ich
glaube es geht nicht nur mir so, daß diese Katastrophen mein
Vorstellungsvermögen übersteigen.
Neben dem unvorstellbaren Leid und der gigantischen Not der
Überlebenden sind besonders die Ursachen und Zusammenhänge der
Katastrophe alarmierend. Ich zitiere den Klimaforscher Mojib Latif: „Für
den Klimawandel als Ursache der Katastrophe sprechen diese extremen
Niederschläge in der ganz kurzen Zeit. Gerade im Herbst können
Tiefdruckgebiete besonders intensiv sein, weil das Mittelmeer noch sehr
aufgeheizt ist. Die kalte Luft aus dem Norden trifft auf die warme Luft
über dem Mittelmeer und dadurch entstehen diese explosiven
Wetterlagen“. Ich will nur am Rande erwähnen, daß Libyen nach der
Bombardierung durch die NATO 2011 von undurchsichtigen Clans
regiert wird, die den internationalen Ölmultis die schamlose Plünderung
der Ölvorräte ermöglichen und dort nur eines klar ist: unvorstellbare
chaotische Verhältnisse. Und mitten in diese korrupten Verhältnisse kam
diese Klimakatastrophe – unfaßbar.
Noch ein paar Zahlen: im Ahrtal hat es 2021 ca. 100 bis 200l/m²
geregnet. Im Mittelmeerraum waren es in Griechenland, in Türkei und in
Libyen 1000l/m² – also das zehnfache.
Wenn ich als Kommunalpolitiker meinen Blick wieder auf die Stadt
Heilbronn richte, muß ich mein Handeln auf diesem Hintergrund
ausrichten.
In Heilbronn steht das große Kohlekraftwerk, das bis zum 31.12.2026
stillgelegt werden soll. Soweit so gut. Nur, was jetzt kommt, ist das
genaue Gegenteil von Klimaschonung: ein gasbetriebenes Kraftwerk soll
ab 2027 in Heilbronn Strom erzeugen. Ob Kohle oder Gas – es werden
Unmengen an CO² in die Atmosphäre geblasen. Genau das Gas, das
nach übereinstimmender Beurteilung der weltweiten Klimawissenschaft
den Anstieg der globalen Temperaturen seit Beginn der
Industrialisierung forciert. Der EnBW wird per Vertrag zugestanden, daß
bis zu 100% Frackinggas verbrannt werden kann. Im letzten Jahr, nach
dem Boykott gegen russisches Gas durch die Bundesregierung schloß
die EnBW mit einem US-amerikanischen Lieferanten einen Vertrag zur
Lieferung von Frackinggas, der 20 Jahre lang gilt.
Die Verbrennung von Erdgas und Frackinggas soll eine
Übergangslösung sein. Ab der Inbetriebnahme können 20% Wasserstoff
verbrannt werden. Ab dem 1.1. 2035 verpflichtet sich die EnBW auf den
alleinigen Einsatz von regenerativ erzeugtem Wasserstoff – wenn
folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
– der Wasserstoff ist technisch verfügbar
– der regenerativ erzeugte Wasserstoff ist in der benötigten Menge
verfügbar
– der regenerativ erzeugte Wasserstoff ist preislich im Vergleich zum
Erdgas verfügbar.
Nur so viel dazu: zur Erzeugung einer Tonne Wasserstoff werden 10
Tonnen Wasser benötigt. Der riesige Aufwand läßt sich nur angesichts
dieser Zahl nur erahnen. Der Wasserstoff soll unter anderem aus Afrika
und Spanien per Schiff oder Pipeline geliefert werden. Und: neben dem
Heilbronner Kraftwerk werden weitere Bereiche Wasserstoff brauchen:
Stahlwerke, Chemiewerke, der Flugverkehr usw.
Es besteht der Verdacht, hier werden Luftschlösser aufgebaut ohne jede
Chance auf Realisierung.
Am 26. Juli hat der Heilbronner Gemeinderat den Neubau des
Kraftwerkes beschlossen. Wir beiden Stadträte der LINKEN und ein
Stadtrat der Grünen haben dagegen gestimmt, eine grüne Stadträtin hat
sich enthalten.
Noch ein paar Worte zum Ausbau der Windkraft. Wir haben seit 2011
eine Landesregierung mit einem grünen Ministerpräsidenten. Nach 12
Jahren ist die Bilanz beim Ausbau der Windräder frustrierend: Baden-
Württemberg ist bundesweit eines der Schlußlichter beim Ausbau der
Windkraft. Unser benachbartes Bundesland Rheinland-Pfalz ist da viel
weiter. Es würde gehen – wenn der politische Wille da wäre.
Der Bau eines Windparks ist ein unvorstellbarer bürokratischer Kraftakt.
Am Heuchelberg wird aktuell ein Windpark mit 13 Windrädern geplant.
Im Sommer 2023 wurde von vier Gemeinden die Planung beschlossen.
Wenn alles gut geht, werden sich im Jahr 2028 oder 2029 die ersten
Windräder drehen.
In der Region Franken sollen bis 2027 1,8% der Fläche mit Windparks
belegt sein. Dabei kommt in der Planung ein in der Öffentlichkeit
unbekannter Störfaktor ins Spiel. Ein Drittel der Fläche der Region gilt
als militärisches Gebiet – die Bundeswehr hat für ihre
Hubschrauberstaffel in Niederstetten ein Tieffluggebiet sowie
Radarfläche ausgewiesen. Diese Gebiete unterliegen der
Geheimhaltung. Erst wenn ein Windinvestor nach millonenschwerer
Vorarbeit der Bundeswehr die auf den Quadratzentimeter genaue Lage
des Windrades nennen kann, äußert sich die Bundeswehr und kann das
Windrad ablehnen. Dann sind die investierten 1 bis 2 Millionen
buchstäblich in den Wind geblasen. Wer sich genauer damit befassen
will, dem empfehle ich das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichtes
Mannheim vom 4.4.2023.Welche Alternativen gibt es:
Wir fordern den massiven Ausbau der Wind- und der Solarenergie, der
Biomasse und der Wasserenergie – also der erneuerbaren.
Wir fordern die lokale Erzeugung der erneuerbaren Energie massiv zu
fördern.
Wir fordern Energieeinsparungen auch in der Industrie und im Gewerbe.
Wir fordern auch ressourcensparende Produkte. Und ja, das können die.
Wir haben in der Region einen Hersteller, der galt vor vielen Jahren als
der weltgrößte Produzent von Zweirädern. Quickly und Max und Fox und
der Markenname der Fahrräder existiert heute noch.
Wir fordern eine umfassende Verkehrswende: Busse und Stadtbahnen,
die von morgens 6 Uhr bis abends 20 Uhr im Viertelstundentakt fahren.
Wir fordern ein 365-€uro-Ticket, also für einen Euro am Tag als ersten
Zwischenschritt bis zur kostenfreien Nutzung von Bus und Bahn.
Und wir fordern den Ausbau von Bus und Bahn im ländlichen Raum. Wir
brauchen die Zabergäubahn, die Bottwarbahn und die Kochertalbahn.
Wir brauchen dazu aber nicht jedes Jahr eine neue Studie, wir brauchen
den Baubeginn sofort. Die Zabergäubahn kann in wenigen Monaten
ertüchtigt werden, die Bahnlinie nach Schwäbisch Hall kann ab Öhringen
sofort elektrisiert werden. Und und und.
Ja, das kostet Geld. Viel Geld. Das Geld ist da. Wenn der politische Wille
da ist, kann in 3 Tagen ein milliardenschweres Programm aus dem
Boden gestampft werden. Ich sage es deutlich: wir brauchen keine
milliardenschwere Rüstungsprogramme. Wir brauchen Investitionen in
den Klimaschutz, in die Energiewende, in die Verkehrswende.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
Konrad Wanner, 15.9.2023


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