Jäcklein Rohrbach-Stele

26. Juli 2025  Allgemein

Rede von Dr. Erhard Jöst zur Einweihung der Jäcklein Rohrbach Stele in Neckargartach. Jöst, der selbst lange Zeit Bezirksbeirat in Neckargartach war und in der letzten Legislaturperiode auch Stadtrat in Heilbronn, forschte bereits mehrfach zum Bauernkrieg. Hier seine Rede:

Jäcklein Rohrbach, wohl um das Jahr 1500 geboren, war ein Leibeigener aus Böckingen. Er avancierte zum Erbpächter von zwei Höfen und betrieb eine Wirtschaft. Seine Lebensdaten, soweit sie uns vorliegen, hat Uwe Mettendorf vom Neckargartacher Arbeitskreis für Kultur auf einem Flugblatt anschaulich zusammengetragen, sodass ich auf sie nicht näher eingehen muss.


Als einer der ersten Historiker hat der Heilbronner Archivar Moriz von Rauch den rebellischen Bauern beschrieben. Obwohl er ihn als einen schlauen und gewandten
Menschen charakterisiert, merkt man seiner Darstellung an, dass er für ihn keine
Sympathie empfindet. Rohrbach sei „zum Aufrührer geworden ähnlich wie Kleists
Michael Kohlhaas, der aber im Gegensatz zu Rohrbach eine edle Natur ist und
tatsächlich schweres Unrecht erleidet.“ Bei den aufständischen Personen, die in der
Heilbronner Ausstellung zum Bauernkrieg in der Kunsthalle Vogelmann kurz
porträtiert wurden, heißt es: Er „stellt das Idealbild eines Empörers des Jahres 1525
dar.“ Er sei „ein Untertan gewesen, der scheinbar ohne Grund, dafür aber umso mehr
mit Hass und Gewalt gegen die Obrigkeit aufbegehrte.“ Wenn man freilich als
Historiker das ordo-System und die soziale Lage im 16. Jahrhunderts anschaut, fallen
einem massenhaft Gründe für eine Rebellion ins Auge.
Von Wilhelm Zimmermann, der als einer der ersten Historiker über den Bauernkrieg
geschrieben hat, wurde Jäcklein Rohrbach als „gescheiter Kopf“ beschrieben, der
trotzig und rebellisch aufgetreten sei. Belegt ist freilich auch, dass er recht rabiat und
zornig agieren konnte. Er soll sehr belesen gewesen sein und selbstbewusst das Recht
auf Selbsthilfe für sich in Anspruch genommen haben. Angeblich trug er stets eine
Kopie der Zwölf Artikel mit sich, in denen die Bauern ihre Forderungen an die
adligen und klerikalen Grundherrn zusammengefasst hatten. Seine engste Ratgeberin
war Margarete Renner, ebenfalls in Böckingen ansässig, die als die „schwarze
Hofmännin“ in die Geschichte eingegangen ist. Die aufständischen Bauern wählten
Rohrbach zu ihrem Hauptmann.
Das Ereignis, das in den Chroniken mit Jäcklein Rohrbach verbunden ist, war der von
ihm am Ostermontag, dem 16. April 1525 angeordnete Spießrutenlauf von
Weinsberg, bei dem der Graf von Helfenstein getötet wurde. Der Grund für diese
blutrünstige Maßnahme wurde früher in den Geschichtsbüchern weggelassen: Der
Graf von Helfenstein hatte bei Ritt auf seine Burg willkürlich und wahllos Bauern
getötet. Die Adligen durften das, sie mussten sich für solche Morde nicht
rechtfertigen, sie waren ja selbst die Gerichtsherren! Und für die Geschichtsschreiber
waren solche Taten Lappalien, die sie in der Regel noch nicht einmal festhielten.
Diese Bluttat von Weinsberg war also eine Vergeltungsmaßnahme, aber sie war
unerhört, denn es war bis dato nicht dagewesen, dass ein Bauer einen Adligen mit
dem Tode bestrafte.
Schätzungsweise achtzig- bis einhunderttausend Bauern verloren in dem Krieg ihr
Leben. Vergleicht man diese Zahl mit der der Adligen und Landsknechte, dann
springt ins Auge, dass diese verschwindend gering war. Und die Historiker sind sich
einig, dass die Bauern keinen Krieg, sondern Verhandlungen wollten. Sie wollten,
dass die Grundherren ihre Forderungen nach Abgaben und Dienstleistungen
reduzieren und zudem deren Berechtigung nach der Bibel nachweisen sollten. Aber
die Erforschung des Bauernkriegs betrieben anfangs absolut einseitig die Sieger, und
diese schoben die Gewaltorgien allein den Bauernhaufen in die Schuhe. Selbst die
Literatur betrieb diese Geschichtsfälschung, und vor allem unser Dichterfürst Johann
Wolfgang Goethe hat sie mit seinem Drama „Götz von Berlichingen“ zementiert.
Alexander von Humboldt stellte im Jahr 1843 hingegen zutreffend fest: „Der große
Fehler in der deutschen Geschichte ist, dass die Bewegung des Bauernkrieges nicht
durchgedrungen ist.“
Das Strafgericht das die Sieger durchführten, war in seiner Grausamkeit beispiellos.
Die Anführer der Bauern wurden vor ihrer Hinrichtung gefoltert, und für ihre
Hinrichtung dachte man sich die grausamsten Methoden aus. Der Maler Jörg Rathgeb
wurde in Pforzheim gevierteilt, Jäcklein Rohrbach wurde in Neckargartach bei
lebendigem Leib verbrannt. Der Schriftsteller Yaak Karsunke hat in seiner
„Bauernoper“ 1975 geschrieben:
„Einen Mann kann man verbrennen / Doch wenn das Elend bleibt / Wir bald der
Nächste verlangen / Nach Gottes Gerechtigkeit.“
Und so legt Karsunke den Bauern die Hoffnung in den Mund, dass es die Enkel
einmal besser ausfechten werden. Auf jeden Fall haben wir, die Nachfahren, die
Pflicht, die Erinnerung an die mutigen Vorkämpfer für Gerechtigkeit zu bewahren.
Ich bin daher dem Ortskartell und seinem Vorsitzenden Herbert Burkhardt überaus
dankbar, dass er das Denkmal-Projekt realisieren ließ und teile die Auffassung des
Historikers Christian Pantle, der im Gedenkjahr 2025 ein Buch über den Bauernkrieg
veröffentlicht und mir geschrieben hat, dass es in der Tat Zeit wird, dass Jäcklein
Rohrbach gewürdigt wird.
Die Schwarze Hofmännin hat in Böckingen bereits 1986 eine Skulptur bekommen,
die der Bildhauer Dieter Klummp angefertigt hat, eine für Jäcklein Rohrbach kommt
nun in Neckargartach hinzu und erinnert an einen Mann, der sich für die Freiheit und
die Rechte der Bauern einsetzte.
Ich freue mich auch sehr darüber, dass die Rohrbach-Stele von der Bildhauerin Eva
Schwindt-Läpple angefertigt wurde, die seit drei Jahrzehnten auch als Künstlerin in
meinem Kabarett GAUwahnen mitspielt. Dabei konnte sie darauf aufbauen, dass sie
an der Musikschule Heilbronn eine mehrjährige Ausbildung in Gesang, Klavier und
Saxophon erfahren hat. Sie arbeitet heute als Künstlerin in Heilbronn mit eigenem
Atelier und schafft Stelen für den privaten Gebrauch.
Nach dem Abitur mit dem Schwerpunkt Kunst absolvierte Eva eine dreijährige
Ausbildung an der Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern, danach ein
Kunststudium an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe. Ihr Gesellenstück,
eine Marlene-Dietrich-Büste, wurde mit der Note 1,0 bewertet und steht heute in
ihrem Garten neben verschiedenen Kunstwerken ihres Vaters, von dem sie viel
gelernt hat. Dieter Läpple hat bekanntlich für Neckargartach den Linsafamer-Brunnen
modelliert, der längst das Wahrzeichen von unserem Stadtteil geworden ist.
Vater und Tochter haben also mit ihren Kunstwerken Neckargartach bereichert, und
sie stellen beide Personen vor, die für diesen Ort prototypisch sind: die listige
Sagengestalt und den furchtlosen Freiheitskämpfer.
Erhard Jöst


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